Vor 19 Jahren begann ich mit dem Krafttraining gegen den Rückenschmerz – und ich habe über die Jahre wohl alle Fehler gemacht, die dabei möglich sind. Angefangen hatte ich, weil ich beim Einstieg in den Beruf sehr viel sass und mich wenig bewegte. Stechende Rückenschmerzen in der Lendenwirbelsäule waren die Folge.

Ein Orthopäde, den ich daraufhin konsultierte, sagte mir: «Ihre Rückenmuskeln sind quasi nicht vorhanden.» Also begann ich zu trainieren – bei der Fitnesskette mit dem vielversprechenden Slogan: «Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz.»

Ich bekam ein Programm für den gesamten Körper, das mir schnell guttat. Ich war nach dem Training gut gelaunt und hatte auch das Gefühl, dass meine Muskeln etwas stärker wurden.

«Ich spulte das Krafttraining geistig abwesend ab.»

Frederik Jötten, Journalist

Allerdings setzte ich oft aus. Denn wenn ich Rückenschmerzen hatte, trainierte ich nicht – und das war sehr oft der Fall. Trainingsfortschritte machte ich letztendlich kaum. «Die wichtigste Rückenübung ist diejenige, die man auch wirklich macht», sagt Hannu Luomajoki, Professor für Physiotherapie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Auch bei Schmerzen ist Aktivität immer besser als Schonung – man sollte höchstens eine Woche aussetzen mit dem Training, wenn keine organischen Schäden, wie etwa ein akuter Bandscheibenvorfall, vorliegen.»

Ein Physiotherapeut gab mir den Tipp, auch bei Schmerzen im Rücken weiterzutrainieren – ernsthafte Schäden an der Wirbelsäule waren bei mir vorher ausgeschlossen worden. Also liess ich mich nicht mehr abschrecken, manchmal humpelte ich ins Training – doch schlechter wurde mein Zustand dadurch tatsächlich nie.

Doch während mein Körper muskulöser und ich insgesamt vitaler wurde, hatte ich doch immer noch die gleichen stechenden Rückenschmerzen, die mir zeitweise jeden Schritt zur Qual machten.

Fünf Minuten Training pro Tag

Der starke Rücken kannte den Schmerz immer noch! Schliesslich wurde ich in einem spezialisierten Rückenzentrum vorstellig. Dort diagnostizierte man ein Defizit nicht in der oberflächlichen, sichtbaren, sondern in der tief liegenden Muskulatur. «Die tiefe Schicht der Rückenmuskulatur ist für die Wirbelsäule am wichtigsten», sagt Ingo Froböse, Professor für Prävention an der Deutschen Sporthochschule Köln. «Sind diese Muskeln zu schwach, verkanten sich Wirbelgelenke, verschieben sich Wirbelkörper und verrutschen Bandscheiben.»

Ich lernte unter Anleitung eines Physiotherapeuten, die tiefe Muskulatur anzuspannen, was gar nicht so einfach war. Frauen haben in der Regel über den Beckenboden ein besseres Gefühl dafür als Männer. «Eine gute Übung ist, im Vierfüsslerstand diagonal gleichzeitig einen Arm und ein Bein auszustrecken», sagt Hannu Luomajoki.

«Für das Training der tiefen Muskulatur ist es allerdings entscheidend, dabei den Bauchnabel nach innen zu ziehen und den Rumpf dadurch konstant waagrecht zu halten.» Das ist tatsächlich die Übung, die ich jeden Morgen mache, für nur fünf Minuten, aber das war anscheinend ein Durchbruch. Denn seit ich den Tag mit diesem Training beginne, habe ich die schlimmsten Rückenschmerzen kaum noch.

«Es ist wichtig, dass man Übungen korrekt ausführt und Muskeln konzentriert ansteuert.»

Hannu Luomajoki, Professor für Physiotherapie ZHAW

Für meine Gesundheit machte ich mit dem Krafttraining im Fitnessstudio trotzdem weiter – bis zum Shutdown. In der Zwangspause merkte ich plötzlich, dass auch die Rückenschmerzen, die in den vergangenen Jahren geblieben waren, verschwunden waren. Offensichtlich waren sie durch meinen bislang letzten Fehler des Krafttrainings verursacht worden: hirnloses Gewichtestemmen.

Jahrelang war ich vor allem darauf bedacht gewesen, die Anzahl der Kilos zu erhöhen, die ich bewegte. Sonst passierte ja nichts im Training. Um den Stumpfsinn abzumildern, hörte ich Podcasts. Ich spulte mein Programm also geistig abwesend ab. Genau das könne problematisch sein, sagt Luomajoki. «Es ist wichtig, dass man Übungen korrekt ausführt und Muskeln konzentriert ansteuert.»

Ich dagegen erhöhte das Gewicht und achtete dabei nur wenig auf die Ausführungen. Muskelverspannungen waren die Folge. Nichts Dramatisches, aber manchmal ging ich deswegen dann doch in die Physio.

Vielseitig bewegen

Das reine Krafttraining sei einseitig, sagt Luomajoki. Er sehe öfter Patienten, die dadurch sehr steif seien, weil die Dehnung fehle. Oft herrsche ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Ältere Herren, die Krafttraining machten, seien oft etwas steif, sie sollten ihren Körper mehr dehnen.

Frauen unter 50 seien dagegen oft etwas zu beweglich, was auch zu Rückenschmerzen führen könne, und hätten oft gleichzeitig ein Kraftdefizit. Für sie sei deshalb ein Krafttraining besonders wichtig. Ein Sport, der beides gut verbinde, sei Pilates. «Auch Spazieren oder Wandern ist gut», sagt Luomajoki. «Und wer gewohnt ist, zu joggen, kann auch das bedenkenlos tun.» Wenn man Rückenschmerzen vermeiden möchte, solle man darauf achten, seinen Körper vielseitig zu bewegen.

Für mich bedeutet das: Ich jogge, mache die Rückenübung, ein bisschen Yoga und Krafttraining ohne zusätzliche Gewichte. «Mit dem eigenen Körpergewicht kann man ein effektives Krafttraining machen», sagt Luomajoki. Selten habe ich noch Rückenschmerzen – und wenn doch, bekomme ich sie durch Dehnung in den Griff. Beim Physiotherapeuten war ich lange nicht mehr.

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