Ein IV-Gutachten kann über eine Existenz entscheiden. Klingt dramatisch, ist aber so. Je nachdem, wie es ausfällt, bekommt man mehr oder weniger Rente – oder überhaupt keine. Als betroffene Person ist man dem Verdikt der Gutachterstelle praktisch ausgeliefert. Umso verantwortungsvoller müsste die Begutachtung sein.

Bei der Gutachterstelle Pmeda war das laut einer Untersuchung durch die Eidgenössische Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB) nicht so. Sie rät den Versicherungen, der Pmeda keine Aufträge für Gutachten mehr zu erteilen. Die IV ist dieser Aufforderung gefolgt und beendet die Zusammenarbeit. Ob Krankentaggeld- und Unfallversicherungen nachziehen, ist noch offen.

Die Pmeda reagiert in einer Stellungnahme wie folgt: «Die Arbeit von Pmeda ist in Hunderten von Urteilen kantonaler Gerichte und über 100 Urteilen des Bundesgerichts weit überwiegend als überzeugend beurteilt worden. Die jüngsten Entscheidungen des BSV und der EKQMB sind Teil einer schon lange andauernden Kampagne der professionell agierenden Geschädigtenanwälte mit starker Lobby und PR-Abteilung.»

Seit Jahren in der Kritik

Schon lange haben Behindertenverbände und Patientenanwälte die Pmeda kritisiert. Auch der Beobachter hat über die mangelhafte Qualität der Gutachten berichtet. Es gebe viele Beispiele, sagt Anwalt Luzius Hafen, der regelmässig Personen vor Gericht vertritt, die gegen IV-Gutachten klagen.

Als Beispiel nennt er den Fall eines Kadermanns in einem Grossbetrieb. Er wurde wegen eines Burn-outs untersucht. Die Begutachtung durch einen Psychiater der Pmeda habe kaum eine halbe Stunde gedauert, und er habe den Mann für voll arbeitsfähig erklärt. Taggelder oder gar eine IV-Rente seien eingestellt respektive nie ausgerichtet worden.

Erst Jahre später habe ein zweites Gutachten dem Mann eine schwere Persönlichkeitsstörung samt Wahnvorstellungen attestiert und damit den Weg für eine IV-Rente geebnet. Der Mann sei durch das fehlerhafte Gutachten finanziell ruiniert.
 
Der Befund der EKQMB ist für Hafen «ein Erfolg im Kampf um qualitativ bessere Gutachten». Er kritisiert, dass es so lange gedauert hat. 

Juristische Schritte einleiten

Was können Betroffene tun? «Wer in einem hängigen Verfahren ist, in das die Pmeda involviert ist, sollte nun – sofern noch nicht geschehen – unbedingt eine Anwältin oder einen Anwalt einschalten», sagt Anwalt Hafen. So könne eine Rente möglicherweise noch gerettet werden.
 
Komplizierter wird es in Fällen, die bereits rechtskräftig abgeschlossen sind. Das Bundesamt für Sozialversicherungen stellt sich auf den Standpunkt, dass die Gerichte den Sachverhalt und damit die Pmeda-Gutachten sorgfältig geprüft hätten. Darum sei jetzt nichts mehr zu machen.

«Das ist aus meiner Sicht falsch», sagt Hafen. Er gehe davon aus, dass die EKQMB auch fehlerhafte Gutachten aus rechtskräftigen Fällen entdeckt habe. «Ich rate Betroffenen auch hier, sich an eine Rechtsschutzversicherung, eine spezialisierte Anwältin, einen Anwalt oder an die Rechtsberatungsstelle UP zu wenden.»
 
Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen.


Dieser Artikel wurde am 23. Oktober 2023 um eine Stellungnahme der Pmeda erweitert.