Wenn sich Migrantinnen von ihren gewalttätigen Partnern trennen möchten, droht ihnen die Abschiebung. Oft hängt ihre Aufenthaltsbewilligung von derjenigen ihres Ehemanns ab. Für betroffene Frauen ist dies fatal. Viele kehren zu ihrem Mann zurück und harren in der Ehe aus. 

Das soll sich jetzt ändern. Am Dienstag nahm der Nationalrat eine parlamentarische Initiative seiner staatspolitischen Kommission an. Sie fordert eine Änderung des Ausländerrechts: Künftig sollen Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, keine Ausweisung mehr befürchten müssen.

«Diese Gesetzesänderung ist lebensrettend. Sie verhindert Femizide.»

Sim Eggler, Brava

Sim Eggler von der Organisation Brava, die sich für Gewaltbetroffene einsetzt, sagt: «Diese Gesetzesänderung ist lebensrettend. Sie verhindert Femizide.» Endlich hätten dies auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier bis weit in die Mitte verstanden. Der positive Entscheid des Nationalrates ist für Eggler nicht selbstverständlich. «Wir kämpfen seit Jahrzehnten dafür, dass Migrantinnen besser vor häuslicher Gewalt geschützt werden.» 

Tatsächlich machte die damalige SP-Nationalrätin Christine Goll bereits 1996 den ersten Vorstoss in dieser Sache. Doch über all die Jahre blieb das Anliegen eines unabhängigen Aufenthaltsrechts für gewaltbetroffene Migrantinnen chancenlos. Bis jetzt. Das Umdenken dürfte zurückgehen auf das grosse Engagement vieler Frauenorganisationen, die feministische Bewegung und die Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch die Schweiz Ende 2017.

Bundesrat keine Garantie für drei Jahre

Ein Knackpunkt in der Debatte stellte ein Unterartikel des neuen Gesetzes dar. In diesem wird geregelt, dass gewaltbetroffene Personen nach einer Trennung drei Jahre Zeit bekommen, sich in der Schweiz zu integrieren. Dazu gehören das Erlernen der Sprache oder die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Während dieser Zeit sollen sie vor einer Ausweisung geschützt sein. 

«Den Artikel zu streichen, würde den Schutz von Gewaltbetroffenen drastisch schmälern.»

Sim Eggler, Brava

Der Bundesrat aber will diesen Artikel streichen. Er ist der Meinung, die Integrationskriterien müssten für alle Menschen gelten, die in der Schweiz leben möchten. Konkret würde das bedeuten, dass eine betroffene Person den Aufenthaltsstatus verliert, wenn sie nach der Trennung beispielsweise Sozialhilfe bezieht. Davor warnt Eggler: «Den Artikel zu streichen, würde den Schutz von Gewaltbetroffenen drastisch schmälern. In einer Gewaltsituation eine wirtschaftliche Unabhängigkeit aufzubauen oder eine Sprache zu lernen, ist enorm schwierig. Viele betroffene Frauen werden in der Beziehung isoliert.»

Im Nationalrat sprach sich eine Mehrheit dafür aus, dass diese Frist gesichert werden soll. Voraussichtlich in der Frühlingssession kommt das Geschäft in den Ständerat. Dort dürfte dieser Punkt nochmals ausführlich diskutiert werden.