Für den Informatikingenieur Patrick Bieri ist der Kampf noch lange nicht beendet. Dass die Behörden in mehreren Streitpunkten eingelenkt haben und er inzwischen eine Stelle als Lehrer gefunden hat, hielt ihn nicht davon ab, am 23. Februar bei der Berner Kantonspolizei eine Anzeige gegen unbekannt einzureichen: wegen Nötigung, Amtsmissbrauch und Begünstigung. Zuvor hatte der 38-Jährige seine negativen Erfahrungen mit dem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) in Biel bereits allen möglichen Stellen rapportiert und sich beschwert: bei den lokalen RAV-Verantwortlichen, der Arbeitslosenkasse, dem zuständigen Ombudsmann, der Mobbingzentrale, dem Berner Amt für Wirtschaft (Beco), der Volkswirtschaftsdirektion und deren Vorsteher, Regierungsrat Andreas Rickenbacher, persönlich.

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Aufgebracht gegen die Bieler Arbeitsvermittlung ist der damals arbeitslose Bieri seit letztem Oktober. Am obligatorischen Informationstag des RAV habe der Instruktor zwei zu spät kommende Ausländer in einem inakzeptablen Ton zurechtgewiesen. «Ab dem Zeitpunkt, als ich mich für die beiden einsetzte, wurde ich schikaniert», sagt Bieri. Jedenfalls landete sein Dossier mit dem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung aus unerklärlichen Gründen beim RAV in Aarau; Bieri hatte zuvor im Aargau gewohnt. Eigenartig bei der ganzen Sache: Der Berater in Biel hatte die Dokumente entgegengenommen, um sie persönlich bei der zuständigen Arbeitslosenkasse - einen Stock tiefer - abzugeben. Für Bieri kein Versehen, sondern der erste Beleg dafür, dass es fortan nur darum ging, ihm das Leben schwerzumachen.

Zum offenen Konflikt kommt es Ende Oktober. Der für Bieri zuständige Berater will den Arbeitslosen in ein Programm zur vorübergehenden Beschäftigung schicken. Das Ziel: Klienten mit Defiziten im Selbstmarketing in den Prozess der Stellensuche integrieren. Patrick Bieri, ein selbstbewusster und kommunikativer Typ, zweifelt den Nutzen der Massnahme an - worauf der Arbeitsvermittler sogleich scharf zurückschiesst. Ob er ihn denn gleich wieder vom RAV abmelden solle, habe ihn der Berater gefragt, sagt Bieri.

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Die Strafe folgt auf dem Fusse

Ohne seine Einwilligung meldet ihn der Berater für das Programm an. Zudem habe der RAV-Mitarbeiter falsche Angaben ins Computersystem eingegeben. Bieri: «Für mich ist dies Ausdruck einer liederlichen und gleichgültigen Haltung, die mangelnden Respekt gegenüber Klienten zeigt.» Er beklagt sich Anfang November beim RAV-Leiter und bittet um einen Beraterwechsel. In der Folge informiert Bieri den Instanzenweg nach oben über seinen Fall. Er will die Angelegenheit zum Anlass nehmen, Grundsatzfragen zu stellen.

Die Berner Soziologin Chantal Magnin, die als Forscherin die Dienstleistungen der RAV untersucht hat, beurteilt die Erlebnisse Bieris als Extrembeispiel: «Sie zeigen, wie Berater unangemessen Druck auf einen missliebigen Klienten ausüben und Macht demonstrieren können.»

Bieris Reaktion: Er schwänzt Beratungstermine, und das diktierte Beschäftigungsprogramm akzeptiert er nicht. «Um nicht weiter gemobbt zu werden», so seine Begründung. Die Absenzen werden mit tageweisem Abzug von Arbeitslosengeld sanktioniert. Obwohl dieser Entscheid erst Ende November fällt, werden Patrick Bieri schon zu Beginn des Monats Taggelder gestrichen. Zudem wird er am 11. November ohne seine - erforderliche - Zustimmung von der Arbeitslosenkasse abgemeldet. Nur weil Bieri interveniert, wird er sofort wieder aufgenommen.

Seine Probleme mit dem Amt in Biel seien kein Einzelfall, sagt Bieri: «Die Machenschaften haben System.» Sein Einsatz habe sich gelohnt, bilanziert er - wenn vorerst auch nur für ihn persönlich: Bevor er die neue Stelle fand, hatte er ins RAV nach Lyss wechseln können, und die gegen ihn verhängten Sanktionen wurden rückwirkend aufgehoben, als wäre nie etwas vorgefallen. Noch nicht abgeschlossen sind jedoch die aufsichtsrechtlichen und polizeilichen Verfahren.

«Keine gezielte Schikane»

Der Widerstand Bieris habe die Behörden zurückkrebsen lassen, analysiert Soziologin Magnin. Doch die meisten Arbeitslosen getrauten sich in einer vergleichbaren Situation nicht, sich zur Wehr zu setzen. «Damit geben sie dem Druck nach und nehmen willkürliche Massnahmen hin.»

Beim Bieler RAV ist keine Stellungnahme zu den Vorwürfen erhältlich. Auskunftsberechtigt ist nur der Chef, doch der ist innerhalb von zwei Wochen nicht erreichbar. Dagegen äussert sich Beco-Leiter Adrian Studer - sein Amt ist für die RAV und damit für die Betreuung von aktuell 18'500 Berner Stellensuchenden zuständig. Mit Bieris Dossier sei intern ein Fehler passiert, gibt Studer zu. «Doch von gezielter Schikane kann nicht die Rede sein.»

Aufgrund von Bieris Beschwerden seien inzwischen die Abläufe zur Qualitätssicherung überprüft worden. Dabei habe sich gezeigt, dass gewisse Arbeitsschritte getrennt werden müssten. «Gravierend sind die Korrekturen aber nicht», so Studer. Entgegenkommen seitens des RAV habe Bieri jeweils als billigen Deal abgetan, für ihn negative Entscheide dagegen durch alle Instanzen angefochten. Ohne Reaktionen abzuwarten, sei er ungeduldig von einer Stelle zur anderen gelangt. «Er hat das gesamte System beansprucht.»

Patrick Bieri kämpft ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Am Kaufmännischen Lehrinstitut Zürich habe ihn seine Courage einst die Stelle gekostet, weil er die interne Weitergabe von Prüfungsbögen angeprangert habe. Er überlege nie, wie ihm sein Engagement schaden könne. Gegen Ungerechtigkeiten widersetze er sich seit je. «Ich kann einfach nicht anders.»