Joe Hölzel steht in der Praxis seines Zürcher Diabetes-Arztes. Bevor man ihn behandle, müsse er eine Einwilligungserklärung unterschreiben, fordert man ihn beim Sekretariat auf. Hölzel, der eigentlich anders heisst, überfliegt das dicht Geschriebene. Von einer Weitergabe seiner Daten an Dritte ist die Rede. Er soll einwilligen, dass seine Daten gesetzmässig bearbeitet werden. Dem 44-Jährigen leuchtet das nicht ein. Das Gesetz gilt ja sowieso. Er will nichts unterschreiben, was darüber hinausgeht.

Auch der Arzt drängt zur Unterschrift. Es warten noch andere Patienten. Hölzel unterschreibt nicht – und steht wenige Minuten später auf der Strasse. Ohne Behandlung und ohne Arzt. 

Die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) kann das Vorgehen verstehen. Das neue Datenschutzgesetz, das seit dem 1. September 2023 in Kraft ist, aber auch die ärztliche Sorgfaltspflicht würden zwingend verlangen, dass die Praxen ihre Patientinnen und Patienten über die Bearbeitung und Weiterleitung von Daten informieren. Es brauche dafür eine ausdrückliche Einwilligung. Wer nicht unterschreibe, könne nicht gesetzeskonform behandelt werden respektive habe sein Einverständnis für die Weitergabe von Daten – etwa an die Krankenversicherung wegen der Rechnungsstellung – nicht erteilt. Es sei darum richtig gewesen, die Behandlung von der Einverständniserklärung abhängig zu machen. 

«Ich halte es für äusserst problematisch, wenn ein Arzt die Behandlung verweigert, weil ein Patient die Einwilligungserklärung nicht unterzeichnen möchte.»

Martin Steiger, Experte für Datenschutz

Datenschutzexperte Martin Steiger ist erstaunt: «Ich frage mich, wieso nun plötzlich eine solche Einwilligungserklärung notwendig sein soll. Allein für die Behandlung ist eine schriftliche Einwilligung jedenfalls nicht zwingend.»

Es sei sogar fraglich, ob die Einwilligung rechtskräftig sei, so Anwalt Steiger. Gemäss Gesetz kann man der Bearbeitung von Personendaten nur freiwillig gültig zustimmen. «Ich halte es für äusserst problematisch, wenn ein Arzt die Behandlung verweigert, weil ein Patient die Einwilligungserklärung nicht unterzeichnen möchte. Gerade wenn man vor einer Behandlung oder Untersuchung unterschreiben soll, ist Freiwilligkeit eine Illusion.» 

«Wir haben extrem viele Anfragen zu dem Thema»

Die AGZ will zu dieser Einschätzung des Datenschutzexperten keine Stellung nehmen. Auch nicht die FMH, die das Musterformular erstellt hat. Die AGZ verweist zudem auf ihre Ombudsstelle, an die sich Patientinnen und Patienten in einem solchen Fall wenden könnten und wo man nach einvernehmlichen Lösungen suche. Auch die Patientenorganisation SPO kennt das Problem: «Wir haben extrem viele Anfragen dazu.»

Auch beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten haben sich schon einige Patientinnen und Patienten gemeldet. «Das Datenschutzgesetz sieht zwar nicht vor, dass die Einwilligung schriftlich erteilt werden muss», heisst es dort. Die Schriftform diene aber zu Beweiszwecken. Datenschutzrechtlich habe sich mit dem neuen Formular nichts geändert. «Die Ärzte bearbeiten die Daten nicht anders als vorher.»

Wer die Einwilligungserklärung unterschreibt, muss nicht befürchten, dass seine Gesundheitsdaten nun beliebig an Versicherungen oder Arbeitgeber weitergeleitet werden. «Dafür bräuchte es gemäss der Erklärung ausdrücklich eine Einwilligung im Einzelfall», sagt Experte Steiger.

Das nützt Joe Hölzel wenig. Er sucht immer noch einen neuen Arzt.