Lange, kalte Winter können schwer aufs Gemüt schlagen. Die Lebensfreude scheint im Winterschlaf erstarrt, und manchmal helfen nicht mal mehr der Lieblingskrimi im Fernsehen oder der Yogi-Tee. Einziger Ausweg: ab in die Badewanne! Nichts wärmt die Seele und die kalten Füsse so nachhaltig wie ein warmes Vollbad. Baden versöhnt mit der Welt. Baden heisst, mit sich ins Reine kommen.

Der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse, der in den zwanziger Jahren mehrmals zur Kur im aargauischen Baden weilte, beschrieb das Glück des morgendlichen Badens in der unterirdischen Badezelle des Kurhotels so: «…überall rinnt das heisse Wasser der Quellen, ein heimliches, wärmendes Höhlengefühl überkommt mich hier jedesmal, wie ich es als kleiner Junge hatte, wenn ich mir aus einem Tisch, zwei Stühlen und einigen Bettvorlagen oder Teppichen eine Höhle errichtet hatte.» Wasser ist der Stoff, aus dem Wellnessträume sind. Mit Dampfbad, Whirlpool, Sauna, Hydrotherapie, Unterwassermassage, Thalassotherapie und anderen Spezialitäten umwerben Wohlfühltempel erholungsbedürftige Kundinnen und Kunden. Nahezu zwei Millionen Übernachtungen gehen Jahr für Jahr auf das Konto des Schweizer Bädertourismus. In den Thermen der Jura- und Alpengebiete zu baden und zu kuren war schon zu römischen Zeiten äusserst beliebt. Doch der veritable Bäderboom fand erst im 19. Jahrhundert statt: Rund 300 «Cur Anstalten» entstanden allein zwischen 1860 und 1880 in den Schweizer Bergen.

Während der letzten zehn Jahre haben Badekurorte, Bäder und Kurhäuser erneut investiert: Weit über eine Milliarde Franken steckten sie in die Modernisierung ihrer Anlagen. Zahlreiche Heilbäder wurden architektonisch aufgepeppt und in Badelandschaften mit allem Drum und Dran verwandelt. Ganz nach der Devise, der die Bäderkultur schon früher nachlebte: Wer in Heilbädern baden will, muss nicht krank sein. Wasser ist auch zum Abtauchen und zum Geniessen da!

Schwitzen gegen Schnupfen
Den Alltag Alltag sein lassen, das gelingt auch beim Saunabaden. Gemäss Erhebungen des Schweizerischen Saunaverbands wollen sich rund drei Viertel der Besucherinnen und Besucher beim Schwitzen entspannen und erholen. Ebenso viele Saunagänger tun es auch für die Abhärtung – als Schutz vor Infekten. Studien aus Finnland und Deutschland bestätigen diesen Schutzeffekt: Schulkinder, die während eines Jahres regelmässig Saunabäder nahmen, erkrankten weniger oft an Asthma und Bronchitis als Gleichaltrige, die keine Schwitzbäder nahmen.

Ernst Braunschweiler, Präsident des Saunaverbands, vermutet zudem einen Schutz vor Grippe und Erkältungskrankheiten: Befragungen hätten gezeigt, dass Stammgäste von Saunen nur selten erkältet sind: «Sauna ist Gymnastik für die Blutgefässe, die Gefässe werden elastischer, passen sich der Kälte besser an und schützen so vor Verkühlung.» Das Gefässtraining sei auch deshalb nötig, weil die Menschen weitgehend verlernt hätten, die Körpertemperatur zu regulieren: «Nur wer einen Hund oder eine Ofenheizung hat, setzt sich heute noch regelmässig der Kälte aus», meint Saunaexperte Braunschweiler.

Abhärtung ist auch die Losung jener Leute, die im Storchenschritt mit hochgekrempelten Hosen durch feuchte Wiesen staksen: die Anhängerschaft des Pfarrers und Naturarztes Sebastian Kneipp. Zu Unrecht verbindet man Kneippen bloss mit kaltem Wassertreten, denn zum Konzept gehören auch warme Bäder. Zudem lehrte der «Priester mit der Giesskanne» gesunde Ernährung und die Kraft der Heilpflanzen.

