Können auch Männer aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden? Ja, sagte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2022 im Fall des Witwers Max Beeler.

Beelers Witwerrente erlosch, als seine jüngste Tochter volljährig wurde. Als Frau hätte er die Rente unbefristet weiter erhalten. Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) sah für hinterbliebene Ehemänner andere Regeln vor als für Frauen. Der EGMR ordnete deshalb an, die Schweiz müsse die AHV-Gesetzgebung anpassen.

2022 bestimmte das Bundesamt für Sozialversicherungen deshalb zunächst eine Übergangsregelung. Nach dieser erhalten Witwer – genauso wie Witwen – aktuell unbefristete Renten. Das soll aber nicht so bleiben. Der Bund nutzt die Gelegenheit nun, um zu sparen.

Jetzt soll gespart werden

Der Bundesrat schickte im Dezember eine Teilrevision des AHV-Gesetzes in die Vernehmlassung. Nach dem neuen Gesetz sollen Männer und Frauen zwar gleichbehandelt werden, jedoch gibt es für beide Geschlechter eine Verschlechterung der Leistungen: Beide erhalten nur noch bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Hinterlassenenrente, unabhängig vom Zivilstand. Neu erhalten Verheiratete oder Geschiedene, die keine Kinder haben, während zweier Jahre eine Übergangsrente. Anstatt also die Männer gleichauf mit den Frauen zu stellen, werden alle beide heruntergestuft. 

Ist das nicht knausrig? Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verweist auf die Medienmitteilung des Bundesrats. Mit der Revisionsvorlage wolle man die Ungleichbehandlung auf sozialverträgliche Weise korrigieren. Es sei mit rund 720 Millionen Franken Einsparungen in der AHV zu rechnen. Das bestehende System der Witwenrenten entspräche nicht mehr der heutigen gesellschaftlichen Realität. Weitere Fragen des Beobachters wollte das BSV nicht beantworten.

EGMR ist dagegen

Als der EGMR über die Frage der Ungleichbehandlung geurteilt hat, hat sich das Gericht von einer solchen Lösung explizit distanziert. Im Urteil betonte es, der Richterspruch solle die Schweizer Regierung nicht ermutigen, die Rente von Frauen zu reduzieren, um die Ungleichbehandlung zu korrigieren. 

Ob die Witwenrente wirklich gekürzt wird, ist unklar. Die Vernehmlassung dauert noch bis zum 29. März. Danach wird der Gesetzesentwurf ausgearbeitet und dem Parlament unterbreitet.