Die komfortabelste Art, mit dem iPhone zu bezahlen, bleibt den meisten vorerst verwehrt. Bezahlen kann mit Apple Pay nämlich nur, wer eine Kreditkarte bei Apple hinterlegt hat. Die Kreditkartenanbieter Visa und Mastercard sagten Apple zwar sofort ihre Unterstützung zu, als der Konzern im Frühling Apple Pay ankündigte. Mitziehen müssten aber auch die Banken – als Herausgeber der Karten. Das tun die meisten nicht. Nur die Tessiner Cornèr-Bank und die kleinen Kartenherausgeber Bonuscard und Swiss Bankers (Prepaid) ermöglichen bisher ihren Kreditkartenkunden das Zahlen mit Apple Pay.

Der Grund, warum die Banken bocken, heisst Twint. Die Schweizer Bezahl-App, die im Mai mit dem Konkurrenten Paymit fusioniert hat, soll im Herbst neu lanciert werden. Hinter Twint stehen neu die grössten Schweizer Banken Credit Suisse, Postfinance, Raiffeisen, UBS und ZKB sowie die Finanzinfrastrukturfirma Six.

Mit Kreditkarten dieser Anbieter soll Apple Pay – vorerst – nicht nutzbar sein. Einige Banken lassen durchblicken, dass Apple Pay erst ein Thema wird, wenn Twint scheitert oder ein Grossteil der Kunden darauf besteht.

Einen Vorteil sehen die fünf Schweizer Banken bei ihrem eigenen Produkt darin, dass es plattformunabhängig ist. Anders als den neuen Konkurrenten kann man Twint auf Android- wie auf Apple-Geräten nutzen. Zudem lässt sich mit Twint Geld via Handy an Privatpersonen überweisen.

Ausserdem können Kundenkarten, etwa die Migros-Cumulus-Karte oder die Coop-Supercard, in die App integriert werden; beim Bezahlen werden Punkte automatisch angerechnet. Eine Kreditkarte ist für die Nutzung von Twint nicht nötig, weil das Konto jeweils vorher aufgeladen wird.

«Ich rechne nicht mit einem Boom des mobiles Bezahlens. Dafür ist Bargeld in der Schweiz noch zu attraktiv.»

Thomas Ankenbrand, Finanztechnologe

Doch Twint hat auch Nachteile: Der Dienst ist nur in der Schweiz nutzbar. Mittlerweile findet aber rund die Hälfte der Transaktionen mit Schweizer Kreditkarten im Ausland statt. Apples Lösung funktioniert dagegen weltweit.

Attraktiv klingen auch Apples Ankündigungen in Sachen Datenschutz. Die Kunden müssen zwar eine Kreditkarte im elektronischen Portemonnaie hinterlegen – doch das haben die meisten ohnehin schon getan, etwa für Käufe im App Store oder im iTunes Store. Apple verspricht allerdings, dass keine Transaktionsdaten gespeichert werden und diese nicht zurückverfolgt werden können. Ausserdem werden bei einer Zahlung nicht die Kreditkartendaten übermittelt, sondern eine zuvor generierte, verschlüsselte Identifikationsnummer.

Mit Apple Pay ist Bezahlen auch etwas einfacher, weil es mit Nahfeldkommunikation (NFC) funktioniert. Kunden müssen das Handy nur ans Bezahlterminal halten und die Zahlung mit ihrem Fingerabdruck bestätigen. Bei Twint hingegen muss man die App öffnen.

Twint kann NFC auf dem iPhone nicht nutzen, da Apple die Funktechnologie nur für seine eigene Bezahl-App freigibt. Das hat bei der Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) für Unmut gesorgt. Weil Apple den Chip exklusiv für die eigene Bezahl-App nutze, sperre der Konzern Mitbewerber aus. Die SKS hat darum eine Klage bei der Wettbewerbskommission (Weko) eingereicht. Sie soll abklären, ob der Konzern eine marktbeherrschende Stellung missbrauche. Die Weko will zurzeit aber kein Verfahren einleiten und zuerst die weitere Entwicklung beobachten.

