Gleich mehrmals kam es diesen Sommer zu Gletscherabbrüchen oder Steinschlägen, bei denen Berggänger verunglückten: Ende August geriet eine Dreierseilschaft beim Abstieg vom Allalin im Wallis in einen Gletscherabbruch. Ein 61-jähriger Alpinist wurde dabei getötet, zwei weitere verletzten sich leicht. Glück hatte am gleichen Wochenende ein Bergsteiger, der am Matterhorn von einem Steinschlag getroffen wurde. Er verletzte sich am Knie und konnte geborgen werden.

Ebenfalls Ende August kam es am Fuss des Eigers in Grindelwald BE zu einem Eisabbruch mit anschliessendem Lawinenniedergang. Zwei Personen werden seither vermisst. Ende Juli löste sich auf der Aiguilles du Tour eine grosse Gesteinsmasse und traf zwei Seilschaften. Ein 36-Jähriger und ein 26-Jähriger starben, eine 22-Jährige wurde verletzt.

Gletscherabbruch schwer vorherzusehen

Die Unfälle lassen aufhorchen. Die Walliser Kantonspolizei warnte, die Hitze könnte vermehrt zu Erosion führen Neue Erkenntnisse zum Bergsturz von Bondo Es war ein Drama mit Ansage . Macht der heisse Sommer Bergtouren gefährlich? «Die gehäuften Unfälle haben sicher damit zu tun, dass es wegen der Hitze mehr Leute in höhere Gefilde zieht», sagt Christian Andermatt, Leiter Ausbildung Winter beim Schweizer Alpen-Club (SAC) und selbst Bergführer. Ob es zu Steinschlag kommt, werde wesentlich von den warmen Temperaturen beeinflusst. Bei Gletscherabbrüchen spiele das vermutlich weniger eine Rolle: «Eisabbrüche können immer passieren und lassen sich nicht vorhersehen. Die Hitze hat da vermutlich keinen Einfluss.» 

Gletscherabbrüche seien komplexe Vorgänge und passierten nicht nur bei hohen Temperaturen, sagte auch Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone SDA. Es gebe relativ wenige Ereignisse, die eine wissenschaftliche Auswertung erlauben würden. «Von einer systematischen Zunahme von Gletscherabbrüchen kann man nicht sprechen.»

Gefahr durch sorgfältige Planung reduzieren

Sind die Unfälle möglicherweise auf ungeübte oder unvorsichtige Berggänger Bergunfälle Das Risiko wandert mit zurückzuführen? Auch das glaubt Christian Andermatt vom SAC nicht. «Viele Risiken am Berg lernt man mit der Zeit einzuschätzen und kann sie mit einer sorgfältigen Tourenplanung minimieren – einen Steinschlag oder Eisabbruch sieht man aber meist nicht kommen.» 

«Ein Anruf bei einem Hüttenwart in der Nähe kann helfen, die Gefahr einzuschätzen.»

Christian Andermatt, Leiter Ausbildung Winter beim SAC

Bei einem Gletscher könne man allenfalls über einen längeren Beobachtungszeitraum feststellen, dass er aktiv ist. «Wenn immer wieder kleine Stücke abbrechen, kann das auf einen möglichen Abbruch hinweisen», sagt Andermatt. Berggängern rät er, sich vorgängig gut zu informieren.

«Ein Anruf bei einem Hüttenwart in der Nähe oder ein Blick in unser Tourenportal kann da helfen.» Zudem rät Andermatt, die Tour sorgfältig zu planen. «Dazu gehört die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten am Berg. Aber auch, mögliche Alternativen einzuplanen und zu prüfen, bis um welche Uhrzeit gewisse Passagen wegen der steigenden Temperaturen begangen werden können.»

Wer zudem auf dem Weg frische Gesteins- oder Eisbrocken liegen sehe, drehe im Zweifelsfall lieber um, sagt Andermatt. «Denn bei einem Eis- oder Steinschlag nützt auch der beste Helm nichts mehr.» Dabei sei nicht die Frage, wie viele Brocken auf dem Weg liegen, sondern ob ein Hang bekannt dafür sei, dass er in Bewegung ist. «Wenn in einem solchen Gebiet keine frischen Gesteins- oder Eismassen liegen, gehe ich das Risiko eher ein, die Stelle zu passieren.» Wenn er aber ein ungutes Gefühl habe, drehe er um oder wähle eine zuvor geplante Alternativroute. «Ein Angsthase ist man deswegen nicht unter Alpinisten. Die Zeit des Heldentums am Berg ist vorbei.»