Weihnachten ist – wie die Krankenkasse – obligatorisch. Das Fest der Liebe und der übermässigen Erwartungen begehen wir nicht aus Spass, sondern aus Solidarität. Für die Kleinsten, Schwächsten und Einsamsten unter uns.

Das ist ein schöner Gedanke, den ich unterstütze. Ich toleriere Weihnachten – von ganzem Herzen. Was ich nicht toleriere, ist das Ausmass, das die Festtage unterdessen angenommen haben. Fünf Wochen Stress für zehn Minuten Besinnlichkeit mit Tante Trudi stehen in keinem Verhältnis. Und es wird immer schlimmer. Die Festtage expandieren wie die Bäuche in der Altjahrswoche.

Unterstützt wird diese rechtlich zweifelhafte Festtagsexpansion durch den Klimawandel. Jetzt, da man die Jahreszeiten nicht mehr voneinander unterscheiden kann, lässt sich das Jahr nur noch in Weihnachtszeit und Pollenzeit unterteilen. Heisst: Die Nase läuft ab jetzt durchgehend.

Weihnachten bedeutet nichts mehr. Weder der religiöse Unterbau noch die heidnischen Wurzeln haben noch Relevanz. Das Fest ist zu einer profanen Tradition verkommen; einer Routine, die wir weiterbetreiben, ohne genau zu wissen, wieso. Einer Verpflichtung wie Militärdienst oder Dentalhygiene.

Auch die einzelnen Brauchtümer sind willkürlich. Statt einen Nadelbaum in die Stube zu schleppen und Lieder zu singen, könnten wir genauso gut einen Ficus auf den Tisch stellen und aus der Steuererklärung vorlesen.

Früher konnte man sich zumindest in den Konsum flüchten, aber selbst das funktioniert nicht mehr, denn die Bücherregale und Kleiderschränke sind alle voll.

Seit der Pandemie haben wir es uns nämlich angewöhnt, jeden Wunsch sofort zu erfüllen – via Homeshopping und Same-Day-Delivery.Statt eines Geschenks überreiche ich meinen Liebsten deshalb eine Karte mit dem Text: «Ein Buch wurde in Ihrem Namen gekauft, signiert, verpackt, ausgepackt, liegengelassen, verstaubt und dann fachgerecht entsorgt. Merry Christmas.»

Selbst unsere Tochter mag Halloween lieber als Weihnachten. Für sie dekorieren wir den Weihnachtsbaum deshalb mit Totenköpfen und Geistern. Wir verkleiden uns als Vampire, und die Verwandten kommen als betrunkene Zombies (wofür sie zum Glück kein Kostüm brauchen).

Aus all diesen Gründen habe ich auf Ende November nicht nur meine Krankenkasse, sondern auch mein Weihnachtsmodell gewechselt: Ich bin weg von der klassischen Grundbescherung mit Weihnachtsgans und habe mich für das Hausklausmodell Flexi-Fest entschieden.

Den Tannenbaum muss ich jetzt zwar selber schneiden, dafür konnte ich die Anzahl Weihnachtsessen von fünf auf drei reduzieren.

Weihnachten erhält von mir nur einen Stern, den ich auch gleich auf den Baum stecke: ★☆☆☆☆

Zur Person
Patrick «Karpi» Karpiczenko