Santiago Morales, 23, will Schweizer werden. Im Frühling
hat der spanische Secondo in der SVP-dominierten Berner Oberländer
Gemeinde Frutigen sein Einbürgerungsgesuch eingereicht.
Bis 2007 bleibt dieses nun liegen, denn pro Gemeindeversammlung
behandeln die Frutiger höchstens zwei Gesuche. Zurzeit
liegen in Frutigen die Anträge von 36 Einbürgerungswilligen
vor bei zwei bis drei Versammlungen im Jahr wird die
Warteliste immer länger.
Mehr Gesuche seien den Bürgerinnen und Bürgern
Frutigens nicht zumutbar, erklärt Gemeindeschreiber Peter
Grossen, «sonst besteht die Gefahr, dass sie das Heft
selber in die Hand nehmen und pauschal alle Gesuche ablehnen.»
Der Ausländeranteil in der Gemeinde Frutigen beträgt
fünf Prozent.
Gesamtschweizerisch sind es rund 20 Prozent.
Bislang ging die Rechnung mit der restriktiven Einbürgerungspraxis
auf: Alle Gesuche erhielten den Segen der Frutiger. «Wenn
Einbürgerungen allerdings nur noch mit dieser Nadelöhrtaktik
möglich sind und andernfalls die Gefahr besteht, dass
sie abgelehnt würden, ist das ein klarer Hinweis darauf,
dass diese Entscheidungen weg vom Volk müssen»,
sagt Daniel Leiser, Staatsrechtsexperte beim Beobachter-Beratungszentrum.
Auf nationaler Ebene hat das Bundesgericht die Diskussion
um die Einbürgerungspraxis neu aufgerollt. Mit einem
Aufsehen erregenden Entscheid haben die Lausanner Richter
vor ein paar Wochen Urnenabstimmungen den Riegel geschoben:
Einbürgerungen gelten nicht mehr als politische Entscheide,
sondern sind Verwaltungsakte, die begründet werden müssen.
Bei anonym an der Urne abgegebenen Stimmen ist das nicht möglich.
Ausgeschwiegen haben sich die Bundesrichter jedoch darüber,
ob künftig noch an Gemeindeversammlungen eingebürgert
werden darf. Die SVP setzt sich lautstark dafür ein,
während Staatsrechtsexperten die Einbürgerungskompetenz
in die Hände der Verwaltung etwa des Gemeinderats
oder einer Einbürgerungskommission legen möchten.
«Nur da ist wirklich sichergestellt, dass die Grundrechte
eingehalten werden können», sagt die Berner Staatsrechtsprofessorin
Regina Kiener.
Unzumutbares Schneckentempo
Für unzumutbar hält Kiener das Frutiger Schneckentempo
mit Wartezeiten von mehreren Jahren: «Hier stellt sich
die Frage der Rechtsverzögerung oder gar Rechtsverweigerung
sehr deutlich.» Selbst Paul Rychen, stellvertretender
Regierungsstatthalter der Region, konstatiert: «Leute,
die eingebürgert werden wollen, werden so zum Spielball.»
Doch die Aufsichtsbehörde ist nicht in der Lage, den
Frutigern mehr Dampf zu machen. «Uns sind wegen der
Gemeindeautonomie leider die Hände gebunden», sagt
Toni Siegenthaler, Chef des Berner Zivilstands- und Bürgerrechtsdienstes.
Bei Spitzensportlern ginge es schneller
Einzig Santiago Morales könnte den Stein ins Rollen bringen:
durch eine Beschwerde beim Regierungsstatthalter wegen Rechtsverzögerung.
Doch darauf verzichtet er lieber. «Da ich es mir mit
den Frutigern nicht verscherzen will, muss ich halt bis 2007
warten.»
Wäre Morales Spitzensportler, hätte der Spanier
den roten Pass wohl schon längst in der Tasche, ist Vize-Regierungsstatthalter
Paul Rychen überzeugt: «In solchen Fällen
gehen Einbürgerungen jeweils ruck, zuck!»