Reinhold Messner ist nicht nur eine Bergsteigerikone. In seiner Heimat Südtirol kennt man ihn auch als Filmer, Querdenker und Macher. So baute er über zwei Jahrzehnte hinweg das Messner Mountain Museum auf, das in sechs verschiedenen Häusern untergebracht ist und heute von seiner Tochter Magdalena geführt wird. Die 29-Jährige hat in einem Buch eine weitere Seite ihres Vaters beleuchtet: Sie porträtierte ihn als Selbstversorger, als jemanden, der im autark lebenden Bergbauern einen Seelenverwandten gefunden hat.

Tatsächlich gingen Messner seine persönliche Freiheit und seine Unabhängigkeit schon immer über alles. Was sein Verhältnis zu seiner Heimat bisweilen etwas trübte. Den Eklat, den er beispielsweise an einem Fest zu Ehren seiner Everest-Besteigung von 1978 provozierte, hat man ihm nie ganz vergessen: Als der Festredner mit Pathos verkündete, Messner habe den Everest für Südtirol bestiegen, korrigierte ihn Messner kühl: Er habe den Everest keineswegs für Südtirol bestiegen – sondern für sich selbst. Daraufhin galt er als Heimatverräter.

Messner hat mit seiner Meinung noch nie hinter dem Berg gehalten, später eckte er als Umweltschützer und Flughafenbefürworter an. Da scheint seine Tochter Magdalena aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein: Eloquent und herzlich führt sie durch den Hauptsitz des Museums und in ihr modern ausgebautes Direktionsbüro zuoberst im Turm von Schloss Sigmundskron. So viel gute Stimmung scheint ansteckend zu sein. Während des Gesprächs zeigt ihr Vater jedenfalls keine Spur von Launenhaftigkeit.

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Beobachter: Magdalena Messner, Sie haben die Leitung des Messner Mountain Museum vor drei Jahren übernommen. Redet Ihnen Ihr Vater noch viel drein? 
Magdalena Messner: Nein. Er ist froh, wenn er sich seinen Filmprojekten widmen kann und mit den Museen möglichst wenig zu tun hat. Die Sammlung ist aber immer noch sein Reich. Er hat über Jahrzehnte Gemälde, Kunsthandwerk, tibetische Ritualgegenstände und persönliche Erinnerungsstücke rund um das Thema Berg zusammengetragen, und ich finde es gut, wenn er sich bei der Konzeption der Ausstellungen einbringt – solange er das gern macht.

Beobachter: Reinhold Messner, Ihre Museen sind stark von Ihrer persönlichen Sammlung geprägt. Fällt es Ihnen leicht loszulassen? 
Reinhold Messner: Wenn etwas fertig war, konnte ich immer gut loslassen. Ich bin ein Initiator. Es stört mich nicht, dass meine Tochter die Museen weiterentwickelt, das ist nun ihre Aufgabe. So plant sie etwa, alle Museen mit Audioguides auszurüsten. 
Magdalena Messner: Wir haben sie bereits in allen Museen, Papa. In allen sechs! 
Reinhold Messner: Sehen Sie, ich weiss es nicht einmal. Ich bin jemand, der gern Dinge entwickelt, und ich kann meine Ideen auch umsetzen, was mich mit Genugtuung erfüllt. Denn die Idee allein ist ein Luftschloss. Nur wenn man sie umsetzt, wird sie lebendig.
 
Beobachter: Magdalena Messner, warum traten Sie in die Fussstapfen Ihres Vaters?
Magdalena Messner: Meine Eltern haben nie Druck ausgeübt. Mir wurde nach und nach klar, dass es mir Spass macht, in einem Museum Geschichten zu erzählen. Die Mischung aus Kunst und Architektur, aus Altem und Neuem ist faszinierend. Eigentlich wollte ich Werbegrafikerin werden, doch am Aufnahmegespräch an der Akademie wurde mir gesagt, dass ich dafür zu wenig gut zeichnen könne. Ich war bis dahin immer die Überfliegerin mit Bestnoten gewesen, und diese Zurückweisung war für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich wollte also Zeichenunterricht nehmen, um mich auf die Prüfung vorzubereiten – und begann, weil mich das allein nicht ausgefüllt hätte, gleichzeitig Kunstgeschichte zu studieren. Weil mir das so gut gefiel, blieb ich dann dabei und packte gleich noch ein Wirtschaftsstudium obendrauf. Irgendwann begann ich mich für die Museen zu interessieren und realisierte, dass mein Studium gut passte. Man kann noch so sehr Pläne schmieden – wenn man offen durchs Leben geht, kommt es doch anders! 