Experten werfen noch andere, grundsätzliche Fragen auf. «Wir haben in der Schweiz kein Problem mit Bezahlen», sagt Thomas Ankenbrand, Dozent für Finanztechnologie an der Hochschule Luzern. Er rechnet nicht mit einem Boom des mobilen Bezahlens. Die Infrastruktur sei schon sehr gut, zudem habe die Schweiz eine starke Bargeldkultur – rund 60 Prozent der täglichen Einkäufe würden bar bezahlt. «Im Ausland ist das teilweise anders, etwa in nordischen Ländern, wo Mobile Payment weit verbreitet ist.»

Ähnlich schätzt Finanztechnologie-Investor Marc P. Bernegger die Lage ein. Noch im März, als erste Gerüchte über Apple Pay in der Schweiz aufkamen, sagte er zur «Handelszeitung»: «Der Eintritt eines globalen Riesen wie Apple würde den Markt komplett verändern.» Das sei auf den Konkurrenzkampf auf dem Schweizer Markt bezogen gewesen, sagt er heute. Dieser habe sich durch das Zusammengehen der nationalen Lösungen Twint und Paymit abgeschwächt.

Im Kampf gegen Apple sieht Bernegger momentan Twint leicht im Vorteil: «Weil das Produkt bereits existiert und genutzt wird.» Auch die Möglichkeit, sich untereinander Geld zu überweisen, spreche eher für Twint. Dass es sich um ein Schweizer Angebot handelt, werde dagegen für die Kunden keine allzu grosse Rolle spielen. Sobald Apple Kooperationen mit lokalen Händlern eingehe, sei der allfällige Vertrauensbonus von Twint dahin. Zudem gehe es im Mobile-Payment-Bereich vor allem darum, die jungen Kunden für sich zu gewinnen. «Ich glaube nicht, dass diese einer Schweizer Grossbank mehr vertrauen als einem US-Unternehmen – bei dem viele ohnehin bereits Kunden sind.»

Die grösste Herausforderung sieht Bernegger darin, Kunden von den Vorteilen des Mobile Payments zu überzeugen. Diese sind für ihn noch nicht offensichtlich. «Kontaktlos bezahlen kann ich auch mit meiner Kreditkarte. Das Smartphone bietet da keinen wirklichen Mehrwert», sagt Bernegger. Um Mobile-Payment-Lösungen für den Grossteil der Kunden attraktiv zu machen, seien etwa eine schnellere und unkompliziertere Abwicklung der Zahlung, spezielle Bonusprogramme oder automatische Auswertungen über die Transaktionen denkbar.

Thomas Ankenbrand von der Hochschule Luzern rechnet damit, dass Twint wie auch Apple Pay ihren Platz im Schweizer Markt finden werden – aber bis auf weiteres nicht am Bargeld vorbeikommen. «Dafür ist Bargeld in der Schweiz noch zu attraktiv.» Ob und wann sich das ändere, sei auch vom politischen Willen abhängig.

Twint und Apple Pay: So funktionierts

Um Twint zu nutzen, muss sich der Kunde registrieren. Ein Twint-Konto lässt sich über ein Bankkonto, mittels Einzahlungsschein oder Guthabenkarte aufladen. Für den Bezahlvorgang öffnet man die App und hält sie an das dafür vorgesehene Terminal an der Kasse, das mit einer Bluetooth-Schnittstelle ausgestattet sein muss. Der Kunde bestätigt den in der App angezeigten Betrag. In den Einstellungen kann er festlegen, bis zu welcher Summe das Bezahlen ohne Eingabe eines PIN-Codes möglich ist.

Apple Pay läuft nicht über Bluetooth, sondern mit Nahfeldkommunikation (NFC). Diese kennt man bereits von Kreditkarten, die kontaktloses Zahlen erlauben. Der Nutzer hält sein Gerät ans Kartenterminal. Um den Kauf zu bestätigen, legt er den Finger auf den Fingerabdruckscanner des iPhones. Das Öffnen einer App ist nicht nötig. Apple Pay funktioniert nur mit iPhones ab der sechsten Generation.