Viktor Györffy, Sie sind Präsident von Grundrechte.ch. Ihr Verein setzt sich seit Jahren gegen die Überwachung im öffentlichen Raum ein. Neu darf in Bern der Kanton die Gemeinden zwingen, an Brennpunkten Kameras zu installieren. Überrascht Sie dieser Entscheid?
Nein. Videoüberwachungen im öffentlichen Raum nehmen schweizweit zu, nicht nur in Bern. Diese Entwicklung gefällt mir gar nicht. Ich sollte mich bewegen können, ohne überwacht zu werden.

Die kantonalen Politiker in Bern argumentieren, dass Überwachungskameras die Sicherheit erhöhen.
Es ist eine Illusion, wenn die Politik denkt, sie könne etwa den Drogenhandel bekämpfen, indem sie Kameras aufstellt. Untersuchungen zeigen, dass sich die Probleme so nur verschieben: Wenn eine Strasse gefilmt wird, ziehen sich die Dealer in die Seitengasse zurück. Nur wenn wir eine flächendeckende Überwachung hätten, würden die Kameras eine Wirkung zeigen. Das nimmt dann aber ein Ausmass an, wie wir es aus China kennen. Das müssen wir auf jeden Fall verhindern. 

«An der Zürcher Langstrasse feiern jedes Wochenende Tausende. Sie würden alle unfreiwillig auf den Aufnahmen landen.»

Viktor Györffy, Grundrechtsanwalt

Wenn es darum geht, eine Tat zu beweisen, können Videoaufnahmen eine wichtige Rolle spielen.
Für mich ist die Verhältnismässigkeit nicht gegeben, die Kameras überhaupt zu installieren. Auch wenn die Polizei ab und an einen Treffer landet und eine Straftat filmt. Nehmen wir an, in Zürich würde an der Langstrasse massiv gefilmt, um den Drogenhandel einzudämmen. Gleichzeitig sind dort an den Wochenenden Tausende am Feiern. Diese Personen würden alle unfreiwillig auf den Aufnahmen landen.

Sie haben kürzlich eine Person vertreten, die das Recht am eigenen Bild eingefordert hat. Ihr Klient wurde nach einer Demonstration von der Polizei fotografiert. 
Wir konnten die Polizei dazu bringen, die Aufnahmen, auf denen mein Klient zu sehen war, herauszugeben und zu löschen. Hilfreich war, dass er noch wusste, an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt er aufgenommen wurde. Die Polizei sichtete dann die in Frage kommenden Aufnahmen. Für allfällige Strafverfahren waren die Aufnahmen irrelevant, also haben sie das Material gelöscht. Besonders bei unbewilligten Demonstrationen wird das wohl häufiger vorkommen, zudem wird immer mehr auf die Videoüberwachung gesetzt.

Wäre es nicht ein enormer Aufwand, wenn alle Demonstranten die Löschung von Aufnahmen verlangen würden, auf denen sie zu sehen sind?
Jede Person, die auf einer Überwachungsaufnahme erkennbar ist, kann die Herausgabe und allenfalls die Löschung des sie betreffenden Materials verlangen. Wenn die Polizei den Aufwand nicht betreiben will, soll sie die Leute nicht filmen.

Was sind meine Rechte, wenn mich eine Überwachungskamera filmt?
Überwachungskameras müssen immer erkenntlich sein. Wenn die Polizei Videokameras im öffentlichen Raum anbringt, muss sie darauf aufmerksam machen, etwa mit Hinweisschildern. Das hat das Bundesgericht entschieden.

Wenn eine Person auf den Aufnahmen erkennbar ist, ist sie identifizierbar. Damit liegen personenbezogene Daten vor, unabhängig davon, ob die Polizei effektiv weiss, wer da abgebildet ist. Also stehen der Person die entsprechenden datenschutzrechtlichen Ansprüche zu.

Die betroffene Person hat das Recht am eigenen Bild. Sie kann verlangen, die Aufnahmen einzusehen – bei der Stelle, die die Aufnahmen angefertigt hat und/oder sie aufbewahrt.