Es können noch so viele Menschen in der Fussgängerzone unterwegs sein. An dieser einen Spezies bleibt der Blick immer hängen. Und dann kommen sie schon entgegen – mit einem erwartungsvollen Lächeln im Gesicht und dem Unterschriftenbogen unter dem Arm.

«Ja, warum denn nicht?», dachte sich auch Karl Riklin* im Jahr 2010, als er für eine Unterschriftensammlung um sein Autogramm gebeten wurde. In Buochs NW wollte der Telekomanbieter Orange eine Mobilfunkanlage hinstellen. In ein Wohnviertel, von Kirchenareal und Dorf aus gut einsehbar.

Deshalb wehrten sich die Bewohner dagegen. Sie gründeten eine Interessengemeinschaft (IG) und sammelten Unterschriften. Riklin unterstützte das Anliegen – auch wenn er nicht direkt davon betroffen war. Noch ahnte er nicht, dass er sich sieben Jahre später nochmals an diesen Tag erinnern würde.

Hätte er das gewusst, hätte er nicht unterschrieben

«Laut Gesetz ist jede Person mit ihrer Unterschrift solidarisch haftbar», liest Riklin auf dem Brief der IG, den er Ende 2017 in den Händen hält. Für die «anteilsmässige Zahlung für Amtskosten und Parteientschädigung» möge er bitte innert 30 Tagen 38 Franken überweisen.

Karl Riklin fühlt sich überrumpelt. Denn wer erwartet schon, dass er im Anschluss an eine Unterschriftenaktion zur Kasse gebeten wird? Hätte er das gewusst, hätte er nicht unterschrieben, sagt Riklin. Den fälligen Betrag will er nicht bezahlen.

Für die Rechnung indirekt verantwortlich ist der Nidwaldner Regierungsrat. Im Herbst 2017 hiess er eine Beschwerde von Salt – wie Orange mittlerweile heisst – gut. Zuvor hatte der Gemeinderat Buochs (2009 und 2015) zweimal das Baugesuch des Telekomanbieters abgelehnt. Der Entscheid des Regierungsrats hat Folgen: Für rund 8500 Franken der Verfahrenskosten sollen die 240 Mitglieder der IG gemeinsam aufkommen.

«Der Mann hat ein Begehren mitunterschrieben, um einen Entscheid als Partei anzufechten. Darum muss er die Verfahrenskosten mittragen.»

 

Daniel Leiser, Beobachter-Experte

Und damit auch Karl Riklin, der einen wichtigen Punkt nicht beachtet hatte. Mit seiner Unterschrift beteiligte sich Riklin an der Sammeleinsprache der IG. «Er hat damit ein Begehren mitunterschrieben, um einen Entscheid als Partei anzufechten. Darum muss er die Verfahrenskosten mittragen», erklärt Beobachter-Experte Daniel Leiser.

Hätte es sich bei der Unterschriftenaktion um eine Petition gehandelt, wovon Riklin wohl ausgegangen ist, hätte er nichts zu befürchten gehabt. Bei eingereichten Petitionen müssen die Behörden kein Verfahren einleiten, bei Einsprachen hingegen schon.

Über diesen Unterschied hätte Karl Riklin bei der Abgabe seiner Unterschrift von den IG-Vertretern aufgeklärt werden müssen. Wurde er aber nicht, so Riklin. Aus gutem Grund: Die Unterschriftensammler wurden vom Ausmass ihrer Aktion nämlich selber völlig überrascht.

Nicht nur vor Gericht verloren

«Wir würden so etwas nie mehr machen», sagen Guido Beck* und Kurt Zehnder* heute. Sie sind die beiden Gründer der Buochser IG gegen Mobilfunkantennen. Wie man gegen den geplanten Bau vorgehen könne, hätten sie damals auf der Gemeinde gefragt. «Bilden Sie eine IG», so die Antwort, erzählen die Rentner. Über mögliche Konsequenzen seien sie nicht informiert worden. Und auch während der mehrjährigen Verhandlungen habe sich nie erahnen lassen, dass für die IG Kosten entstehen könnten. Diese Unwissenheit kam die beiden IG-Vertreter nun teuer zu stehen.

Vom Kanton angewiesen, die fälligen 8500 Franken solidarisch von den Mitgliedern einzufordern, wendeten sie sich brieflich an Karl Riklin und die restlichen 237 Mitunterschreibenden. «Wir haben niemanden gezwungen zu zahlen, sondern nur gebeten», erklären Beck und Zehnder. Das Vorgehen sei auf Verständnis gestossen, rund zwei Drittel der Summe überwiesen worden – aber nicht alles. So haben Beck und sein Partner nicht nur den Prozess verloren, sondern auch viel Geld und die Motivation, sich weiter zu engagieren: «Wir haben genug von dieser Angelegenheit und die IG aufgelöst.»

* Name geändert

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