Fotos auf Medizinportalen oder in Gesundheitszeitschriften bedienen ein Klischee, das sich hartnäckig hält: Mann und Frau liegen im Bett. Sie mit leidendem bis entnervtem Gesichtsausdruck, ein dickes Kissen auf die Ohren gepresst. Er hingegen liegt auf dem Rücken, Augen geschlossen, mit leicht geöffnetem Mund, ergo schnarchend wie ein Bär.

Was wollen uns diese Bilder sagen? Männer tun es, Frauen nicht? Könnte man meinen, ist aber falsch, stellt Christian Neumann, Schnarchexperte am Zentrum für Schlafmedizin in Zürich, klar: «Alle Menschen können schnarchen. Die Frage ist nur, wie häufig sie es tun und wie schlimm es für die Umgebung ist.»

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In meinem Fall ist es häufig und schlimm. Das sagt mein Partner, der immer öfter leidend bis entnervt aussieht. Zuweilen, fügt er an, fühle er sich morgens wie durch den Fleischwolf gedreht. Schnarcher und Schnarcherinnen neigen dazu, das Unfassbare erst einmal von sich zu weisen. «Ich schnarche? Bist du sicher?» Aber die kostenlose Schlaf-App bringt es in brillanter Wiedergabetechnik zu Gehör (Sleep Talk Recorder, für iOS und Android). Es hält über weite Phasen an und ist zuweilen laut. Sehr laut. Es heisst, Spitzenwerte können bis zu 90 Dezibel erreichen, wie bei einem Presslufthammer. Na, dann gute Nacht!

Ich entspreche nicht dem typischen Bild eines Schnarchers

Ich versuche mich in Schadensbegrenzung und kaufe Ohrenstöpsel. Die fünf Paar liegen in einer Kunststoffbox, fein säuberlich einsortiert wie Pralinen. Das Präsent löst beim Partner gemischte Gefühle aus. Und es stimmt, was er einwendet: Die Stöpsel bringen im Notfall Linderung. Besser aber wäre doch, sich untersuchen zu lassen, zumal er gehört hat, Schnarchen könne gefährlich Schnarchen Gefährlicher als gedacht sein. «Und wer weiss, vielleicht gibt es für dich ein geeignetes Mittel dagegen.»

Auch der Hals-Nasen-Ohren-Arzt, den ich aufsuche, weiss, dass es im Prinzip alle tun. Dennoch mustert er mich mit einer gewissen Skepsis: leichtgewichtig, unter 50 – seine Klientel ist in der Regel eine andere. Sie ist älter und bringt mehr auf die Waage. Übergewicht mit zusätzlichem Fettgewebe im Rachenraum begünstigt das Schnarchen.

Ebenso Schlafen in Rückenlage, abendlicher Alkoholkonsum, Beruhigungs- und Schlafmittel, Zigaretten. Hier falle ich ebenfalls aus dem Muster: Ich rauche nicht, nehme keine Medikamente und säge in praktisch allen Lagen. Und seit klar ist, dass es bei mir nichts bringt, abends auf das Glas Rotwein zu verzichten, trinke ich es umso lieber.

Nasenoperation ist oft keine Lösung beim Schnarchen

Anatomische Besonderheiten lassen sich ebenfalls nicht feststellen: dicke Mandeln, grosses Halszäpfchen oder Gaumensegel, grosse Zunge, zu kleiner Unterkiefer – alles Fehlanzeige. Es ist da nichts, was den Atemfluss behindern könnte.

Die Nasenscheidewände sind krumm, gut, aber das sind sie bei fast 90 Prozent der Menschen. Überhaupt, bestätigt Schlafmediziner Christian Neumann, spielt die Nase beim Schnarchen eine untergeordnete Rolle. Operiert wird hier deshalb heute so gut wie nicht mehr. Weil man weiss: Schnarchgeräusche entstehen eine Etage tiefer. Während wir schlafen, entspannen sich nicht nur die Muskeln des Körpers, sondern auch die Rachenweichteile - das Halszäpfchen und die Zunge. Sie beginnen vor allem beim Einatmen zu vibrieren. Das kann jene ratternden oder sägenden Geräusche verursachen, die den Bettnachbarn den letzten Nerv kosten.

Ein Gerät überprüft, ob die Patientin Atemaussetzer hat

Gesundheitlich bedenklich oder nicht? Eine enorme Beeinträchtigung für diejenigen jedenfalls, die es sich anhören müssen. Und damit oft eine Belastungsprobe für eine Beziehung. Unter Umständen aber leben auch Schnarcher gefährlich, vor allem wenn sie Atemaussetzer Schlafapnoe Gefährliche Aussetzer in der Nacht haben. Der HNO-Arzt fragt, ob mein Partner Derartiges an mir wahrgenommen habe. Das hätte er bestimmt gesagt. Ebenso kann ich für die meisten Tage ausschliessen, morgens müde aufzuwachen, mich tagsüber unfit und nicht leistungsfähig zu fühlen oder gar der Tagesschläfrigkeit anheimzufallen. Dies alles seien ja schon mal gute Zeichen, beruhigt der Doktor.

