Regiolabels schiessen nur so aus dem Boden. Auch die Discounter haben «regional» als Verkaufsargument entdeckt. Neuerdings bezirzt Aldi Suisse mit «Saveurs Suisses» umweltbewusste Kundschaft: ein rotes Herz mit Schweizerkreuz auf einem supernatürlichen Holzlöffel. Auch Konkurrent Lidl kennzeichnet neu mit «Typisch» Produkte aus «typischen» Schweizer Regionen. 

Regional – das klingt nach Äpfeln aus Grosis Garten. Nach Rüebli vom Feld des Bauern am Ende der Strasse. Was kann falsch daran sein, regionale Produkte zu kaufen, um etwas für die Umwelt zu tun? 

Einiges. Denn regional sind auch die Tomaten aus dem Gewächshaus um die Ecke. Energieverbrauch unendlich. Nachhaltig? Fehlanzeige! Zum Mitschreiben: Regionalität hat erst mal nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. 

Nur wissen das die wenigsten. Regionalität ist ein Kaufargument. Produkte von hier – das wird schon das Beste sein für die Natur, für die Gesundheit. Und erst noch für den heimischen Markt. 83 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten glauben, dass regionale Produkte zu einer umweltschonenden Ernährung beitragen. Das zeigt eine Befragung des Bundes von Anfang 2023. 

«Reines Marketing»

Stimmt oft nicht – warnen Fachleute seit Jahren. «Reines Marketing» nannte der Konsumentenschutz gewisse Regiolabels. Und prangerte einen «Wildwuchs» an. Teils gebe es keine unabhängigen Kontrollen. Gewisse Supermarktketten wollten ihre Richtlinien nicht offenlegen. Damit seien deren Labels nicht aussagekräftig, die Anbieter ritten einfach auf der «Regional»-Welle mit.

Zudem würden die Regionen vieler Labels nicht klar definiert, was den Regiobegriff ad absurdum führt. Und der Umgang mit importierten Zutaten sei schwammig. So erlauben etliche Labels einen gewissen Anteil importierter Zutaten bei verarbeiteten Produkten. 

«Biohimbeeren aus Serbien sind ökologischer als Thurgauer Himbeeren aus konventionellem Anbau.»

Otmar Hofer, Agrarexperte

Und auch bei unverarbeiteten ist «regional» nicht immer besser. Der Agrarexperte Otmar Hofer wagte in der «NZZ» zuletzt die Aussage: «Biohimbeeren aus Serbien sind ökologischer als Thurgauer Himbeeren aus konventionellem Anbau.» Der kleinere ökologische Fussabdruck einer weniger intensiven landwirtschaftlichen Produktionsweise überwiege in der Regel die Umweltbelastung durch den Transport. 

Etliche Regiolabels verführen mit niedlichem Heidi-Image zum Kauf. Sie appellieren an das Pflichtbewusstsein der Kundschaft. Für den Handel bedeuten sie wohl deutlich höhere Margen. 

Es braucht einheitliche Kriterien

Man kann die Naivität bezüglich der irritierenden Labels niemandem vorwerfen. Woran soll man sich überhaupt orientieren? Man kann nicht stundenlang recherchieren, um sich für das beste Produkt zu entscheiden. Es gibt schlicht zu viele Labels. Statt noch mehr zu schaffen, sollten verwirrende und wertlose abgeschafft werden. 

Dafür braucht es Druck von Konsumentinnen und Konsumenten und Einsicht bei den Anbietern – sowie einheitliche Kriterien für Labels. Die müssen regelmässig und unabhängig kontrolliert werden, wie es zum Beispiel der Konsumentenschutz verlangt. Nur so lässt sich der Wildwuchs bei den Regiolabels stoppen. Bis dahin gibt es nur einen wirklich hilfreichen Tipp vor dem Einkaufsregal: wenn schon regional, dann bitte auch saisonal. Damit macht man für die Ökobilanz am wenigsten falsch.