Mehr Menschen denn je nutzen den ÖV – und zahlen nicht dafür. Ende 2023 waren im nationalen Schwarzfahrerregister fast eine Million Personen eingetragen, schreibt der «Tages-Anzeiger». Das ist ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung, wobei auch Touristinnen und Grenzgänger mit eingerechnet sind. Die Daten zeigen zudem: Zwei Drittel der Passagiere ohne Billett sind Wiederholungstäter.

Reisen ohne gültigen Fahrausweis, wie es die SBB nennen, hat also Hochkonjunktur. Das kommt die Transportbranche teuer zu stehen. Sie beziffert den Schaden durch die Einnahmeausfälle auf rund 100 Millionen Franken pro Jahr. Blechen müssen aber auch jene, die erwischt werden. Bei den SBB im ersten Fall 90 Franken, beim zweiten Mal 130. Wer nochmals erwischt wird, zahlt 160 Franken. Und bekommt in der Regel eine Strafanzeige obendrauf.

Was sind die Motive?

Die Sanktionen sind also happig, insbesondere für Wiederholungstäterinnen. Und trotzdem fahren viele ohne Billett. Wieso?

Für den Preisüberwacher Stefan Meierhans ist der Billettpreis ein Schlüsselkriterium für die ÖV-Nutzung. Ob er einen Einfluss auf die Zahl der Passagiere ohne Billett hat, könne er aufgrund mangelnder Daten nicht einschätzen. Grünen-Nationalrat Michael Töngi sagt, gerade für junge Leute brauche es günstigere Angebote, um die Einstiegshürden zu verringern.

Auch Sara Stalder, Geschäftsleiterin beim Konsumentenschutz, findet es überfällig, dass der ÖV Abolösungen anbietet, die für verschiedene Personengruppen lukrativ sind. «Einzelfahrten sind sehr teuer», sagt sie. 

Wieso Leute ohne Billett fahren und ob günstigere Preise ein Anreiz wären, das Billett zu kaufen, kann Susanna Wittwer Klingler nicht beantworten. Sie ist Kommunikationsverantwortliche bei Alliance Swisspass. «Wir interpretieren diese Zahlen nicht», sagt sie. Doch sie ist der Meinung, dass der ÖV in der Schweiz grundsätzlich für alle bezahlbar sei. «Das zeigt die grosse Zahl der Reisenden mit gültigem Billett.»

Für Armutsbetroffene ein Problem

Anderer Meinung ist Niels Jost, Mediensprecher bei Caritas Schweiz. Für Leute, die wenig Geld haben, sei der ÖV teuer. Insbesondere die steigenden Preise seien für Armutsbetroffene schlimm: «Wenn ein Billett anstatt 3 Franken neu 3.50 kostet, ist das für sie nach mehreren Fahrten spürbar.» Er warnt jedoch davor, eine Verbindung zwischen Armutsbetroffenen und Passagieren ohne Ticket zu machen. «Aber wenn ÖV-Billette für Menschen mit knappem Budget günstiger wären, würde das extrem helfen.»

Ob das Billett zu teuer ist oder nicht – unabhängig von dieser Frage sind Nationalrat Michael Töngi wie auch Sara Stalder vom Konsumentenschutz der Meinung, dass Fahren ohne gültigen Fahrausweis bekämpft werden müsse. Die Frage sei aber, wie das verfolgt werde: «Mehrere Hundert Franken Busse für ein fehlendes Kurzstreckenbillett finde ich fragwürdig», sagt Töngi.