Der Ärger begann mit einem Brief. Nadja Maurer aus Zug, deren richtigen Namen wir hier nicht nennen wollen, bekam vom Berner Inkassobüro Paycoach eine Mahnung – für einen Einkauf, den sie nie getätigt hatte. Der Fall liess sich leicht klären. Der Kauf war über eine Manor-Karte gelaufen, doch Nadja Maurer besass keine solche. Paycoach sah den Fehler ein.

Was Nadja Maurer damals, vor vier Jahren, noch nicht wusste: Sie hat in Bern eine Namensvetterin, die offensichtlich Rechnungen nicht bezahlte und auf Mahnungen nicht reagierte. Das ging später aus Unterlagen eines anderen Inkassobüros hervor.

Gemäss einer Rechnung, die Nadja Maurer vom Inkassobüro EOS Schweiz erhielt, soll sie 2018 beim Onlineshop Kidzworld für 414 Franken ein Mercedes-Elektroauto für Kinder gekauft haben. Dazu verrechnete das Inkassobüro happige Gebühren. Nur: Nadja Maurer hatte nie bei Kidzworld eingekauft.

Verzweifelte Gegenmassnahmen

Besonders hartnäckig versuchte Arvato Infoscore, Geld bei ihr einzutreiben. Einmal ging es um Einkäufe bei Brack.ch, andere Male um Zalando. Sie tat, was Fachleute in solchen Fällen raten: Sie bestritt die Forderungen und schaltete ihre Rechtsschutzversicherung ein – erfolglos. 2020, 2021 und 2022 flatterten für sieben angeblich durch sie getätigte Einkäufe Zahlungserinnerungen, Betreibungsandrohungen und anwaltschaftliche Einschüchterungsbriefe ins Haus. Arvato Infoscore ignorierte ihre Reklamationen genauso wie die Schreiben ihrer Rechtsschutzversicherung.

Auch eine Wohnsitzbestätigung, die belegte, dass sie nicht in Bern lebt, zeigte keine Wirkung. Im Oktober 2021 reichte Nadja Maurer auf Anraten ihrer Rechtsschutzversicherung eine Strafanzeige wegen unbefugten Beschaffens von Personendaten ein. Ihr Verdacht: Identitätsklau. Die Strafanzeige leitete sie den Inkassobüros weiter. Vergeblich.

«Es ist unglaublich, wie ich behandelt wurde»

Nadja Maurer, zu Unrecht betrieben

Ende 2021 kam die erste Betreibung von Arvato Infoscore. Maurer erhob Rechtsvorschlag. Im Februar 2023 folgte die zweite Betreibung. Im April wandte sie sich entnervt an die brancheninterne Ombudsstelle Inkasso Suisse.

«Es ist unglaublich, wie ich behandelt wurde», sagt Maurer. «Als Privatperson habe ich keine Chance gegen falsche Anschuldigungen von Inkassobüros.»

Tatsächlich: Erst als sich der Beobachter einschaltet, passiert etwas. Die Ombudsstelle stellt ein Beschwerdeverfahren in Aussicht. Die Inkassobüros entschuldigen sich eiligst und versichern, sie würden die Forderungen annullieren, die Mahnungen einstellen und die Betreibungen zurückziehen.

Arvato Infoscore gibt sich kleinlaut und spricht von einer «Verkettung unglücklicher Umstände, die wir verantworten». Die Abklärungen hätten ergeben, dass es offensichtlich zu einer Verwechslung gekommen sei.

Die Inkassofirmen stellen sich auf den Standpunkt, sie hätten sich auf die Angaben einer Adressauskunftei gestützt. Das sind Unternehmen, die sich auf die Sammlung und den Handel von Firmen- und Privatadressen spezialisieren – in diesem Fall Crif AG aus Zürich, auch unter dem Namen Teledata bekannt. Crif verkauft den Inkassobüros Umzugsadressen von Leuten, die diese nicht mehr kontaktieren können. Arvato Infoscore schreibt: «Verwechslungen sind extrem selten, können aber – wie dieser Fall zeigt – nicht ausgeschlossen werden.»

Eine Abfrage bei Crif zu «Nadja Maurer» zeigt jedoch, dass etwas nicht stimmt: Offensichtlich lebt eine Frau mit diesem Namen in der Zentralschweiz, die dort mehrmals umgezogen ist. Und es gibt in der Region Bern eine gleichnamige Frau, die auch oft ihren Wohnsitz gewechselt hat. Crif führt beide Personen als eine auf. Mit dem Effekt, dass gemäss Crif-Eintrag diese Person innerhalb von vier Jahren jedes Jahr von Bern in die Innerschweiz und wieder zurückgezogen sein müsste.

Die Schuld zugeschoben

Crif sieht trotz mehrmaliger Nachfrage keinen Anlass für eine Entschuldigung. Umständlich heisst es: «Die Fehlverknüpfung wurde verursacht durch eine Adressmutation (Umzug) der von Ihnen erwähnten Frau mit der Adresse eines im Raum Bern lebenden Homonyms.»

Zugleich schiebt man indirekt Nadja Maurer die Schuld zu: «Wir möchten darauf hinweisen, dass Frau M. durchaus die Möglichkeit hatte, auf diesen Fehler hinzuweisen und bei Crif AG weitere Abklärungen dazu auszulösen. […] Bislang hat Frau M. jedoch auf eine Kontaktaufnahme mit uns verzichtet.»

Doch woher sollte Nadja Maurer wissen, dass die Inkassobüros ihre Infos von Crif beziehen? «Unsere Inkassopartner weisen schon seit vielen Jahren aus Transparenzgründen in jedem Mahnschreiben auf die Zusammenarbeit mit Crif AG hin», heisst es dazu. Tatsächlich tun das die Inkassobüros teilweise, aber aus einem ganz anderen Grund: Der Hinweis dient als Drohung. Auf den Mahnungen von Arvato Infoscore steht: «Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass alle Daten über diesen Inkassovorgang an die Wirtschaftsauskunftei Crif AG, Zürich, weitergeleitet werden.»