Der Ständerat hat am Montag der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» zugestimmt. Nach zehn Jahren anstandslosem Aufenthalt sollen Ausländer nicht mehr weggewiesen werden können, nur weil sie Soziahilfe beziehen. Das ist ein wichtiger Entscheid. Damit gibt die kleine Kammer allen Menschen mit C-Ausweis ein fundamentales Stück Sicherheit zurück.

Früher besser geschützt 

Etwa ein Viertel aller Erwerbstätigen in der Schweiz hat keinen Schweizer Pass, zahlt aber munter Sozialabgaben ein. Das soziale Netz, das sie damit finanzieren, ist heute aber vor allem eine Absicherung für Schweizerinnen und Schweizer. Denn seit der Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) 2019 gelten neue Regeln für Ausländer: Wer einen C-Ausweis hat und Sozialhilfe bezieht, kann die Niederlassungsbewilligung verlieren. Auch wenn man hier geboren wurde, seit der Kindheit in der Schweiz lebt oder schon Jahrzehnte hier gearbeitet hat. 

Früher waren Menschen mit C-Ausweis besser geschützt. Zumindest wenn sie länger als 15 Jahre «ununterbrochen und ordnungsgemäss» in der Schweiz gelebt hatten. Sie mussten gravierende Straftaten begehen, um weggewiesen zu werden. Sozialhilfe beziehen allein war nicht Grund genug. 

2019 zog ihnen das Parlament diese soziale Absicherung unter den Füssen weg. Man wollte diejenigen Ausländer bestrafen können, die sich partout nicht integrieren wollen, schoss mit der Aufhebung der 15-jährigen Schutzzeit aber weit übers Ziel hinaus. Migrationsämter konnten jetzt einen C-Ausweis auf einen B-Ausweis zurückstufen, wenn gewisse Integrationskriterien nicht erfüllt waren, etwa die wirtschaftliche Selbständigkeit. Die Regeln sind seither aber widersprüchlich, weil die Niederlassungsbewilligung, also der C-Ausweis, eigentlich als unbeschränkt gilt.  

Verzicht auf Sozialhilfe aus Angst

Das verunsichert viele Ausländerinnen und Ausländer, zumal die Gefahr real ist: Bei Armut droht tatsächlich Wegweisung. Seit 2019 wurden schweizweit schon mehrere Hundert Personen von C auf B zurückgestuft. Wer den C-Ausweis verliert, droht auch kurz darauf den B-Ausweis zu verlieren, wenn man sich nicht innert kürzester Zeit aus den finanziellen Nöten befreien kann. Denn die Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) ist nur befristet gültig.

Darum leben einige lieber unter dem Existenzminimum, statt aufs Sozialamt zu gehen. Auch wenn sie Anspruch auf Unterstützung hätten . Ein sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung waren die langen Schlangen vor den Lebensmittelabgabestellen während der Pandemie. 

Der Nichtbezug von Sozialhilfe bleibt für die meisten unsichtbar – nimmt aber zu, wie eine Studie der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) letztes Jahr zeigte.

Noch ist das Ergebnis offen

Das darf nicht sein. Wer in der Schweiz heimisch ist, aber unverschuldet den Job verliert, einen Unfall hat oder einfach viel Pech, sollte nicht gleich aus dem Land geschmissen werden. Das ist nicht verhältnismässig, wie auch das Bundesgericht in einem Grundsatzentscheid Rückstufungen im Ausländerrecht Die Angst um den C-Ausweis festgehalten hat. 

Das Parlament tut gut daran, das soziale Netz für Ausländerinnen und Ausländer wieder etwas enger zu knüpfen. Noch können Menschen mit C-Ausweis nämlich nicht aufatmen – die konkrete Vorlage zur Änderung des Gesetzes muss erst ausgearbeitet und dann wiederum von beiden Räten abgesegnet werden.