Wer kennt sie nicht, die Situation, wenn man um Schlag sieben Uhr von dröhnendem Bohrgeräusch aus den Träumen gerissen wird? Kerzengerade im Bett sitzend, alle Bauarbeiter dieser Welt verfluchend, sinnt man auf Rache. Doch die Handwerker verrichten ja bloss ihre Arbeit; ihnen die Schuld zuzuweisen bringt nichts. Interessant ist vielmehr, wie man sich gegen überbordenden Baulärm zur Wehr setzen kann. Ob Mieter oder Pächter, ob Stockwerk- oder Grundeigentümer: Ihnen allen stehen entsprechende Rechte zur Verfügung.

Wenn der Vermieter baut



Eine veraltete Küche, ein schmuddeliges Badezimmer, Schimmelpilze an den Wänden bieten Mietern nur beschränkten Spass am Wohnen. Umso grösser die Freude, wenn der Vermieter eine umfassende Renovation ankündigt. Doch spätestens mit dem Beginn der Bauarbeiten ändert sich die Gefühlslage: Wochenlanger Lärm vom Umbau, Schutt und Staub in allen Ritzen, kein Balkon während des Sommers – das relativiert die rosige Vorstellung von einer neu renovierten Wohnung beträchtlich.

Gibt es für solche Einschränkungen wenigstens eine angemessene Mietzinssenkung? «Ja», meint Marianne Lüthy, Leiterin der Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen des Bezirks Zürich, «denn ein Mietvertrag verleiht dem Mieter das Recht auf ungestörten Gebrauch und volle Nutzung der Miet- oder Pachtsache.»

Wird dieses Recht beeinträchtigt – beispielsweise durch eine Sanierung –, liegt ein Mangel an der Mietsache vor; der Mieter kann in diesem Fall vom Vermieter eine angemessene Herabsetzung des Mietzinses verlangen.

Ein Herabsetzungsanspruch besteht ungeachtet dessen, ob der Vermieter selbst Einfluss auf die Störung hat; er haftet sowohl für sein eigenes Verhalten, für dasjenige seiner Mieter und seiner Nachbarn als auch für den Zufall. Wird also auf dem Nachbargrundstück ein Neubau errichtet, kann dies – sofern die Belastung als Mangel qualifiziert wird – zu einer Mietzinsreduktion führen. «Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass ein Mieter in städtischer, zentraler Lage eher Baulärm entschädigungslos hinzunehmen hat als ein Mieter in ländlichen, ruhigen Gegenden», so Marianne Lüthy.

Unerheblich für die Gewährung der Mietzinsherabsetzung ist zudem, ob sich der Vermieter im Fall von Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück beim anderen Eigentümer schadlos halten kann. Dies rechtfertigt sich insofern, als durch einen Mietvertrag viel engere Verpflichtungen eingegangen werden, als dies die herkömmliche nachbarschaftliche Rücksichtnahme fordert. Entschädigungsansprüche aus dem Nachbarrecht sind deshalb an strengere Voraussetzungen gebunden als die Mängelrechte des Mieters.

Wenn der Nachbar baut



In jedem stark überbauten Siedlungsgebiet kommt es regelmässig zu Renovationsarbeiten und Ersatzbauten. Dasselbe gilt für Eigenheimquartiere, die am Rand einer Bauzone stehen; auch dort muss früher oder später mit nachbarschaftlicher Bautätigkeit gerechnet werden. Wenn sich der Herr Nachbar an die kantonalen Bauvorschriften hält, muss dessen Vorhaben – wenn vielleicht auch zähneknirschend – geduldet werden.

Und wie sieht es mit einer Entschädigung aus, wenn der bauende Nachbar zu laut wird? Verglichen mit dem mietvertraglichen Entschädigungsanspruch untersteht ein Ausgleichsanspruch im privaten Bereich deutlich strengeren Anforderungen und ist nur dann geschuldet, wenn die Lärmeinwirkungen eindeutig als «übermässig» qualifiziert werden.

Dabei wird aufgrund der konkreten Umstände beurteilt, ob ein «Durchschnittsmensch» die Belastung als übermässig empfinden würde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt gravierende Immissionen während einer längeren Zeitspanne, so dass die normale Benutzung des Grundstücks in schwerer Weise gestört ist und dabei ein beträchtlicher Schaden entsteht.

Wenn die Gemeinde baut



Wenn es sich bei der Lärmquelle um ein Bauprojekt der öffentlichen Hand handelt, gelten im Wesentlichen dieselben Regeln wie bei Immissionen durch private Nachbarn. Ist die Störung tatsächlich unvermeidbar, das heisst, kann keine andere Massnahme gegen den Lärm unternommen werden, haben Eigentümer und auch Mieter einen Anspruch auf Entschädigung. Neben den bereits recht strengen nachbarrechtlichen Voraussetzungen muss in diesem Fall jedoch ein weiterer Punkt erfüllt sein: Das öffentliche Bauvorhaben darf zum Zeitpunkt des Grundstückkaufs oder des Abschlusses des Mietvertrags nicht voraussehbar gewesen sein.

Dem Mieter stehen bezüglich Nachbarn somit grundsätzlich dieselben Mittel zur Verfügung wie dem Eigentümer, um bei Baulärm entschädigt zu werden (siehe «Wer regelt was?»). Der Mieter tut jedoch aus drei Gründen gut daran, sich direkt an den Vermieter zu wenden, um Ansprüche geltend zu machen: Erstens steht ihm in erster Instanz ein unentgeltliches Schlichtungsverfahren zur Verfügung. Zweitens ist ein Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses einfacher durchzusetzen als der Anspruch aus dem Nachbarrecht. Und drittens ist es sinnvoll, dass sich – anstelle von mehreren betroffenen Mietparteien – lediglich der Grundeigentümer respektive Vermieter an seinen Nachbarn wendet.


Buchtipp

Mathias Birrer: «Nachbarrecht» Das Beobachter-Standardwerk für Eigentümer und Mieter. 2003, 240 Seiten, 32.80 CHF.