Es ist der tiefste Wert der ganzen Schweiz – mit Abstand. 9 Prozent beträgt der Frauenanteil im Schwyzer Kantonsparlament. Es folgen Obwalden mit 18,2 Prozent, Appenzell Innerrhoden mit 22, Uri und Jura mit je 25 Prozent. Im Schnitt liegt der Frauenanteil in Schweizer Kantonsparlamenten bei 33,5 Prozent, das alles gemäss Bundesamt für Statistik.

Die Zahlen beziehen sich auf den Stand nach dem jeweiligen Wahltag. Immerhin sind in Schwyz inzwischen vier Frauen nachgerückt, so liegt ihr Anteil nun bei 13 Prozent. Es bleibt aber der tiefste Wert im Land.

Nicht viel besser sieht es für den Kanton Schwyz in anderen politischen Gremien aus. In der siebenköpfigen Regierung ist nur eine einzige Frau. Ebenso ist Ständerätin Petra Gössi die einzige Frau in der sechsköpfigen Bundeshausdelegation des Kantons.

Wenn der Kanton am 3. März ein neues Parlament und eine neue Regierung wählt, richtet sich das Augenmerk deshalb auch auf die Zahl der Frauen. Für die Regierung gibt es zwar wieder nur eine offizielle Kandidatin. Von 397 Personen, die für den Kantonsrat kandidieren, sind aber immerhin 118 Frauen.

Frauen zuerst sichtbar machen

Was braucht es aber konkret, damit sich an den Schwyzer Quoten etwas ändert? «Valable Personen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen über längere Zeit aufgebaut werden», sagt die Zürcher Politikwissenschaftlerin Sarah Bütikofer. «In der Regel reicht dafür auch nicht mal eine Legislatur, zumindest nicht für eine Majorzwahl.» Wenn die Parteien künftig Ständerätinnen, Regierungsrätinnen oder Nationalrätinnen stellen möchten, müssten diese Politikerinnen bereits heute in sichtbaren Ämtern sein und auch möglichst viele öffentliche Auftritte absolvieren. «Sie müssen politisch und medial regelmässig in Erscheinung treten, anders geht es nicht.»

«Frauen sind schwieriger für die Politik zu motivieren und zu gewinnen als Männer.»

Roman Bürgi, SVP-Kantonalpräsident

Es gibt Handlungsbedarf, darüber scheinen sich alle einig zu sein. Katja Aldi vom Frauennetz Schwyz sagt: «Um den Frauenanteil zu erhöhen, müssen alle Verantwortung übernehmen: Arbeitgeber müssen Strukturen schaffen, die es Frauen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen; die Carearbeit muss geregelt werden; und am Ende liegt es an uns Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, dass wir mehr Frauen in politische Ämter wählen.»

Männer exponieren sich lieber

Häufig fehlten weibliche Vorbilder und die Möglichkeit zum Austausch unter Gleichgesinnten. Deshalb hat das Frauennetz die Plattform Demokratin.ch gegründet. «Sie soll den Austausch zwischen Amtierenden und Interessierten fördern und so Frauen einen niederschwelligen Zugang zur Politik ermöglichen.» Alle Kandidatinnen bei den kommenden Wahlen haben zudem die Möglichkeit, sich auf der Plattform vorzustellen.

Anna Marty, Präsidentin der Schwyzer FDP-Frauen, sagt: «Ich tausche mich oft mit politikinteressierten Frauen aus. Häufig möchten sie ihre Meinung aber nicht vor anderen vertreten.» Zudem habe sich gerade bei den jetzigen Wahlen gezeigt, dass bei Anfragen für eine Kandidatur die Männer deutlich öfter zusagen. Das bestätigt Mathias Bachmann, Wahlkampfleiter der Mitte Schwyz. In den Vereinen etwa seien viele Frauen aktiv. Schwieriger werde es, wenn man geeignete Personen zu überzeugen versuche, sich für einen Wahlkampf zur Verfügung zu stellen: «Das Sich-Exponieren haben viele nicht so gern. Hier braucht es Überzeugungsarbeit, gerade bei den Frauen.»

«Wir haben viele Frauen neu für ein politisches Engagement gewinnen können.»

Karin Schwiter, SP-Kantonalpräsidentin

SVP-Präsident und Neu-Nationalrat Roman Bürgi gibt zu bedenken, dass es für die politische Förderung bei Frauen wie bei Männern Jahre brauche. «Meiner Ansicht nach sind Frauen aber schwieriger für die Politik zu motivieren und zu gewinnen als Männer.» Grundsätzlich sei es Aufgabe der Ortsparteien, die entsprechenden Schritte zu unternehmen. Die lokalen Sektionen seien näher bei den Leuten.

