Wann haben Sie zum letzten Mal einen 28 Seiten langen Text gelesen? Und haben Sie ihn auch verstanden? 28 A4-Seiten, das ist in ausgedruckter Form die Länge der aktuellen Version der Datenschutzerklärung auf Beobachter.ch. Und wer im Abschnitt «Online-Tracking und Online-Werbetechniken» auf den Link klickt, bekommt noch einmal eine deutlich ausführlichere Portion an Datenschutzbestimmungen: von mehreren Dutzend Firmen, deren Tracker der Beobachter einsetzt, um das Verhalten seiner Nutzerinnen und Nutzer zu analysieren.

Gut möglich, dass wir deshalb ebenfalls unser Fett abgekriegt hätten, wenn es den Beobachter auch auf Französisch gäbe. Denn die welsche Konsumentenschutzorganisation Fédération romande des consommateurs (FRC) hat zusammen mit einem spezialisierten Labor in einem aufwendigen Experiment untersucht, wie intensiv häufig genutzte Apps und Websites ihre Nutzerinnen und Nutzer tracken, sprich: deren Surfverhalten aufzeichnen, auswerten und die Daten weiterreichen. 

Wenn wir beim Beobachter Tracker einsetzen, dann hat das zwei Hauptgründe: Wir wollen wissen, welche Inhalte bei unseren Leserinnen und Lesern auf Interesse stossen und welche nicht. Und ja, wir wollen den Firmen, die bei uns online Werbung schalten, ein attraktives Umfeld bieten. Denn damit verdienen wir letztlich unser Geld, wenn auch die Einnahmen aus Printwerbung und vor allem Abonnements viel wichtiger und bedeutender sind. Selbstkritisch müssen wir jedoch sagen: Die Chance, dass sich jemand bis zum Ende durch diese juristisch-technischen Textwüsten hindurchquält, ist wohl sehr nahe bei null.

Fast 1000 Tracker

Für den Versuch der Konsumentenschützer installierten 13 Personen auf ihrem Handy eine App, die registriert, welche Tracker bei der Nutzung einer App Daten aufzeichnen. Anschliessend surften sie 20 Minuten lang auf frei gewählten Websites und nutzten ihre Lieblings-Apps. Bei der Auswertung der Aufzeichnungen zeigte sich: Allein in den 20 Minuten waren insgesamt 917 Tracker auf den Handys aktiv. Sie zeichneten jeden Klick auf, registrierten, wo die Handybesitzer verweilen und auf welchen Seiten oder Apps sie weitersurften.

Doch an wen gehen alle diese gesammelten Daten? Ein zentrales Fazit der FRC aus dem Versuch: Fast alle Wege führen zu Google (respektive dem Mutterkonzern Alphabet) und Facebook. Die beiden Internetgiganten erzielen rund 90 Prozent ihres Umsatzes mit Werbung. Die von Google und Facebook generierten Nutzerdaten werden aufbereitet und weiterverkauft. Damit können Werbetreibende zum Beispiel bestimmte Zielgruppen ansprechen. 

Neben Google und Facebook gibt es jedoch zahlreiche andere Firmen, die Informationen über Nutzerinnen und Nutzer von Websites sammeln, zusammenführen, aufbereiten und weiterverkaufen. Ausnahmslos alle im Versuch von FRC benutzten Apps sendeten Trackingdaten an Drittfirmen: «Diese Unternehmen haben keine direkte Verbindung zu den Nutzern, verfügen aber über Datenbanken mit Informationen über Millionen Menschen», schreibt die FRC. Darunter sei mindestens eine Firma, die wegen ihrer Methoden verurteilt worden sei, schreibt FRC: Die Firma Criteo wurde im Juni von der französischen Datenschutzbehörde zu einer Strafe von 40 Millionen Euro verdonnert. Die Firma ist auf sogenannte Retargeting-Werbung spezialisiert, sprich, Werbeeinblendungen, die genau auf das Nutzerverhalten zugeschnitten sind. Criteo hatte laut dem Urteil nicht überprüft, ob Personen, deren Daten weiterverarbeitet worden waren, dieser Nutzung zugestimmt hatten. 

Kritik an Medienhäusern – und den SBB

Die FRC kritisiert neben verschiedenen welschen Medienhäusern insbesondere auch die SBB. Deren App sammle Daten, «die nichts mit der eigentlichen Aufgabe der SBB zu tun haben». So sammelt die App unter anderem sogenannte Profildaten (Alter, Ort und Geschlecht), aber auch Ort, Datum und Uhrzeit der Abreise und der Ankunft, die Art des Abonnements oder ob jemand in der 1. oder der 2. Klasse reist. Bei ihrer Auswertung stellte die FRC zudem fest, dass die SBB mit der Datensammelfirma Adform zusammenarbeiten. 

Aufgrund des Experiments fordert die FRC die Unternehmen auf, keine Daten mehr zu sammeln, die nichts mit dem eigenen Geschäftsmodell zu tun haben. Zudem sollen die Konsumentinnen und Konsumenten proaktiv über die gesammelten Daten informiert werden. Und nur weil man technisch in der Lage sei, Daten zu sammeln, bedeutet das nicht, dass man Konsumentinnen und Konsumenten überwachen soll. 

Und was heisst das für Sie als Leserin oder Leser von Beobachter.ch? Im Hinblick auf das neue Datenschutzgesetz, das am 1. September in Kraft getreten ist, haben wir unsere Bestimmungen überarbeitet und präzisiert. Das Resultat ist – siehe oben – in ausgedruckter Form 28DatensammelfirmaA4-Seiten lang. Wenn Sie unter dem Punkt «Online-Tracking und Online-Werbetechniken» auf die Einstellungsmöglichkeiten klicken, haben Sie es jedoch in der Hand, unliebsame Tracker auf unserer Website auszuschalten. Das können wir Ihnen bieten – selbst wenn wir gern wissen möchten, welche unserer Texte Sie mehr und welche Sie weniger interessieren.