Nur noch ein blumengeschmücktes Kreuz am Strassenrand erinnert an das schreckliche Ereignis am frühen Morgen des 2. Februar 2000: Die seit einem Jahr verheiratete Eva Malvin* gerät ausserhalb von Laufenburg AG auf der vereisten Strasse auf die Gegenfahrbahn und kollidiert mit einem Milchtankfahrzeug. Die Lenkerin ist sofort tot.

Ihr heute 37-jähriger Mann Lukas Malvin*, ein Musiker und Toningenieur, hat den Verlust seiner Frau psychisch bis heute nicht verarbeitet. Erschwerend kommt hinzu, dass ihn seine Partnerin tatkräftig beim Aufbau eines Aufnahmestudios unterstützt hatte.

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Eine teure Sache, mit Investitionen von gegen einer Million Franken. Hilfe erhoffte sich der Witwer von seiner privaten Rechtsschutzversicherung, der Winterthur Arag. Der zuständige Sachbearbeiter überwies den Fall umgehend an einen «erfahrenen Rechtsanwalt»: Gion Aeppli von einer Zürcher Kanzlei.

Mandat «endgültig erledigt»
Als der Jurist mit seiner Klage wegen fahrlässiger Tötung gegen den Lastwagenfahrer abblitzte, beschied er Lukas Malvin: «Leider steht kein weiteres Rechtsmittel zur Verfügung. Sie haben sich mit diesem Entscheid abzufinden.» Dies bedeute «natürlich auch in zivilrechtlicher Hinsicht, dass keine haftpflichtrechtlichen Schadenersatzansprüche gegenüber der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung des Lastwagenlenkers erfolgreich geltend gemacht werden können». Schon acht Monate nach dem Unfall betrachtete der Jurist sein Mandat – so die briefliche Mitteilung – «endgültig als erledigt». Persönlich hatten sich Anwalt und Klient nie getroffen.

Nur zufällig bekam ein auf Unfallversicherungsrecht spezialisierter Fricktaler Anwalt Wind von dieser Art Rechtsschutz. Er schaltete sich ein, verhandelte mit der Alpina, der Haftpflichtversicherung des Lastwagenlenkers, berechnete in einem umfangreichen Dossier den Schaden und kam zum Schluss, dass auch den Lastwagenlenker ein Mitverschulden am tragischen Unfall treffe. Der Grund: Je höher das Gewicht eines Fahrzeugs, umso grösser ist auch die Betriebsgefahr. Zudem war der Chauffeur etwas zu schnell unterwegs gewesen.

Der Anwalt hatte Erfolg: Ende April bot die Alpina dem Hinterbliebenen eine Entschädigung über 125'000 Franken an. Damit ist Lukas Malvin zwar noch nicht glücklich, doch immerhin lindert die Aussicht auf einen sechsstelligen Betrag sein finanzielles Risiko.

«Rechtslage falsch beurteilt»
Der Fall stellt der grössten Rechtsschutzversicherung der Schweiz (Werbeslogan: «Der Kunde steht im Mittelpunkt») nicht das beste Zeugnis aus. Zudem fiel Lukas Malvin auf, dass Rechtsvertreter Aeppli zwar über eigenständiges Briefpapier verfügt, aber an der genau gleichen Adresse wie die Winterthur Arag praktiziert. «Herr Aeppli ist bei uns angestellt», räumt Adrian Bryner als Leiter der Winterthur-Arag-Rechtsdienste ein. Offen steht er auch dazu, dass Aeppli «die Rechtslage falsch beurteilt hat». Bryner: «Ich kann es mir auch nicht erklären.»

Auch Jurist Gion Aeppli steht ohne Umschweife zu seinem Fehler: «Dass ein Lastwagen eine grössere Betriebsgefahr darstellt als ein Personenwagen und dass der Chauffeur zu schnell fuhr, habe ich übersehen.» Allerdings sei Malvin auch ein «unglaublich passiver Klient» gewesen.

Malvins neuer Anwalt dagegen hält mit Kritik an der Rechtsschutzversicherung nicht zurück: «Ich habe noch nie erlebt, dass ein Anwalt in einem so wichtigen Fall nicht mit dem Klienten persönlich sprach, sondern nur brieflich mit ihm verkehrte.» Ausserdem habe die Winterthur Arag «nichts dazu beigetragen, um ihrem Kunden zu seinem Recht zu verhelfen, obschon es vertraglich zugesichert ist und sie dafür Prämien erhielt».

Tatsächlich hielt es die Winterthur Arag bisher nicht einmal für nötig, sich bei Lukas Malvin zu entschuldigen – und das, obschon dem Kunden durch den groben Schnitzer beinahe eine sechsstellige Summe vorenthalten blieb. Zumindest diesbezüglich tut sich jetzt etwas. Vom Beobachter darauf angesprochen, sagt Rechtsdienste-Chef Bryner: «Wir werden uns bei unserem Kunden entschuldigen.»

* Name geändert