Am Anfang hatten die beiden Freunde ein Ziel: Sie wollten das Beste für Bergsteiger produzieren. Dafür gründete Yvon Chouinard die Firma Patagonia und Douglas Tompkins The North Face. Die beiden sind noch heute Ökopioniere, ihre Firmen haben aber ganz andere Wege genommen. Patagonia ist das coole grüne Unternehmen geblieben. Seit 1996 verwenden die Kalifornier ausschliesslich Biobaumwolle, ab 2012 werden alle Kunstfasern aus Recyclingmaterial sein. Und nach wie vor spendet Chouinard ein Prozent des Firmenumsatzes an radikale Umweltprojekte.

Anders The North Face. 1970 verkaufte Tompkins sein Baby, gründete Esprit, verkaufte es 20 Jahre später – und kaufte in Südchile 12'000 Quadratkilometer Land, um den Naturpark Pumalin zu gründen. Wo er mit seinem Freund Yvon Chouinard noch heute bergsteigen und surfen geht.

The North Face aber fiel an die VF Corporation, der auch Marken wie Wrangler, Lee, Eastpak und Vans gehören. Von Tompkins’ Vision ist wenig geblieben. Das zeigt eine Studie der Erklärung von Bern (EvB) und der Clean Clothes Campaign (CCC) über die Outdoorbekleidungsindustrie, die dem Beobachter exklusiv vorliegt. The North Face schneidet miserabel ab. «Die Firma nimmt ihre soziale Verantwortung nicht wahr», sagt Studienleiterin Christa Luginbühl. Von den 176 Franken, die man für eine North-Face-Regenjacke zahlt, landet gerade mal einer in den Taschen der Näherin in El Salvador. Der Lohn beim Zulieferer Youngone ist so niedrig, dass eine Familie vier Mindestlöhne braucht, nur um das Existenzminimum zu verdienen.

CCC-Experten stellten bei Youngone zudem massive Arbeitsrechtsverletzungen fest: schlechte Belüftung in den Fabrikhallen, erzwungene Überstunden, sexuelle Übergriffe, unrealistische Tagesziele, Entlassung von Gewerkschafterinnen und ihren Angehörigen. Das deckt sich mit der Diagnose, die die deutsche Stiftung Warentest schon 2004 stellte, die lediglich «Ansätze» festgestellt hatte, dass Jacken fair, sozial und ökologisch korrekt hergestellt werden.

Kodex und Kontrolle

The North Face ist kein Einzelfall. Die deutsche Firma Tatonka etwa verspricht: «Die betriebliche Aus- und Weiterbildung in unseren Produktionsstätten in Vietnam ist vorbildlich und eröffnet unseren Mitarbeitern ausgesprochen gute Karrierechancen. Betriebliche Mitspracherechte und gewerkschaftliche Organisation sind für uns selbstverständlich.» Wie ernst es Tatonka-Geschäftsführer Andreas Schechinger damit ist, zeigt seine Reaktion auf die EvB/CCC-Umfrage. Den Fragebogen füllte er nicht aus. «Herr Schechinger braucht das nicht. Er ist nicht interessiert», liess er mitteilen.

Die «überzeugten Naturenthusiasten» (Eigenwerbung) von Fjällräven versprechen, dass «die Angestellten in den Fabriken unter sicheren, fairen, legalen und humanen Bedingungen» produzieren. Fragt sich nur, wie das geht, wenn die Schweden fast vollständig auf Kontrollorgane verzichten.

Nicht besser Vaude. Einen Teil der Kollektion lassen die Deutschen in Myanmar produzieren und behaupten, die dortigen Standards seien «für asiatische Verhältnisse relativ hoch». Diese Aussage steht in krassem Widerspruch zum Uno-Menschenrechtsrat, der im März einmal mehr seine tiefe Besorgnis über die schwerwiegenden, systematischen Menschenrechtsverletzungen im ehemaligen Birma ausdrückte.

Kein Wunder, kommt Studienleiterin Christa Luginbühl zu einem ernüchternden Schluss: «Aussen hui, innen pfui», sagt sie über das Gros der Outdoorfirmen. Tolle Werbesprüche über die grosse Freiheit in der unberührten Natur haben alle auf Lager, öffentlich zugängliche Verhaltenskodizes sucht man bei vielen aber vergeblich. «Die Outdoorfirmen haben in Sachen Ökologie die Nase zwar vorn. Bei den Sozialstandards hinken sie den Modefirmen aber gnadenlos hinterher», so Luginbühl.

Käufer wollen ein gutes Gewissen haben

«Gerade die ökologisch sensibilisierten Outdoorkunden verlangen saubere Produkte, die sie ohne schlechtes Gewissen geniessen können», meint EvB-Sprecher Oliver Classen. «Und sauber heisst: nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern insbesondere auch mit fairen Arbeitsbedingungen in der Zuliefererkette.»

Immerhin: Einzelne Outdoorunternehmen erfüllen diesen Anspruch schon weitgehend, allen voran Mammut, Patagonia und Odlo. Insbesondere die beiden Schweizer Firmen lassen ihre Zulieferer neu durch unabhängige Kontrollstellen überprüfen, verpflichten sich zur Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten sowie lokalen Gesetzen und garantieren existenzsichernde Löhne.

