Im «Labor» im Keller des Hauses stapeln sich Medikamentendosen und Tuben, die darauf warten, gefüllt zu werden. Rund 90 Tupperware-Behälter mit Pflanzenextrakten stehen herum, fein säuberlich von Hand beschriftet. Es gibt Verdickungsmittel und grosse Kanister mit einer dunklen Flüssigkeit. Was die Ermittler von Swissmedic im August 2019 bei einer Hausdurchsuchung bei einem pensionierten Arzt finden, lässt «auf eine Arzneimittelproduktion in grösserem Umfang schliessen».

So steht es im anonymisierten Strafbescheid der Arzneimittelbehörde, der kürzlich publiziert wurde. Swissmedic verknurrt darin den pensionierten Mediziner zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 50 Franken und zu einer Busse von 1500 Franken. Die Aufsichtsbehörde hält ihn für schuldig, gewerbsmässig Arzneimittel hergestellt, in Verkehr gebracht sowie ein- und ausgeführt zu haben – alles ohne die dazu erforderliche Bewilligung. 

Swissmedic drohte schon 2010

Es ist nicht das erste Mal, dass der Arzt mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Bereits 2010 war ihm Swissmedic auf die Schliche gekommen. Schon damals hatte der Mann ohne Bewilligung selber Medikamente hergestellt und an Patientinnen und Patienten abgegeben. 2010 verfügte Swissmedic, dass er diese Produktion unverzüglich einstellen müsse. Ohne Bewilligung dürfe er auch keine Medikamente ein- oder ausführen. Die Behörde drohte mit einer Busse von bis zu 50'000 Franken für den Fall, dass er es trotzdem tat.

Das macht Swissmedic

Das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes. Wenn eine Firma in der Schweiz ein Medikament auf den Markt bringen will, muss sie dafür genau vorgeschriebene klinische Tests durchführen, die von Swissmedic bewilligt werden müssen. Fallen diese Tests positiv aus, kann Swissmedic das Präparat zulassen. Als Aufsichtsbehörde ist Swissmedic danach auch für die Überwachung des Medikaments zuständig. 

Bei Verstössen gegen das Heilmittelgesetz – etwa bei einer illegalen Herstellung oder bei illegalen Medikamentenimporten – kann Swissmedic in einem sogenannten Verwaltungsstrafverfahren auch Bussen bis zu 50'000 Franken aussprechen.

Die Drohung machte dem Arzt offensichtlich wenig Eindruck. 2018 meldete sich das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bei Swissmedic: Man habe Kenntnis von einem selbst zubereiteten Medikament, das vom erwähnten Arzt aus der Schweiz nach Deutschland gebracht und von dort an Kundinnen und Kunden aus Deutschland und Österreich verschickt worden war. 

Swissmedic nahm die Spur des Mannes wieder auf – und entdeckte im Verlauf der Ermittlungen neben der Produktionsanlage im Keller auch eine Website, auf der Medikamente «aus unserem Haus» angeboten wurden. 

Medikamente gegen Insektenstiche und Krebs

In diesem Onlineshop gab es für jeden und jede etwas: ein Medikament gegen chronisches Asthma bei Kindern («Nebenwirkungen: keine bekannt»), eine «erfolgversprechende Alternativtherapie bei Krebserkrankungen» («stärkt das Immunsystem, gut verträglich»), ein Mittel gegen Herpes, Hautentzündungen und Insektenstiche und sogar ein Schlankheitsmittel. 

Mit der Produktion in seinem Kellerlabor und dem Verkauf der Medikamente verstiess der pensionierte Arzt gleich mehrfach gegen das Heilmittelgesetz. So ist es etwa verboten, Arzneimittel ohne Bewilligung herzustellen und in Verkehr zu bringen. Ebenso wenig ist es erlaubt, für nicht zugelassene Mittel zu werben und Heilsversprechen abzugeben. Laut Strafbefehl handelt es sich bei den vom Arzt hergestellten Mitteln jedoch «ausnahmslos um Arzneimittel, welche in der Schweiz […] weder national noch kantonal in Verkehr gebracht werden dürfen». 

Dass der Arzt die Medikamente tatsächlich verkaufte, belegen rund 400 Patientenrechnungen aus den Jahren 2012 bis 2019, die die Ermittler bei ihm fanden. Im Verlauf ihrer Untersuchung fielen ihnen zudem Dokumente in die Hände, wonach der Arzt auch illegal Medikamente ein- und ausgeführt hatte. Für Swissmedic ist klar: All dies geschah «gewerbsmässig und direkt-vorsätzlich». 

Allerdings könne dem Mann nicht nachgewiesen werden, dass er damit konkret Menschen gefährdet habe, schreibt die Behörde im Strafbefehl. Aufgrund der Anpreisungen der Medikamente sei jedoch «nicht ausgeschlossen, dass einzelne Personen auf eine (wirksamere) Behandlung verzichteten oder sich davon abhalten liessen, frühzeitig einen Arzt zu besuchen».