In der Nacht vom 12. auf den 13. November sind 31 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner krank geworden. Grund dafür waren weder Viren noch Bakterien, sondern eine Definition: Die American Heart Association hat den Grenzwert für erhöhten Blutdruck weiter nach unten angepasst. An Hypertonie leiden neu alle ab einem Wert von 130 zu 80. Vorher lag die Schwelle bei 140 zu 90.

Ziel der Korrektur sei es, bei erhöhtem Blutdruck früher Gegenmassnahmen ergreifen zu können, schreibt die American Heart Association. Die Auswirkungen sind dramatisch: Bislang war jeder dritte erwachsene US-Bürger Hypertoniker, nun ist knapp die Hälfte von der gefährlichen Volkskrankheit betroffen.

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Bluthochdruck erhöht das Risiko für Herzinfarkt, Hirnschlag oder Niereninsuffizienz. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Gemäss der Schweizerischen Herzstiftung sind bei uns 1,5 Millionen Menschen betroffen. Um die Werte in den Griff zu kriegen, müssen sie ihre Lebensgewohnheiten ändern – und oft auch Medikamente schlucken. Wie viele Schweizer plötzlich eine Therapie starten müssten, wenn man die Empfehlungen der Amerikaner übernähme, lässt sich aufgrund fehlender Daten nicht genau sagen. Vermutlich würde die Zahl in ähnlichem Verhältnis in die Höhe schiessen wie in den USA.

Skepsis gegenüber US-Richtlinien

Die Schweizerische Gesellschaft für Hypertonie (SHG) sieht indes keinen akuten Handlungsbedarf. Man wartet auf die europäischen Richtlinien, die im Sommer 2018 präsentiert werden. «Erst dann werden wir unsere Empfehlungen anpassen», sagt SHG-Präsident Yves Allemann. 

Der Kardiologe aus Bulle steht den Empfehlungen seiner US-Kollegen skeptisch gegenüber. Der wissenschaftliche Hintergrund, der eine Anpassung rechtfertigen würde, sei ungenügend. In den neuen US-Richtlinien heisst es, dass die «neuen» Hypertoniker vor allem nichtmedikamentös behandelt werden könnten. Allemann bezweifelt das. «Auch wenn die Autoren das Gegenteil behaupten, wird die Pharmabranche von dieser Anpassung profitieren.»

Die Schweizer Patientenschützerin Margrit Kessler ist empört über die Empfehlung der US-Herzspezialisten: «Das ist einfach Unsinn.» Die Senkung des Grenzwerts diene ausschliesslich den Medikamentenherstellern zur Geldvermehrung – auf Kosten der Gesundheit der Patienten. Denn: «Jedes Medikament hat Nebenwirkungen.» Kessler fordert von den Schweizer Kardiologen ein deutliches Zeichen: «Sie sollten sagen: Da machen wir nicht mehr mit!»

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Raphael Brunner, Redaktor
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