«Es genügt nicht, sich zu fairen Produktionsverhältnissen zu bekennen», bestätigt Adrian Huber von Mammut. «Man muss auch genügend Managementkraft bereitstellen und das Thema systematisch und professionell angehen.» Sonst funktioniere das nie und nimmer. «Dass es uns relativ gut gelingt, fair und sauber zu produzieren, hängt auch mit den hohen technischen Anforderungen an die Produktion von Funktionsjacken zusammen», sagt Huber. Dies sei nur mit Hilfe komplexer Technologien und gutausgebildeter Mitarbeiter möglich. «Von daher ist fast schon sichergestellt, dass unsere Lieferanten relativ gute Arbeitsbedingungen gewähren. Sonst gehen ihre Leute einfach zur Konkurrenz.»

Auch andere Schweizer Firmen setzen auf Fairness, so namentlich Sherpa Outdoor. Die Basler starteten 2004 als Direkthilfeprojekt für Sherpas, die nach dem Ausbruch der Unruhen in Nepal unter dem Zusammenbruch des Tourismus litten. Mittlerweile produzieren sie auch in Bangladesch und China. «Wir sind so klein, dass wir unsere vier Partner in Asien selber kontrollieren können», sagt Sherpa-Mitgründer Hermann Blaser.

Im EvB/CCC-Bericht liest sich das anders. Sherpa Outdoor verfüge nicht über ausreichende Instrumente, um minimale Arbeitsstandards sichern zu können. Denn wissenschaftliche Untersuchungen zeigen unmissverständlich, dass Arbeitsrechtsverletzungen mit Eigenkontrollen kaum aufzudecken sind. «Das wusste ich nicht», sagt Blaser jetzt. Deshalb prüft Sherpa Outdoor den Beitritt zur Fair Wear Foundation. Die klassenbesten Firmen sind Mitglieder dieser Verifizierungsstelle, die Produzenten vor Ort kontrolliert.

Zimtstern: «Wir müssen besser werden»

Die Konsequenz aus ihrem miserablen Abschneiden zieht auch Zimtstern. «Ja, wir müssen besser werden», sagt Thomas Triet von Zimtstern. Seine Trendmarke kämpfe aber mit dem Problem aller Kleinen. Bei einem Jahresumsatz von bloss zwölf Millionen Franken 100-prozentig sozialverträglich zu produzieren sei «grauenhaft schwierig». Dass Fairness aber keine Frage der Firmengrösse sein kann, wissen auch die Zimtsterne – und starten jetzt ein Ethikprojekt, mit hohem Anspruch: «Wir wollen bei den Snowboardern das werden, was Patagonia für den gesamten Outdoorbereich ist: ein Vorbild», sagt Triet.

Aber auch die grüne Kultmarke aus Kalifornien hat keine weisse Weste. Patagonia will zwar faire Löhne, verpflichtet sich aber nirgends, dass den Arbeiterinnen in den Zulieferbetrieben tatsächlich existenzsichernde Löhne bezahlt werden. Und wechselt seine Lieferanten oft und schnell aus. Erfahrungsgemäss ein Risiko, wenn man soziale Standards durchsetzen will.

Wie wichtig stetes Engagement in allen Fragen der Nachhaltigkeit ist, dafür ist Patagonia trotzdem das beste Beispiel. Gründer Yvon Chouinard verfolgt konsequent seinen Ökokurs. Denn er will das Unmögliche möglich machen: «Ich will beweisen, dass es auch ein Unternehmen schafft, keinen ökologischen Fussabdruck auf dem Planeten zu hinterlassen.»

Und über seinen Freund Douglas Tompkins, der mit dem North-Face- und Esprit-Geld sein Ökoparadies kaufte, sagt er: «Es ist wunderbar, dass Doug so viel Natur rettet. Nur nützt das nichts, wenn rundherum die ganze Welt den Bach runtergeht.» Chouinard will mehr: «Ich will Mutter Erde retten.» Die Näherinnen in seinen Zulieferbetrieben wären jedoch bereits froh, wenn sie pro T-Shirt zehn Cent mehr verdienten. Damit wäre zwar noch nicht das Überleben des Planeten gesichert, aber wenigstens hätten sie genug zum Leben.

Die soziale Verantwortung der Kleiderhersteller

Benotung: 1 = sehr gut, 3 = ungenügend

Firma Sozial-standards* Bio-
angebot
Gesamt-
note
Mammut 1,5 2 1,6
Patagonia 1,75 1 1,6
Odlo 1,5 3 1,8
Helly Hansen 2 2 2
Haglöfs 2,25 2 2,2
Jack Wolfskin 2,25 3 2,4
Vaude 2,5 3 2,6
Black Diamond 2,75 3 2,8
Columbia  2,75 3 2,8
Fjällräven 2,75 3 2,8
Marmot 2,75 3 2,8
The North Face 2,75 3 2,8
Salewa Sport 3 3 3
Schöffel 3 3 3
Tatonka 3 3 3


Weiter Schweizer Firmen

Bergspitz 2,5 2 2,4
Sherpa Outdoor 2,25 3 2,4
Outlyne Sports 2,75 2 2,6
Zimtstern 2,5 3 2,6
Mc Pearson 2,75 3 2,8
R’ADYS 2,75 3 2,8
Belowzero 3 3 3
Careshop 3 3 3
Descente 3 3 3
LK International 3 3 3
Mountain Force 3 3 3
Rukka 3 3 3
Snowlife 3 3 3
WS Textil/Jeantex 3 3 3