Der Abstimmungskampf um die 13. AHV-Rente ist zu einer Zahlenschlacht geworden. Die «NZZ am Sonntag» titelte kürzlich: «Die Mär von den armen Rentnern – selbst im Ruhestand wächst ihr Vermögen weiter». Im «Sonntagsblick» sagte hingegen SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer: «Ich bekomme Mails von Grosseltern, die sich einen Zoobesuch mit den Enkeln nicht mehr leisten können.»

Die Frage ist also: Wie gut geht es den Rentnerinnen und Rentnern tatsächlich?

Ein Blick in die Pensionskassenstatistik des Bundes zeigt Erstaunliches. Erstens: Die Frühpensionierung ist ein Privileg, das sich fast nur Grossverdienerinnen und Grossverdiener leisten. Nur wer sehr viel Geld in der Pensionskasse angespart hat, vollzieht diesen Schritt freiwillig. Das Resultat: Männer, die bereits mit 60 in Rente gehen, erhalten im Durchschnitt eine Rente von 4018 Franken pro Monat. Das sind pro Monat 1804 Franken mehr, als jene erhalten, die bis 65 arbeiten. 

Bei den Frauen sind die Unterschiede nicht ganz so gross. Aber auch hier erhalten jene mehr, die bereits mit 60 aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Der Unterschied beträgt 568 Franken pro Monat. Auffällig ist zudem, dass das Rentenniveau bei den Frauen viel tiefer ist (siehe Grafik). Das hat vor allem mit der verbreiteten Teilzeitarbeit zu tun.

Zweitens: Die durchschnittliche Altersrente aus der Pensionskasse schrumpft laufend. Mit jedem Jahr erhalten die Neupensionierten weniger. Bei Männern sinkt die Rente jährlich um 1,6 Prozent, wie das Bundesamt für Sozialversicherung auf Anfrage sagt. Dieser Durchschnittswert bezieht sich auf die Jahre 2015 bis 2021. Die Pensionskassen-Rente ist in diesem Zeitraum von 2864 Franken auf 2601 Franken gesunken. Bei den Frauen schrumpfen die Renten zwar jedes Jahr nur um 0,1 Prozent. Doch das bedeutet auch, dass die Frauen-Renten auf sehr tiefem Niveau bleiben (siehe Grafik).

Dieser Fakt ist für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund ein Grund, die Initiative für eine 13. AHV-Rente anzunehmen. Weil die Pensionskassen-Renten gesunken seien, müssten die AHV-Renten steigen. 

Der Gewerkschaftsbund malt ein düsteres Bild: «Die mittlere Pensionskassen-Rente sinkt und sinkt. Sie ist heute pro Monat 300 Franken tiefer als vor 15 Jahren. Und das, obwohl die Schweiz reicher geworden ist. Das entspricht einem realen Verlust von 3600 Franken pro Jahr», heisst es im Argumentarium der Initianten. 

Sind die Pensionskassen-Renten zwischen 2007 und 2022 tatsächlich so stark gesunken? Das Bundesamt für Sozialversicherungen sagt, es könne die Berechnung der Gewerkschaften «nicht nachvollziehen». Der Trick des Gewerkschaftsbunds besteht darin, dass er die Renten kaufkraftbereinigt. Der Beobachter hat nachgerechnet und kommt mit dieser Berechnungsmethode auf dasselbe Ergebnis.

Doch ist es zulässig, die Teuerung einzubeziehen? 

Laut dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund ist das wichtig, weil die offizielle Pensionskassen-Statistik eine verzerrte Realität abbilde. «Die Renten der Pensionskassen werden in der Regel nicht an die Teuerung angepasst und verlieren deshalb laufend an Wert», sagt der Gewerkschaftsbund auf Nachfrage. Man habe deshalb in den Berechnungen den realen Kaufkraftverlust abgebildet. 

Viele verschmähen die Pensionskassen-Renten

Dass die Pensionskassen nicht mehr so gute Leistungen zahlen wie früher, ist kein Geheimnis. Immer mehr Leute lassen sich das Geld auszahlen, anstatt eine monatliche Rente zu beziehen. Wer es sich zutraut, legt das angesparte Alterskapital lieber selbst an. Aus einem einfachen Grund: Es kann sich lohnen.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen führt die steigende Zahl der Rentenverschmäher auf die Situation auf den Finanzmärkten zurück. «In Phasen starker Unsicherheit wird weniger Kapital bezogen, weil die Versicherten den ‹garantierten Ertrag› ihrer Vorsorgeeinrichtung vorziehen.» In Phasen tiefer Zinsen würden mehr Versicherte den Kapitalbezug wählen, in der Absicht, selber einen höheren Ertrag zu erwirtschaften. «Eine wichtige Rolle spielen auch Berater, Banken und andere Anbieter, die den Versicherten nahelegen, Kapital zu beziehen und anzulegen», sagt der Sprecher des Bundesamts. 

Ein Hauptgrund für diesen Trend ist der gesunkene Umwandlungssatz. Je tiefer er fällt, desto weniger Rente erhält man für sein Alterskapital in der Pensionskasse. Das Bundesamt für Sozialversicherung bezeichnet die sinkende Tendenz des Umwandlungssatzes als Folge der tiefen Zinsen. Doch es beruhigt und sagt: «Diese Entwicklung stabilisiert sich derzeit mit den steigenden Zinsen.»