Auch in Genossenschaften explodieren die Mieten. Aber nur im Kanton Zürich. Andere Kantone kennen dieses Problem nicht. 

Der Grund ist, dass der Kanton und die Stadt Zürich Gesetze erlassen haben, die es anderswo nicht gibt. Diese sollten eigentlich diejenigen Mieterinnen und Mieter schützen, die in günstigen Genossenschaften wohnen. Doch nun ermöglichen diese Gesetze steilere Mietzinsanstiege als im privaten Wohnungsmarkt – wo andere Regeln gelten.

450 Franken mehr Miete pro Monat

Die Zürcher Baugenossenschaft Frohheim hat die Mieten in der Siedlung Schwizerberg in Uster ZH um 30 Prozent angehoben, in der Siedlung Brüderhofweg in Zürich um 25 Prozent. Das berichtete die «NZZ am Sonntag». Eine Stadtzürcher Familie muss ab 1. April satte 450 Franken mehr Miete pro Monat zahlen für ihre Genossenschaftswohnung. Ihre Miete liegt neu bei über 3000 Franken – ohne Nebenkosten. 

Das Beispiel ist ein Extremfall. Doch auch andere Zürcher Genossenschaften wie etwa die ABZ erhöhen die Mieten um durchschnittlich 5 bis 8 Prozent. Auf die einzelnen Siedlungen und Wohnungen heruntergebrochen, kann es deutlich mehr sein. 

Mieterverband ruft zu Widerstand auf

Die betroffenen Genossenschafter in Zürich können sich zwar gegen Erhöhungen wehren. Allerdings nicht bei der Schlichtungsstelle oder beim Mietgericht wie alle anderen Mieter. Sondern bei jener Beschwerdeinstanz, die auf dem Formular zur Mietzinserhöhung angegeben wird. In der Stadt Zürich ist es die Fachstelle Gemeinnütziges Wohnen des Finanzdepartements. 

Aber auch Nachfragen bei der Verwaltung können helfen: «Genossenschafter und Genossenschafterinnen empfehlen wir, bei der Verwaltung die Berechnungsgrundlagen einzufordern», sagt Walter Angst vom Zürcher Mieterverband. «Auch Rekurse machen Sinn», sagt er. Die Beschwerdeinstanz müsse in erster Linie prüfen, ob die maximal zulässige Miete erreicht sei. «Sie kann auch die Rechnung der Genossenschaft anschauen und Hinweise geben, wie der Aufschlag reduziert oder gestaffelt werden kann.» Bevor die Mieten massiv erhöht würden, sollten die Vorstände der Genossenschaften prüfen, ob man auf Abschreibungen verzichten kann.

Angst appelliert an die Genossenschaften: «Starke Kostensteigerungen von mehr als 100 Franken sollten, wenn immer möglich, über mehrere Jahre gestaffelt an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden.» Allerdings sagt er auch: «Wenn Baukosten und Zinsen steigen, werden nur sehr gut wirtschaftende Genossenschaften auf solche Erhöhungen verzichten können.»

Indexierte Werte sind das Problem

Der Kern des Problems ist, dass in Zürich die Genossenschaften den Mietern höhere Betriebskosten verrechnen dürfen, wenn der Wert der Liegenschaft stark steigt. Die Genossenschaften dürfen dann automatisch höhere Betriebskosten verrechnen – selbst wenn die tatsächlichen Kosten kaum gestiegen sind. Steigt der Kostenindex der kantonalen Gebäudeversicherung, können die Mieten angehoben werden. Ein ähnlicher Automatismus greift bei den Kapitalkosten, die an den Referenzzinssatz gebunden sind. 

Da die zwei indexierten Werte in Zürich gleichzeitig stark angestiegen sind, dürfen die Genossenschaften nun stark aufschlagen. Allerdings nur wenn die zuständige Behörde die Mietzinsanstiege vorgängig bewilligt. «Unsere Fachstelle bewilligt die maximal erlaubte Erhöhung pro Wohnsiedlung», bestätigt eine Sprecherin der Stadt Zürich. Es liege aber in der Verantwortung der Genossenschaften, ob sie diese Erhöhung so umsetzen. Im Klartext: Weniger verlangen, als es das Gesetz erlaubt, geht immer. 

Spezialität der Mietzinshölle Zürich

Das Erstaunliche: Die massiven Erhöhungen für Genossenschaftswohnungen sind eine Spezialität der Mietzinshölle Zürich. Im Kanton Luzern gebe es dieses Problem nicht, sagt Daniel Gähwiler vom Luzerner Mieterverband. Preissprünge wie in Zürich erwarte er in Luzern nicht, da Luzern keine eigenen Gesetze zur Kostenmiete erlassen habe. «Die Luzerner Wohnbaugenossenschaften dürfen die Miete nur dann erhöhen, wenn ihre tatsächlichen Kosten steigen. Einen Automatismus wie in Zürich mit der Bindung an den Gebäudeversicherungswert existiert nicht.» So ist es auch in den Kantonen Aargau oder Bern.

Der Kanton Zürich sieht trotz den Problemen, die es nur in Zürich gibt, keinen Anlass für eine Gesetzesänderung. Das sagt der Sprecher der Zürcher Volkswirtschaftsdirektion. Der Grundsatz der Kostenmiete gelte nur bei einem sehr kleinen Teil aller Wohnungen im Kanton. Zudem gebe das Gesetz nur den höchstmöglichen Rahmen für eine Wohnungsmiete vor. Ob dieser Rahmen ausgeschöpft werde, liege im Ermessen der Genossenschaften. Die Zürcher Regelung sei zudem geeignet, den Werterhalt und die Deckung der Unterhaltskosten sicherzustellen.