Der ehemalige gambische Innenminister Ousman Sonko soll für Folter, Tötungen und Vergewaltigungen von Regierungsoppositionellen verantwortlich sein. Die Taten sollen unter der Diktatur des ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh stattgefunden haben.

Der Prozess gegen Sonko, von Medien als «Folterkommandant» bezeichnet, findet nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip in der Schweiz statt. Denn Sonko hat sich vor seiner Verhaftung hier aufgehalten. Die internationale Gemeinschaft sieht vor, dass besonders schlimme Straftaten von Gerichten auf der ganzen Welt verfolgt werden können. Das soll verhindern, dass Täter straflos bleiben. Für Sonko gilt die Unschuldsvermutung.

Hohe Erwartungen an das Bundesstrafgericht

«Die Erwartungen an das Bundesstrafgericht sind hoch», sagt Anwältin Nina Burri. Sie vertritt eine Privatklägerin vor dem Gericht. «Der Prozess wird auch stellvertretend für die gambische Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft geführt.» In Gambia bestehe ein grosses Interesse am Prozess. Doch nun wird Kritik am Bundesstrafgericht laut.

«Am ersten Tag des Prozesses konnten weder die Privatklägerinnen noch gambische Medienschaffende die wichtigen juristischen Diskussionen verstehen, die geführt wurden», sagt Benoit Meystre, Rechtsbeistand bei der NGO Trial International, zum Beobachter. Die NGO hat Strafanzeige gegen Sonko eingereicht, als bekannt wurde, dass er sich in der Schweiz aufhält.

«Wir warten schon lange»

Der Prozess ist für Gambia historisch: Wie ein Privatkläger laut einer Medienmitteilung von Trial International sagt, erhoffe er sich, dass damit Verantwortliche für die Übergriffe unter dem Jammeh-Regime endlich zur Verantwortung gezogen werden. Der Prozess bringe den Abschluss, auf den die Opfer schon lange warten.

Das Bundesstrafgericht hat allerdings die Einvernahme von Nina Burris Mandantin abgelehnt. Burri bedauert das sehr.

«Meine Mandantin hätte gern alle Befragungen verfolgt und stellvertretend für ihren Vater das Wort ergriffen, der unter brutalster Folter verstarb.» Sie kann nun aber nicht an der ganzen Hauptverhandlung teilnehmen. Denn Geld wird nur gesprochen, wenn jemand einvernommen wird. Ohne Kostenübernahme könne sich die Mandantin den Aufenthalt in der Schweiz nicht leisten.

«Gerichte im anderen Ländern haben sich flexibler gezeigt» 

Benoit Meystre von Trial International sagt, seine Organisation habe beim Gericht beantragt, dass das ganze Verfahren übersetzt würde. «Das Gericht hat sich dagegen entschieden, das bedauern wir zutiefst.» Auch Burri bedauert das: «Es wäre wünschenswert, dass die gambische Öffentlichkeit und ausländische Medienschaffende den Prozess direkt verfolgen können.»

Auch bei der Vergütung von Kosten für den Aufenthalt in der Schweiz während des Prozesses zeigt man sich von der sparsamen Seite. Zwei Tage vor der Befragung bis einen Tag danach können die Privatklägerinnen, die auch vor Gericht aussagen, auf Kosten der Schweiz in Bellinzona bleiben. Den Rest müssen sie selbst bezahlen. Besonders bei Personen, die mittellos sind, ist das rechtlich fragwürdig: «Durch die komplette Weigerung der Kostenübernahme wird meiner Mandantin das Teilnahmerecht, das ihr laut Gesetz zusteht, faktisch verweigert.»

«Wesentliches wird übersetzt»

Wie sieht man das in Bellinzona? Estelle de Luze, stellvertretende Generalsekretärin beim Bundesstrafgericht, sagt: «Die Verfahrenssprache wird von der Bundesanwaltschaft bestimmt.» Diese wiederum ist an das Gesetz gebunden – nur Deutsch, Italienisch oder Französisch stehen zur Auswahl. Für eine vollständige Übersetzung sämtlicher Verfahrenshandlungen fehle eine gesetzliche Grundlage. Wesentliches würde aber übersetzt.

Und was die Kosten für den Aufenthalt betrifft, so ist das Bundesstrafgericht der Meinung, dass das Teilnahmerecht gewährleistet sei. «Sämtliche Privatklägerinnen sind unentgeltlich anwaltlich vertreten», so de Luze. So hätten sie die Möglichkeit, ihre Verfahrensrechte durch die anwaltliche Vertretung auszuüben. Ausgaben im Zusammenhang mit den Einvernahmen übernehme die Strafkammer. Wer aber länger anwesend sein wolle, müsse das selbst bezahlen. «Für die Übernahme solcher Kosten gibt es keine gesetzliche Grundlage.»

«Gerichte in anderen Ländern haben sich in diesem Punkt flexibler gezeigt», sagt Anwältin Burri. «In einem deutschen Verfahren wegen Folter in Syrien wurde syrischen Medienschaffenden beispielsweise ermöglicht, den Prozess auf Arabisch zu verfolgen.»

Müssen, dürfen, sollen – was gilt?

Daniel Leiser, Rechtsexperte beim Beobachter, erklärt: «Theoretisch stünde es dem Gericht frei, das gesamte Verfahren übersetzen zu lassen, sodass alle Anwesenden dessen Erwägungen nachvollziehen könnten.» Das sei wichtig, denn nach dem Öffentlichkeitsgrundsatz soll das Handeln der staatlichen Behörden für alle nachvollziehbar sein. 

Doch ein Punkt sei nicht zu vergessen: «Das Gericht muss primär Recht sprechen und ist dabei ans geltende Prozessrecht gebunden.» Es sei vielmehr an der Politik, hier die Initiative zu ergreifen: «Sie müsste das Gesetz so anpassen, dass Übersetzungen zwingend sind und die Anwesenheit bei solchen Verhandlungen gewährleistet ist», so Leiser.

Der Fall Sonko dürfte nicht der letzte Prozess nach Weltrechtsprinzip sein, dessen sich die Schweiz annimmt. In solchen Fällen übernimmt die Schweiz die Strafverfolgung stellvertretend für andere Länder. 

Wenn die Teilnahmerechte der Opfer eingeschränkt würden, sie den Prozess nicht verstünden und im Ursprungsland kaum darüber berichtet werde, ist das laut Anwältin Nina Burri stossend. Denn: «Für wen, wenn nicht für die Opfer, werden solche Prozesse überhaupt durchgeführt?»