Er gibt mir ein kleines Gerät mit, das ich beim Schlafen tragen soll. Es hat eine Armbanduhr, einen Fingerclip und ein kleines Mikrofon, das man mit einem Pflaster auf die Brust heftet. Diese ambulante Polygrafie zeichnet nachts ein paar Werte auf, die auf Atemaussetzer hindeuten könnten: Herz-, Kreislauf- und Atmungsparameter, Atemgeräusche, Schlafstadien, die effektive Schlafzeit. Alles im grünen Bereich, ergibt die Auswertung. Das ist zwar beruhigend, hilft aber gegen die Nachtgeräusche nicht.

Grosse Versprechen bei Produkten gegen das Schnarchen

Es gibt vielerlei Produkte Atemaussetzer Lieber Musik als Schnarchen , die versprechen, den nächtlichen Atemlärm zu beseitigen. «Vieles ist Augenwischerei», so Christian Neumann. Zum Beispiel Nasenspreizer oder spezielle Mittel, die man in den Rachen sprüht. Aber selbst etablierte Methoden garantieren den Erfolg nicht. Was anfangs ein gutes Ergebnis bringt, führt unter Umständen mit der Zeit zu einer Verschlechterung.

Etwa Operationen im Rachenraum. Sie können mehr Platz schaffen und damit für mehr Ruhe sorgen. Es kommt aber vor, dass entferntes Gewebe nachwächst und der Krach wieder da ist. Wer in Rückenlage schnarcht, trainiert sich vielleicht den Schlaf in seitlicher Position an, mit speziellen Rucksäcken. Das hilft oft, braucht aber Geduld. Ist das Gaumensegel gross, kommt oft die «Velumount-Spange÷ zum Einsatz. Sie verhindert den Verschluss des Luftkanals hinter dem Gaumensegel.

Ein Plastikmonster im Mund

Der HNO-Arzt rät auch mir, es mit einem mechanischen Hilfsmittel zu versuchen: einer Zahnschiene, die den Unterkiefer leicht nach vorn schiebt und die Gaumenmuskulatur strafft. Die Kunststoffbögen erstrecken sich über die obere und untere Zahnreihe und sind mit seitlichen Stegen verbunden. Ich willige ein.

Noch in der Praxis wird das vorgefertigte Teil aus thermoplastischem Kunststoff an mein Gebiss angepasst. Gefühlte fünf Kilo Plastik im Mund! Zu Hause der Blick in den Spiegel: Es fühlt sich nicht nur grauenvoll an, es sieht auch so aus. Der Mundschutz eines Boxers mutet dagegen dezent an. Das Monstrum drückt zudem so extrem auf die Zähne, dass ich um sie bange.

Krisensitzung bei meiner Zahnärztin. Was denn das für ein Vorkriegsmodell sei, möchte sie wissen. Sie ruft ihren Zahntechniker an. Dieser versucht sich ebenfalls in Schadensbegrenzung. «Ich schleife jetzt alles Überflüssige weg», sagt er und verschwindet im Hinterzimmer. Bei der Anprobe habe ich etwas weniger Plastik im Mund, optisch aber ist es kein Gewinn, und der enorme Druck ist geblieben. Er wolle mir nichts aufschwatzen, aber es gebe heute weit bessere Schienenvarianten, die er anhand eines Gebissabdrucks individuell anfertige. Gleiches Wirkprinzip, aber besserer Tragekomfort.

Tatsächlich: Das neue Modell ist filigran und besteht aus einem Bruchteil an Material. Dafür ist es mit rund 400 Franken ein Vielfaches teurer als der Brocken aus der HNO-Praxis. Das Ganze ist optisch akzeptabel, das nächste Mal aber nehme ich keinen blau schimmernden Kunststoff. 

Für den Notfall hat mein Partner ja noch die Ohrenstöpsel

Auch die neue Schiene sitzt stramm und drückt zuweilen unangenehm. Dann nehme ich sie heraus. Für diesen Notfall hat mein Partner die Ohrenstöpsel parat. Denn ohne Schiene schnarche ich nach wie vor – lange und laut. Mit ihr sind die Phasen kürzer und die Geräusche gedämpft. Vergleichbar mit dem Surren eines Elektromotors, also durchaus erträglich. 

Und dann gibt es Nächte, in denen ich mit Schiene keinen Mucks mehr mache. «Habe ich?» lautet die Standardfrage morgens. Kommt dann ein zufriedenes «Nö», kann ich es selbst kaum glauben. Ich müsste die Stille mal aufzeichnen.
 

Wissen, was dem Körper guttut.
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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