Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Die Hälfte aller Ehen in der Schweiz wird geschieden, auch wenn der Altersunterschied nur wenige Jahre beträgt. Wenn Sie beide also Vertrauen in Ihre Beziehung haben, wieso sich den Kopf zerbrechen?

Oft schubladisieren wir die Menschen allerdings nach ihrem Alter. Wir glauben zum Beispiel, alle Schulkinder seien gleich und gehörten zusammen in die Schule, die einen in die Unter-, die anderen in die Mittel-, die dritten in die Oberstufe. Die Jugendlichen sollen sich in Jugendhäusern begegnen, es gibt Clubs für Teens und solche für Leute ab 20, und wir schaffen Institutionen für Senioren. Als ob einem mit Altersgenossen am wohlsten wäre.

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Wenn Altersgrenzen verschwinden

Mit etwas Aufmerksamkeit kann man das Gegenteil beobachten. Senioren freuen sich nämlich, wenn sie mit Jungen ins Gespräch kommen, Jugendliche suchen den Kontakt mit offenen Erwachsenen.

Die Gliederung der Gesellschaft nach Altersschichten ist auch gar nicht so alt und schon gar nicht naturgegeben. Der französische Historiker und Soziologe Philippe Ariès hat das am Beispiel der Kindheit aufgezeigt. Noch im Mittelalter nahmen Kinder, Alte und Erwachsene miteinander am öffentlichen Leben teil, sie spielten die gleichen Spiele, man nahm an, sie hätten das gleiche Wesen und würden sich nur durchs Alter unterscheiden. Auch Paare mit grossem Altersunterschied waren nichts Ungewöhnliches – nur schon, weil viele Frauen beim Gebären am Kindbettfieber starben und die Witwer eine zweite oder dritte, in der Regel junge Frau heirateten.

In neuerer Zeit scheint die Altersschichtung wieder zunehmend durchlässiger zu werden. Verantwortlich dafür könnten die Massenmedien sein. Vom Kind bis zum Greis sind allen die gleichen Informationen zugänglich, alle sehen die gleichen Vorbilder in den Spielfilmen und Werbespots. Und tatsächlich: Junge und Alte tragen Jeans und Turnschuhe, 16- und 60-Jährige begegnen sich auf dem Mountainbike, Kinder und Jugendliche reiten, spielen Eishockey und Tennis wie die Grossen, und alle haben einen vollen Terminkalender.

Alle haben ein Anrecht auf Liebe

Wieso sollten sich ausgerechnet in der Liebe nur Gleichaltrige begegnen? Zumal die Liebe «stark ist wie der Tod», wie es im biblischen Hohelied heisst – ein intensives Gefühl, das sich noch nie um Normen und Regeln gekümmert hat. Man braucht nur wieder einmal «Romeo und Julia» zu lesen – oder seinen eigenen Erfahrungen gegenüber offen zu sein. Man kann Liebe nicht machen, nicht konservieren, nicht erzwingen, sie sich weder ein- noch ausreden. Wenn sie zwischen zwei Menschen entsteht, dann erfasst sie die beiden, macht sie stark, sicher und schön.

Wenn uns Liebe geschieht, brauchen wir nichts zu können, wir brauchen nicht taktisch vorzugehen, wir brauchen nicht eifersüchtig zu sein, es gibt nichts zu schützen, zu verteidigen oder festzuhalten. Wir lieben und werden geliebt.

Dies einmal in seinem Leben zu spüren, darauf, denke ich, hat jeder Mensch ein Anrecht. Ob das einer 40-jährigen Frau mit einem 18-Jährigen passiert oder zwei Gleichaltrigen, spielt keine Rolle. Es kann schön sein, wenn der Partner ähnlich ist, es kann aber auch bereichernd sein, wenn er in einer anderen Lebensphase steckt.

Natürlich ist damit das Problem einer funktionierenden Partnerschaft noch nicht gelöst. Je verschiedener zwei Menschen sind, desto flexiblere Formen des Zusammenlebens müssen entwickelt und erprobt werden. Die Versuchung zu verschmelzen, die Eigenständigkeit und damit das Selbstbewusstsein zu verlieren, wird aber gerade dadurch kleiner. Und damit auch die Gefahr, dass die Liebe frühzeitig erstickt.