Seit mehr als 200 Jahren bewährt sich Kneipps Selbsttherapie: Dem Schweizer Verband sind 13000 kneippende Haushalte angeschlossen. Bäder, Güsse und Waschungen kann man sowohl im Bach und auf der Wiese machen als auch bequem im eigenen Badezimmer – wohl mit ein Grund für deren Popularität.

Wasser ist zudem ein beliebtes Tummelfeld für Bewegungsfreudige. Klappernde Zähne und blauen Lippen zeugen davon, und auch die Statistik belegt es: Schwimmen nimmt auf der Rangliste der sportlichen Aktivitäten der Schweizerinnen und Schweizer seit Jahren einen der drei Spitzenplätze ein – neben Wandern und Radfahren. Matthias Baumberger vom Schweizerischen Olympischen Verband (SOV) spricht deshalb vom «ewigen helvetischen Dreikampf: Wandern, Schwimmen, Radfahren». Schwimmen gelte als Gesundheitssportart Nummer eins, sagt der SOV-Mann. Die Sportart entspreche auch einem Bedürfnis nach Individualität. Und: «Beim Schwimmen braucht man garantiert nicht zu Schwitzen!»

Wasser massiert zum Nulltarif
Fluss-, See- oder Hallenbadwasser stellt ein ideales Trainingsgerät dar: Wasser bietet Auftrieb, Druck und Widerstand – der Wasserwiderstand ist 800-mal grösser als der Luftwiderstand. Das Medium hat viele Vorteile: Es ist eine Gratismassage und ein Gratisturngerät. Zudem wiegt man durch den Auftrieb nur einen Bruchteil des wirklichen Gewichts. Gelenke und Wirbelsäule werden auf diese Weise geschont, und die Verletzungsgefahr im Wasser ist äusserst gering.

«Schwimmen trainiert den Körper umfassend, weil viele Muskeln beteiligt sind», sagt Claude Spring, der an der ETH Zürich angehende Sportlehrkräfte unterrichtet. «Wichtig ist aber, dass man funktional richtig schwimmt», mahnt der Fachmann. Falsche Belastungen könnten zu Schmerzen und manchmal sogar zu Schädigungen am Bewegungsapparat führen. Zum Beispiel sollte man den Kopf beim Schwimmen in Bauchlage nicht ständig über Wasser halten. Seit ungefähr zehn Jahren füllen auch Aqua-Fitness-Begeisterte die Hallenbäder. Die Sportart ist unterdessen so verbreitet, dass «allerorts das Wasser knapp ist», wie sich Marian Ineichen, «Allez Hop!»-Projektleiterin beim Schweizerischen Schwimmverband, ausdrückt. Obwohl Hallenbäder vor allem mit Defiziten oder mit drohenden Schliessungen Schlagzeilen machen, stimmt die Nachfrage: Hallenbäder sind in der Schweiz begehrte Sportplätze. «Die Bevölkerung hängt an ihren Bädern. Droht ein Hallenbad dichtzumachen, sind die Widerstände in der Bevölkerung massiv», bestätigt Hermann Schumacher, Verantwortlicher im Sportamt der Stadt Zürich. Nicht selber aktiv ist man beim Wasser-Shiatsu (Watsu) und beim Wassertanzen (Wata): Getragen von einer Therapeutin oder einem Therapeuten, entspannt man sich im körperwarmen Wasser. Die beiden Formen der aquatischen Körperarbeit werden hierzulande seit zehn Jahren praktiziert. Sie verbinden Massage, Gelenkmobilisation und Shiatsu – beim Watsu auf dem Wasser und beim Wata auch unter Wasser.

«Es ist wie ein Tanz von zwei Personen. Die Getragenen können loslassen und abtauchen und erleben ein Gefühl wie Fliegen», sagt Maja Karrer vom Schweizerischen Institut für aquatische Körperarbeit. Wasser sei das Element, um körperliche und seelische Verspannungen zu lockern: «Wasser bringt viel an die Oberfläche – und viel in Fluss!».

Menschen sind mit dem Wasser mehr verbunden als mit jedem anderen Stoff: Wir sind seine Kinder, herangewachsen im Fruchtwasser. Und vor Millionen Jahren war das Meer der Lebensraum unserer Vorfahren. An das Leben auf dem Trockenen haben wir uns im Lauf der Evolution gewöhnt, die Sehnsucht nach dem Wasser aber ist geblieben – etwa nach einem warmen Bad an einem grauen Wintertag.