Beobachter: Hat Ihnen der berühmte Name bei der Karriere geholfen?
Magdalena Messner: Ich musste schon als kleines Mädchen erfahren, dass es viel Skepsis und Neid im Zusammenhang mit meinem Vater gibt. Als wir von München nach Südtirol zogen, hatte mein Papa gerade das Buch über die Yeti-Legende veröffentlicht. Das war als sachlicher Beitrag gedacht, wurde von den Medien aber mit Hohn und Spott übergossen. Ich wurde gerade eingeschult, ein schwieriger Start. Aber ich erkannte damals: Papa ist zwar wichtig für mich, aber ich bin ich. Weil mir das schon so früh bewusst wurde, hatte ich später keine Schwierigkeiten, mich abzugrenzen. Ausserdem habe ich einen starken Ehrgeiz entwickelt, weil mir klar war, dass ich besonders gut sein muss, wenn ich nicht nur als Tochter von Reinhold Messner wahrgenommen werden will. 

Beobachter: Reinhold Messner, Ihre Tochter hat Sie in einem Buch als Selbstversorger und Bergbauern porträtiert. Das ist eine überraschende Charakterisierung für jemanden, der sein Leben lang umhergereist und auf Berge gestiegen ist. 
Reinhold Messner: Ich habe vor rund 30 Jahren in meinem Personalausweis «Bergbauer» als Beruf eintragen lassen. Das war möglich, weil ich drei Höfe gekauft hatte. Die bewirtschafte ich nicht selbst – aber ich komme aus dieser Welt, und die Bergkultur ist mir sehr wichtig. Ich bin im Villnösstal aufgewachsen und habe als Kind die Ochsen geführt, gemäht, Hühner geschlachtet. Ein Bruder war schon mit neun Jahren auf der Alp und hat das Vieh gehütet. Diese Tradition wurde über Generationen weitergegeben. Heute wollen die Söhne die Höfe ihrer Väter nicht mehr übernehmen. Deshalb ist es gescheiter, man gibt sie den Töchtern. (Lacht)
Magdalena Messner: Du hast mich einmal gefragt, ob ich später einen von deinen drei Höfen übernehmen möchte. Aber ich habe abgelehnt. (Lacht) Ich wäre die Falsche dafür. 
Reinhold Messner: Meine drei Höfe bedeuten mir viel. Ich habe sie umgebaut und die Betriebskonzepte entwickelt. Auf dem einen Gut produziert mein Pächter ausgezeichnete Weine. Die anderen beiden Höfe sind reine Biohöfe. In Sulden halten wir Yaks, das Fleisch verkaufen wir exklusiv in unserem Gasthof «Yak und Yeti». Ich lasse mir die Pacht jeweils in Naturalien bezahlen. So bekommen wir exzellente Weine, Fleisch, Eier, Brennholz, Gemüse und Obst.
Magdalena Messner: Wir haben den Sommer jeweils auf Schloss Juval verbracht, und ich erinnere mich, wie wir jeden Morgen zu unserem Pächter gingen, um die Milch zu holen. Meine Mutter hat Gärten angelegt und jedes Jahr Unmengen Obst und Gemüse eingekocht. Obwohl sie in der Stadt aufgewachsen ist, lebt sie das Selbstversorgertum fast stärker als Papa.

Reinhold und Magdalena Messner vor Schloss Juval

Reinhold Messner und Tochter Magdalena vor seinem Privatschloss Juval, in dem das gleichnamige Museum untergebracht ist.

Quelle: Alex Filz

Beobachter: Hand aufs Herz: Nehmen Sie Ihrem Vater den Bergbauern ab? 
Magdalena Messner: Nun ja, er hat ja immer vieles aufs Mal gemacht. Aber wenn er zu Hause war, hat er immer selbst Hand angelegt. Das macht er bis heute. Wenn er eine Arbeit sieht, die erledigt werden muss, dann packt er an. Egal, ob er beim nächsten Interviewtermin mit schmutzigen Händen dasitzt. Aber so ein richtiger Bergbauer war er in meinen Augen nie. Wenn er wieder davon angefangen hat, haben wir Kinder ihn immer hochgenommen und gesagt: «Papa, du kannst ja nicht einmal Traktor fahren!»
 
Beobachter: In Krisenzeiten will sich die Familie Messner auf die Höfe zurückziehen und dort Schutz suchen, schreiben Sie. Vor welcher Krise fürchten Sie sich?
Reinhold Messner: Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass es in Europa wieder Krieg gibt, die Möglichkeit besteht trotzdem. Und in solchen Krisenzeiten kann man nur auf einem Bauernhof überleben. Jedenfalls so lange, bis marodierende Horden übers Land ziehen und alles zerstören. 
Magdalena Messner: Wenn man verstehen will, was das Selbstversorgertum für meinen Vater bedeutet, muss man sehen, dass er sein Leben lang mit dem Minimum an Ausrüstung und technischen Hilfsmitteln in den hochalpinen Regionen unterwegs und stets bemüht war, so unabhängig und selbständig wie möglich zu sein. Alles aus eigener Kraft zu schaffen ist so etwas wie sein Lebensgefühl geworden. Später hat er dann das Museum aus eigener Tasche finanziert und ist auch dabei seinen Grundsätzen treu geblieben. Man könnte sagen, die Museen sind kulturelle Selbstversorger. 
Reinhold Messner: Wir erhalten keine Subventionen und machen sogar Gewinne. Das ist aussergewöhnlich für ein Museum. Dabei hätte man das Projekt am Anfang am liebsten verhindert. Es war lange unklar, ob wir Schloss Sigmundskron zu unserem Hauptmuseum machen können. Das ganze Land war damals gegen mich.

