Mitte September starten schweizweit mehr als 2100 Studierende im Fach Medizin. Die erste Hürde haben sie bereits überwunden: den Numerus clausus. Nur rund ein Drittel aller Interessierten übersteht die Prüfung und schafft es ins Studium. In sechs Jahren sollen sie einen Teil der grossen Lücke im Gesundheitswesen füllen.

Die Hausarztdichte nimmt stetig ab und liegt seit Jahren unter dem empfohlenen Wert. Gleichzeitig steigt die Belastung in den Spitälern. Die Schweiz hat zudem nach Israel den zweithöchsten Ausländeranteil in der Ärzteschaft aller OECD-Länder: 39,5 Prozent der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz stammen aus dem Ausland beziehungsweise besitzen ein ausländisches Diplom, wie die aktuelle Statistik der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) zeigt. Damit hält die Schweiz den Europarekord. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Warum braucht es überhaupt einen Eignungstest, wenn sich der Ärztemangel verschlimmert?

Die Antwort ist – wie so oft – das liebe Geld. Das Medizinstudium ist die teuerste Ausbildung der Schweiz. Laut Berechnungen des Bundes kostet der sechsjährige Studiengang pro Person rund 642’000 Franken.

100 Millionen vom Bund

Trotzdem: Wer mehr Ärztinnen will, muss in ihre Ausbildung investieren. Bereits 2016 beschloss der Bund, die Anzahl Studienabgänge zu erhöhen. Die Kantone erhielten einen Zustupf von 100 Millionen Franken. Bis 2025 sollen pro Jahr 1300 angehende Ärztinnen und Ärzte ihr Studium abschliessen.
 
«Die Universitäten sind auf dem besten Weg, das Ziel zu erreichen», sagt Kathrin Balmer, Leiterin Medizin und Gesundheit bei Swissuniversities, dem Dachverband der Schweizer Hochschulen. Seit 2016 konnte die Anzahl jährlicher Abschlüsse von rund 900 auf 1170 erhöht werden.

Babyboomer-Ärzte räumen das Feld

«Das reicht nicht», sagt Yvonne Gilli. Sie ist Präsidentin der FMH. Die Bildungshoheit liege zwar bei den Kantonen. Sie ist aber überzeugt, dass es zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erneut die Mitfinanzierung des Bundes braucht. 

Mit der damaligen Zielsetzung der 1300 Studienabschlüsse habe der Bundesrat den Ärztemangel unterschätzt. «Zum einen wuchs die Bevölkerung stetig, zum anderen gehen bald all die Ärztinnen und Ärzte der Babyboomer-Generation in Rente», erklärt Gilli. Auch die Rekrutierung aus dem Ausland werde zunehmend schwieriger. 

Die Zahl der Studierenden muss laut der FMH-Präsidentin erneut erhöht werden. Doch Gilli glaubt, dass das Parlament aktuell noch nicht genügend Bewusstsein für das Ausmass des Ärztemangels hat. Nun hofft sie auf den Druck aus der Bevölkerung. «Spätestens wenn die Leute keine Hausärzte mehr finden, werden sie politische Forderungen stellen.»