Das Parlament hat einen unverständlichen und auch unschweizerischen Entscheid gefällt: Im Strassenverkehrsgesetz wird neu explizit festgeschrieben, dass auf Hauptstrassen innerorts Tempo 50 gilt. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat einem entsprechenden Vorstoss der FDP zugestimmt – gegen den Willen des Bundesrats. Das Parlament will damit eine Entwicklung in den Städten und Gemeinden stoppen. Immer mehr von ihnen drosseln das Tempo nicht nur in den Quartieren, sondern auch auf bestimmten Abschnitten von Hauptstrassen – manche streben generell Tempo 30 im Dorf- oder Stadtzentrum an.

Unverständlich ist das Verdikt aus dem Bundeshaus, weil es sehr viele Argumente für Tempo 30 auch auf Hauptstrassen gibt. Der Lärm nimmt ab, die Sicherheit zu. Auch entlang von Hauptstrassen wohnen Menschen und sind Kinder, ältere Leute und Velofahrer unterwegs. Wenn es seltener und vor allem zu weniger schweren Unfällen kommt, ist das ein gewaltiger Gewinn.

Das einzige nachvollziehbare Argument gegen Tempo 30 ist, dass es einem als Autolenker langsam vorkommt.

Der Zeitverlust, der sich für die Autofahrenden durch das geringere Tempo ergibt, ist hingegen minim. Das Gleiche gilt für den ÖV. Ausweichverkehr in die Quartiere wird durch eine gezielte Verkehrsführung verhindert.

Das einzige nachvollziehbare Argument gegen Tempo 30 ist, dass es einem als Autolenker langsam vorkommt. Zum Beispiel, wenn man nachts mit Tempo 30 auf einer menschenleeren Strasse dahinschleichen muss. Wenn die Anwohner dafür ruhig schlafen können und die Sicherheit erhöht wird, ist diese Einschränkung aber vertretbar.

Die Interessen der Autofahrenden und des ÖV an einem flüssigen Verkehr sind gewahrt.

Unschweizerisch ist der Entscheid des Parlaments, weil Bundesbern von oben herab die Autonomie der Gemeinden und Städte einschränkt. Dabei ist es heute schon so, dass die Kantone gegen Tempo-30-Vorhaben ihr Veto einlegen können und das auch vielfach tun. Die Interessen der Autofahrenden und des ÖV an einem flüssigen Verkehr sind gewahrt – ja werden heute stärker gewichtet als die Sehnsucht der Dörfer und Städte nach mehr Lebensqualität in ihren Zentren und Quartieren.

Dabei sollte es umgekehrt sein. Die Gemeinden Hausen und Riniken im Kanton Aargau haben sich am letzten Wochenende gegen eine Temporeduktion auf ihrer Hauptstrasse respektive den Quartierstrassen entschieden. Das ist ihr gutes Recht. Andere Gemeinden wie Köniz BE oder Fällanden ZH haben sich für Tempo 30 auf gewissen Hauptstrassen entschieden – und würden nicht mehr zurückwollen.

Was mehr Lebensqualität bringt, ob ein etwas schnelleres Vorwärtskommen auf der Strasse oder mehr Sicherheit und Ruhe, darüber sollten die Bewohnerinnen und Bewohner der Städte und Dörfer bestimmen – und nicht das Parlament in Bern.