DNA an der Kleidung, Kratzer am Gesäss oder Körperflüssigkeiten im Genitalbereich: Ein sexueller Übergriff hinterlässt Spuren. Wer Opfer einer Gewalttat wurde, kann die Beweise sichern lassen. Wenn ein Vier-Augen-Delikt vor Gericht kommt, sind solche Spuren entscheidend.

Zuständig für die Spurensicherung sind die Spitäler. Wer Opfer eines sexuellen Übergriffs wird, kann sich in der Notfallstation melden und wird dann von einer speziell geschulten Fachperson forensisch untersucht.

Doch wie kann ein Spital eine umfassende Betreuung solcher Patientinnen und Patienten sicherstellen – bei Fachkräftemangel und finanziellen Engpässen? 

Um die Bedürfnisse der Betroffenen zu kennen, brauchen die Spitäler Daten. Doch eine schweizweite Übersicht zu Opfern sexueller Gewalt, die im Spital eintreffen, gibt es nicht. Es ist gar nicht möglich, diese Informationen zu sammeln und zu vergleichen. «Jedes Spital hat ein eigenes Dokumentationssystem», sagt Valeria Kägi, Präsidentin der Swiss Association Forensic Nursing. Forensic Nurses sind auf die Betreuung von Gewaltopfern und die Spurensicherung spezialisiert. Kägi sagt, dass es momentan nirgends Austausch der Daten zwischen den Spitälern gebe. 

Mehr sexuelle Übergriffe am Wochenende

Warum ein Austausch wichtig wäre, zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Unispitäler Lausanne und Genf. Forschende kategorisierten 740 gemeldete sexuelle Übergriffe aus den Jahren 2018 bis 2021. Mithilfe der Ergebnisse wollen die Spitäler Risikofaktoren erkennen – etwa mangelnde Spurensicherung, weil geschultes Fachpersonal fehlt. Die Studie fand heraus, dass gut 45 Prozent der sexuellen Übergriffe am Wochenende begangen werden. Ein Drittel der Fälle darüber hinaus in den Sommermonaten. 

Eine Nachfrage am Institut für Rechtsmedizin der Uni Zürich zeigt ein anderes Bild. Im Einzugsgebiet des Instituts, das neun Kantone umfasst, konnten die Mitarbeitenden keine Häufung am Wochenende oder in den Sommermonaten erkennen. Anders als die Studie der Westschweizer Spitäler erfasst das Institut jedoch nur die Übergriffe, bei denen bereits bei der forensischen Untersuchung eine polizeiliche Anzeige vorliegt. 

Finanzielle Engpässe könnten zum Problem werden 

Ein nationales Register könnte Aufschluss geben, wie dieser Unterschied zustande kommt und ob er auch auf die restliche Deutschschweiz zutrifft. «Dafür müssten die Spitäler jedoch die gleichen Definitionen und Kategorien verwenden, um die Meldungen zu erstellen», sagt eine der Westschweizer Studienautorinnen, Sara Cottler-Casanova vom Universitätsspital Genf. Sie macht sich für eine einheitliche Registrierung der Gewaltopfer stark.

Forensic Nurse Valeria Kägi unterstützt ihr Anliegen: «Die Betreuung von Opfern sexueller Gewalt darf nicht an der Kantonsgrenze haltmachen.» Kägi betont jedoch, die Umsetzung sei schwierig: «Die Spitäler haben bereits jetzt mit finanziellen und personellen Engpässen zu kämpfen.» Vor der Einführung eines solchen Registers müsste geklärt werden, wie es finanziert und konkret umgesetzt werden könne.

Erste politische Bestrebungen sind im Gange. Im Frühling 2023 nahm nach dem Nationalrat auch der Ständerat eine Motion der SP-Nationalrätin Tamara Funiciello an, die Krisenzentren für Gewaltopfer fordert. Der Bund soll flächendeckend Krisenzentren mit verbindlichen Standards einrichten, und die Spitäler hätten dafür zu sorgen, dass die Beweise eines Gewaltdelikts richtig gesichert und aufbewahrt werden. 

Anlaufstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt

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