Für Karin Schwiter, Präsidentin der Schwyzer SP, steht fest: «Es braucht ein fortlaufendes, grosses Engagement für das Thema – bei jeder Anfrage zur Besetzung eines Amts, bei jeder Einladung von Referierenden und Fachpersonen und bei jeder Diskussion über die politischen Themen, die man setzen will.» Es sei Aufgabe der Politik, vermehrt Lösungen für diejenigen Themen zu erarbeiten, die für Frauen wichtig sind: «Wir haben zum Beispiel mit unseren Initiativen für bezahlbare Kitaplätze, für faire Arbeitsbedingungen in der Pflege und für besseren Schutz vor sexualisierter Gewalt viele Frauen neu für ein politisches Engagement gewinnen können.» 

«Wahlkampf ist 20 Jahre»

Eine kontinuierliche und seriöse Nachwuchsförderung sei entscheidend, sagt Patrick Emmenegger, Professor für Politikwissenschaften an der Universität St. Gallen. Dabei sei «Nachwuchs» nicht unbedingt im Sinne von «Alter» zu verstehen. Die Parteileitung müsse diese Nachwuchskräfte suchen, einbinden, aufbauen und auf weitere Aufgaben vorbereiten. «Aber das sagt sich natürlich alles viel leichter, als es getan ist.» Es koste viel Zeit und Aufwand, kontinuierlich Nachwuchskräfte aufzubauen. «Diese Zeit haben Parteileitungen oft nicht. Aber damit riskiert man, dass im entscheidenden Moment die neuen Kräfte fehlen – und dann gewisse Gruppen unterrepräsentiert sind.»

Vielleicht hilft ein Ratschlag aus einem anderen Kanton: Simon Stocker (SP) aus Schaffhausen, im November überraschend in den Ständerat gewählt, sagte nach der Wahl: «Wahlkampf ist nicht drei Monate, Wahlkampf ist 20 Jahre.» Auf Anfrage ergänzt Stocker: «Ein langjähriges Engagement zahlt sich vermutlich eher aus. Ausnahmen können Personen sein, die sehr bekannt sind und als Quereinsteiger starten.»

Es geht auch anders: Im Kanton Neuenburg sind Frauen in der Mehrheit

Der Kanton Neuenburg machte 2021 vor, wie eine markante Steigerung des Frauenanteils zu machen ist. Damals erreichten die Frauen im Kantonsparlament die Mehrheit. Das gab es vorher noch nie in der Schweiz. Und es war ein markanter Schritt: Auf einen Schlag erhöhte sich die Frauenquote von 34 auf 58 Prozent. Beim zweitplatzierten Kanton Basel-Stadt sind es vergleichsweise bescheidene 42 Prozent.

Francis Krähenbühl, Kantonalpräsident der Neuenburger FDP, nennt verschiedene Gründe für den Wandel. Neuenburg sei einer der ersten Kantone gewesen, der 1959 den Frauen das Wahlrecht gab. «Neuenburg ist zudem ein sozial sensibler Kanton. Darum wird der Begriff der Gleichstellung der Geschlechter hier stärker wahrgenommen als anderswo. In Neuenburg haben die Frauen immer stark auf die Gleichbehandlung gepocht, sei es in der Politik oder im Arbeitsumfeld.»

Durch die stärkere Vertretung der Frauen würden nun im Neuenburger Parlament mehr gesellschaftliche Themen behandelt als früher: Familie, Gesundheit, Kinderbetreuung, sanfte Mobilität oder nachhaltige Entwicklung. «Vor einigen Jahren wurde mehr über Infrastruktur, öffentliche Finanzen und die Wirtschaft gesprochen.»

Es handle sich also um eine Wende zu mehr weichen und weniger harten Themen. «Das bedeutet nicht, dass es dem Kanton besser oder schlechter geht. Es handelt sich um eine Annäherung an die Bedürfnisse der Gesellschaft aus einem anderen Blickwinkel», so der FDP-Mann.

Margaux Studer von der SP Neuenburg nennt als einen der Gründe für den Umschwung von 2021 den Frauenstreik von 2019. Er habe Frauen zu Kandidaturen ermutigt. Die SP hätte sich sogar erhofft, dass eine «parité sur les listes» eingeführt würde, also auf jeder Parteiliste gleich viele Kandidatinnen wie Kandidaten. Mit diesem Vorhaben sei die SP aber nicht durchgedrungen.

All die Debatten über ausgeglichene Listen und die Stellung der Frauen in der Politik hätten aber die Wahlbevölkerung sensibler gemacht gegenüber diesen Themen. Politisch stehe das Neuenburger Parlament aber rechts, deshalb seien inhaltlich bisher eigentliche feministische Fortschritte ausgeblieben. Gewisse Themen würden nun aber anders wahrgenommen. Margaux Studer nennt die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf, die Auswirkungen der Milizpolitik oder auch das Recht der Frauen auf Arbeit.