Beobachter: Schloss Sigmundskron befindet sich im Besitz der Provinz Bozen, und es gab einen Streit darüber, ob Sie es für ein privates Museum nutzen dürfen. Warum, meinen Sie, war das ganze Land gegen Sie? 
Reinhold Messner: Das geht auf eine alte Geschichte zurück. Ich habe ein antinationalistisches Gebaren an den Tag gelegt, als ich den Südtirolern in Erinnerung gerufen habe, dass 86 Prozent der Südtiroler 1939 bereit gewesen waren, Südtirol zu verlassen und ins Dritte Reich auszuwandern. Ich war immer der Meinung, dieses düstere Kapitel unserer Geschichte müsse aufgearbeitet werden. Das kam nicht gut an. Ich dachte, das Museumsprojekt würde kippen, und hatte deshalb die Idee, das Museum auf mehrere Häuser zu verteilen. 

Beobachter: Aber dann klappte es doch noch mit Schloss Sigmundskron?
Reinhold Messner: Dank unserem früheren Landeshauptmann, Luis Durnwalder. Ich beschloss, fünf kleinere Häuser als Satelliten zum Hauptmuseum dazuzustellen. Unsere sechsteilige Museumsstruktur ist also nur entstanden, weil es Widerstände gab. So gesehen haben diese auch ihr Gutes.

Das Messner Mountain Museum

Reinhold Messner bezeichnet sein Museumsprojekt als seinen «15. Achttausender». Die Museen sind an ungewöhnlichen Orten untergebracht, etwa in Schlössern oder in einem alten Fort in Südtirol und Belluno. 
Wer die Museen nacheinander besucht, erfährt viel über Berge und ihre Bewohner – und kommt ziemlich weit herum in Südtirol.

Corones
Auf dem Gipfelplateau des Kronplatzes (Plan de Corones) bietet sich auf 2275 Metern Höhe ein 360-Grad-Bergpanorama. Thema der Ausstellung im spektakulären Museumsbau von Zaha Hadid ist der moderne Alpinismus, den Reinhold Messner mitgeprägt hat. Wie hat sich die Ausrüstung in den letzten 250 Jahren verbessert? Welche Triumphe wurden auf welchen Bergen gefeiert? Welche Tragödien haben sich dabei ereignet?

Juval
In Reinhold Messners Privatschloss Juval ist das gleichnamige Museum untergebracht, in dem sich alles um den Mythos Berg dreht. Man findet dort unter anderem eine Abenteuerbibliothek, eine Sammlung tibetischer Ritualgegenstände und eine zum tibetischen König Gesar Ling, Masken von fünf Kontinenten sowie eine Bildergalerie zu den heiligen Bergen der Welt.

Ortler
Im Museum in Sulden am Ortler geht es um das Thema Eis. In einem unterirdischen Gebäude hat Messner die Schrecken des Eises und der Finsternis sowie das Whiteout inszeniert, 
das grenzenlose Weiss, das in Polargebieten und im Hochgebirge auftreten kann. Unter anderem ist auch die grösste Sammlung von Ortlerbildern zu sehen. Und im Restaurant gibt es Yakspezialitäten von Messners Hof. 

Museum Corones

Das Museum auf dem Gipfelplateau des Kronplatzes (Plan de Corones).

Quelle: Harald Wisthaler

Dolomites
Das Museum Dolomites in der Provinz Belluno ist in einem alten Fort auf dem Gipfel des Monte Rite (2181 Meter) untergebracht. Im Zentrum stehen Entdecker und Kletterer, die in den Dolomiten Geschichte geschrieben haben. Zudem ist eine grosse Sammlung von Dolomitenbildern verschiedener Zeitepochen ausgestellt.

Firmian
Das Herzstück des Museums ist das spätmittelalterliche Schloss Sigmundskron (Castel Firmiano)bei Bozen. Hier befindet sich die Verwaltung, hier werden Veranstaltungen durchgeführt. In der Ausstellung will Messner mit Gemälden, Skulpturen und symbolischen Gegenständen sowie Erinnerungsstücken von seinen Expeditionen zeigen, «was der Berg mit dem Menschen macht». Thematisch geht es um die Ausbeutung der Berge, die religiöse Bedeutung der Gipfel und die Geschichte des Bergsteigens.

Ripa
Seit 10000 Jahren siedeln Menschen im Hochgebirge. Das Museum Ripa auf Schloss Bruneck widmet sich den Bergvölkern der Welt. Es zeichnet nach, wie sie erst als Jäger, dann als Hirten und bis heute als Bauern unter harten Bedingungen überlebten. Nachgebaute Wohnstätten und Filme geben Einblick in ihren Alltag.

→ Die Museen im Südtirol