Die Zahlen, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Anfang Juli veröffentlichte, waren alarmierend: Die Jahresabschlüsse der Schweizer Krankenversicherer wiesen 2022 einen Verlust von 3,5 Milliarden Franken aus.

Die Hälfte stammte aus Versicherungsleistungen, weitere 1,75 Milliarden verloren die Krankenkassen am Finanzmarkt. Schon damals warnte das BAG, dass die Gesundheitskosten weiter steigen, was sich auf die Prämien für das kommende Jahr auswirken werde. 

Nun stösst der Krankenkassenverband Santésuisse ins gleiche Horn. Im ersten Halbjahr 2023 seien die Gesundheitskosten um 7,85 Prozent gestiegen, warnt Direktorin Verena Nold in einem Interview mit «20 Minuten»: «Angesichts der starken Kostenerhöhung kommen wir um eine überdurchschnittliche Prämienerhöhung leider nicht herum.»

«Wir gehen von einem schon lange nicht mehr da gewesenen Prämienanstieg aus», sagt auch Pius Zängerle von Curafutura, dem Verband der vier Versicherer CSS, Helsana, Sanitas und KPT: «Wie hoch dieser ausfallen wird, ist von komplexen Prämienkalkulationen abhängig und lässt sich Stand jetzt nicht mit einer Zahl ausdrücken.» Die Kostenentwicklung gehe jedoch «definitiv in die falsche Richtung».

Bundesrat Alain Berset wird die Prämien für 2024 Ende September bekanntgeben, nur wenige Wochen vor den eidgenössischen Wahlen. Das Thema ist damit für die letzten paar Wochen Wahlkampf gesetzt. Was sagen die Parteien in ihren Wahlprogrammen dazu?

  • Die SVP möchte weniger staatliche Regulierung im Gesundheitswesen und mehr Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern. Auch die Versicherten sollen ihren Teil beitragen – und sich einschränken: Die SVP fordert im Parteiprogramm 2023–2027, dass die Versicherten Eigenverantwortung übernehmen, ihren Kostenanteil erhöhen und ihre eigenen Ansprüche herunterschrauben. Nach der Vorstellung der SVP würden in der obligatorischen Grundversicherung nur noch Leistungen bezahlt, die «wesentliche gesundheitliche Bedürfnisse» abdecken. Für alle anderen Leistungen sollen sich Patientinnen und Patienten mit dem Abschluss einer Zusatzversicherung finanziell absichern. Welche Leistungen als wesentlich gelten und wie sich eine solche Zusatzversicherung vom heutigen Modell unterscheidet, führt die Partei aber nicht weiter aus.
  • Eigenverantwortung ist auch ein Stichwort der FDP. Es brauche «Anreize für ressourcenschonendes Verhalten», schreibt die Partei. Sie möchte unter anderem Patientinnen und Patienten belohnen, die günstigere Anbieter von medizinischen Leistungen wählen oder sich gesundheitsbewusst verhalten. Um die Kosten zu senken, fordert die FDP unter anderem die rasche Einführung der einheitlichen Finanzierung (Efas). Mit dieser Reform würde die Finanzierung der stationären Versorgung, zum Beispiel im Spital, und der ambulanten Gesundheitsversorgung (etwa beim Hausarzt) vereinheitlicht. Fachleute gehen davon aus, dass sich das positiv auf die Kosten auswirkt.
  • Ganz auf die Gesundheitskosten fokussiert die Mitte. Sie hat dazu 2020 ihre Kostenbremse-Initiative eingereicht. Darin fordert sie, «dass Bundesrat, Bundesversammlung und Kantone eingreifen müssen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen». Jede Person, «unabhängig von Einkommen, Alter oder gesundheitlichem Risiko», müsse «auf eine ausgezeichnete und finanzierbare medizinische Versorgung zählen» können. Im Parlament ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative hängig. 
  • Mit einem «interkantonal abgestimmten und koordinierten Gesundheitswesen» bei der Spitzenmedizin möchten die Grünliberalen die stetig wachsenden Kosten in den Griff bekommen. Daneben sollen nach dem Willen der Grünliberalen die Schul- und die Komplementärmedizin «eine gleichwertige Ausgangslage haben». Auch sie fordern, «Prävention und Eigenverantwortung» zu stärken. Konkret würde das bedeuten, dass Kompetenzzentren in Spitälern entstehen, die etwa auf bestimmte Operationen spezialisiert sind, statt dass jedes kleine Spital die teuren Apparate anschaffen muss, die mit nur wenigen Operationen pro Jahr nicht rentabel betrieben werden können.
  • «Die Kaufkraft stärken dank bezahlbaren Mieten und Prämien», fordert die SP: «Denn Energieversorgung, Kinderbetreuung und Gesundheit dürfen nicht am Profit ausgerichtet sein, sondern müssen den Bedürfnissen der Bevölkerung dienen.» Mit ihrer 2019 lancierten Prämien-Entlastungs-Initiative haben die Genossinnen und Genossen dafür gesorgt, dass das Thema Gesundheitskosten in diesem Wahlkampf auch von linker Seite beackert wird. Die Initiative fordert, dass nicht mehr als zehn Prozent des Einkommens eines Haushalts für Krankenkassenprämien eingesetzt werden müssen. Im Parlament ist auch für diese Volksinitiative ein Gegenvorschlag hängig. Konkret geht es darum, wie stark die Kantone künftig die Prämien verbilligen sollen. 
  • Gar mehr Leistungen möchten die Grünen. Sie wollen sich in der kommenden Legislatur dafür einsetzen, dass «Lücken in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» geschlossen werden und beispielsweise zahnärztliche Behandlungen auch von den Krankenkassen bezahlt werden. Für «Gesundheitsförderung und Prävention» möchten die Grünen dank eines neuen Rahmengesetzes fünf Prozent der Behandlungskosten einsetzen. Eine Senkung der Gesundheitskosten soll nach ihrem Willen durch tiefere Medikamentenpreise erreicht werden.