Beobachter: Nicht wenige Leute bezeichnen Kinder als «Beziehungsschreck». Müssen Paare mit Kindern automatisch Einbussen in der Partnerschaft in Kauf nehmen?
Claudia Haebler: Natürlich verändert sich der Lebensrhythmus eines Paares. Doch ist es völlig verfehlt, von Einbussen zu sprechen. Vielmehr schaffen Kinder eine neue Verbindlichkeit, die die Beziehung sehr bereichern kann.

Beobachter: Doch viele Paare geraten nach einer Geburt in die Krise und leben sich auseinander.
Haebler:
Das Hauptproblem ist, dass ein solcher Prozess häufig derart schleichend verläuft, dass man ihn nicht realisiert: Das Kind rückt in den Vordergrund, während gemeinsame Aktivitäten immer mehr zurückgestellt werden. Wer nur noch auf der Elternebene lebt, entfernt sich immer weiter vom Partner und weiss gar nicht mehr, was den anderen beschäftigt und interessiert.

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Beobachter: Wie schafft man es, Partner und Eltern zugleich zu sein?
Haebler:  Indem man frühzeitig, idealerweise schon vor der Geburt, über seine Bedürfnisse als Partner oder Partnerin spricht und diese vielleicht sogar schriftlich festhält. Und indem man miteinander verhandelt, wenn der eine oder die andere das Gefühl hat, seine Bedürfnisse würden nicht gestillt.

Beobachter: Sollten Eltern egoistischer sein?
Haebler: Tatsache ist: Wenn Eltern ihre Bedürfnisse als Paar nicht zulassen, werden sie unzufrieden – und das bekommen letztlich wieder die Kinder zu spüren. Heute gibt es derart viele Möglichkeiten, die Kinder – zumindest stundenweise – durch Drittpersonen betreuen zu lassen, dass es häufiger am fehlenden Willen liegt, wenn sich die Eltern keine Freiräume schaffen.

Beobachter: Wie steht es mit dem Sex?
Haebler: Wenn Sex unter die Belastungen eingereiht wird, gleich nach der Arbeit oder dem Haushalt, dann dürfte er weitgehend auf der Strecke bleiben. Wer Sex aber als Ressource versteht, wie schöne Musik oder ein Gourmetmenü, wird auch aktiv sein.

Beobachter: Und wenn Kraft und Zeit fehlen?
Haebler:
Wer wochenlang abends völlig k.o. ins Bett fällt und zu nichts mehr fähig ist – egal, ob Mann oder Frau –, sollte grundsätzlich etwas in seinem Leben ändern. Denn dann stimmt die Balance nicht mehr.

Beobachter: Manche Eltern fühlen sich gehemmt. Nach dem Motto: «Die Kinder könnten uns hören.»
Haebler: Eltern sollten sich immer bewusst machen, dass Freiräume unerlässlich sind für die Partnerschaft. Deshalb können sie das Schlafzimmer ruhig mal abschliessen, wenn sie einige Zeit ungestört bleiben wollen. Kindern schadet es nicht, zu erleben, dass Mami und Papi nicht nur Eltern, sondern auch ein Paar sind.