Beinahe wäre Jutta Knapp-Steffen übers Ohr gehauen worden. Die 70-Jährige hört seit einer Weile weniger gut. Im Februar stösst sie auf ein Inserat im «Tages-Anzeiger»: «Testen Sie die KOJ-Gehörtherapie im Wert von 250 Franken unverbindlich und kostenfrei». Zur Therapie gehört ein Lerncomputer, den man eine Woche lang zu Hause testen soll.

«Es begann schon mühsam», erinnert sich die Schaffhauserin. Der Termin für die Übergabe wird nur zwei Stunden vor dem Treffen verschoben. Also erscheint sie am 20. März in der Winterthurer Filiale und unterschreibt einen Vertrag. Zurückbringen soll sie den Computer acht Tage später. «Am 27. März hatte ich Pläne. Es wurde mir aber versichert, dass der Zusatztag nichts kostet.»

Weil der zuständige Mitarbeiter krank ist, wird auch dieser Termin verschoben. Knapp-Steffen schlägt zwei neue Daten in derselben Woche vor, die das Institut ablehnt: «Wir können nicht sicher sein, dass er bis dahin wieder arbeitsfähig ist.» Die Schlussbesprechung am 3. April verläuft unkompliziert, kurz darauf erhält die 70-Jährige aber eine Rechnung: 250 Franken für den Zeitraum vom 20. März bis 3. April.

Ein Fehler, ist Knapp-Steffen überzeugt. Sie hatte den Computer zwar 15 Tage lang zu Hause und auch benutzt. «Aber nur, weil der Rückgabetermin verschoben wurde. Dafür kann ich nichts!» Am Telefon zeigt das Institut kein Verständnis, schriftlich argumentierte es sogar, der Gutschein sei nur bis zum 24. März gültig gewesen. Die Kosten seien deshalb noch höher als anfänglich berechnet: 750 Franken für drei angebrochene Wochen. «Sie hätten den Lerncomputer jederzeit zu den Öffnungszeiten retournieren können», heisst es. Genau das hatte sie dem Unternehmen ja angeboten, wurde aber abgewimmelt.

Zuletzt will ihr KOJ «des Friedens willen» entgegenkommen und schlägt einen Betrag von 200 Franken vor – «sofern Sie dies heute annehmen». Andernfalls werde sie betrieben.

Unverhältnismässige Betreibungsgebühren

Wieder wehrt sich Jutta Knapp-Steffen, diesmal per A-Post Plus. Nur zwei Tage später – vier Tage nach Erhalt der Rechnung – erhält sie die Betreibung: Darin werden zwar nicht 750 Franken gefordert, aber doch 250 Franken plus 300 Franken «Betreibungsgebühr». Sie erhebt Rechtsvorschlag und wendet sich vor der Schlichtungsverhandlung ans Beratungszentrum des Beobachters.

Beobachter-Rechtsberaterin Nicole Müller findet das Vorgehen von KOJ nicht professionell. «Die Probewoche ist ausdrücklich gratis – warum müssen Kundinnen dann einen ‹Nutzungsvertrag› mit hohen Kosten unterschreiben?» So rasch zu betreiben, sei zwar nicht verboten, aber auch nicht üblich. Zudem war die Firma selbst schuld an der späten Rückgabe – dann könne sie sicher nichts dafür fordern. «Und die sogenannten Betreibungsgebühren von 300 Franken sind völlig überrissen», sagt Müller. Die Betreibung für einen Betrag von 250 Franken koste nur Fr. 33.30. Die übrigen fast 270 Franken lassen sich mit dem Aufwand nicht begründen. Da helfe auch nichts, dass der Betrag im Vertrag steht.

Auch bei der Schlichtungsbehörde hinterlässt KOJ keinen guten Eindruck bei Knapp-Steffen. «Der Vertreter kam zu spät und wirkte unvorbereitet.» Die Friedensrichterin stützt die Beklagte in ihren Punkten. Daraufhin zieht der Vertreter die Forderungen zurück.

Vorsicht bei «kostenlosen und unverbindlichen» Inseraten

«In diesem Fall sind verschiedene Punkte leider nicht so gelaufen, wie unsere Prozesse dies vorsehen», schreibt Regionalleiter Daniel Reining auf Anfrage. Eigentlich sei vor einer Betreibung ein persönlicher Kontakt mit der Kundin vorgesehen. «Warum dies nicht passiert ist, wird derzeit aufgearbeitet.» Nur: Es ist passiert – mehrfach. Man habe sich entschuldigt und ein kostenloses Training angeboten, beteuert KOJ. Jutta Knapp-Steffen widerspricht: Sie habe davon nichts gehört. Zur Höhe der Betreibungsgebühren will sich die Firma nicht äussern.

Über Probleme mit «kostenlosen und unverbindlichen» Inseraten des KOJ-Instituts berichtete vor drei Jahren schon der K-Tipp. Auch Pro Audito, die Non-Profit-Organisation für Menschen mit Schwerhörigkeit, vermutet ein Vorgehen mit System: «Immer wieder beschweren sich KOJ-Kundinnen und Kunden bei uns über unlautere Methoden.»

Rechtsexpertin Nicole Müller empfiehlt, auch bei Gratisleistungen vorsichtig zu sein: «Unterschreiben Sie besser keine Verträge, in denen eine Zahlungspflicht steht. Und bezahlen Sie keine Rechnungen!»