Der Mensch entscheidet rational, die Tiere sind instinktgesteuert. Hartnäckig hält sich diese Meinung. 81 Prozent der Befragten haben in der Umfrage von BeobachterNatur Intuition jedenfalls dem Tierreich zugeschrieben. Doch denken und handeln Tiere tatsächlich intuitiver als wir?

Vorab: Der Begriff Intuition wird nur auf den Menschen angewandt. Bei Tieren sprechen Verhaltensbiologen eher von Instinktverhalten, was im Kern das Gleiche ist: Wenn Tiere ihren Instinkten folgen, handeln sie gefühlsmässig und ohne nachzudenken. Beispiele dafür sind uns allen bekannt. So fliegen viele Insekten instinktiv in Richtung Licht, wenn sie die Orientierung verloren haben. Jedes neugeborene Säugetier sucht sofort nach der mütterlichen Zitze. Und vielen Vögeln ist die arteigene Gesangsstrophe in die Wiege gelegt. <

Partnerinhalte
 
 
 
 

Solche Beobachtungen verleiteten Wissenschaftler über Jahrhunderte dazu, Tiere als genetisch gesteuerte «Maschinen» zu betrachten, die immer gleich handeln. In den letzten Jahrzehnten wurde jedoch immer klarer, dass dieses Bild nicht länger aufrechterhalten werden kann. Erstens vermögen die Tiere die genetisch vorgegebenen Verhaltensweisen wie der Mensch durch Lernerfahrungen zu verfeinern und zu verändern. Zweitens sprechen Biologen heute vielen Tieren eine Intelligenz zu, die weit über das Instinktive hinausgeht. «Wir wissen, dass viele Tierarten ein ausgeprägtes Lernverhalten haben – und wir kennen Arten, die dank hochentwickelten kognitiven Fähigkeiten komplexe Probleme lösen», sagt Barbara König, Professorin am Zoologischen Institut der Universität Zürich. Insbesondere Menschenaffen verblüffen mit ihrer geistigen Flexibilität. Auch Tintenfische gelten als Intelligenzler – sie öffnen Schraubverschlüsse, um an Nahrung zu kommen, und finden sich in Labyrinthen gut zurecht. Und auch Rabenvögel und Meeressäuger können komplexe Aufgaben lösen.

Indizien für Bewusstsein

Gewisse Tiere sind sogar fähig zu planen. Buschhäher vergraben Vorräte: lang haltbare, aber auch leicht verderbliche, denn Letztere sind nahrhafter. Selbstverständlich graben sie die verderbliche Ware zuerst aus. Auch Schimpansen planen. Wenn sie sich ein Werkzeug machen, prüfen sie Zweige genau, befreien den gewählten von den Blättern und tragen ihn oft über weite Distanzen zu einem Termitenhaufen, wo sie ihn als «Insektenangel» benützen.

Barbara König geht aber noch weiter und spricht zumindest einigen Tieren auch ein Bewusstsein zu: «Es gibt mittlerweile eine Fülle von Daten, die diesen Schluss zulassen», sagt sie. Für den Philosophen John R. Searle ist dies sogar eine Gewissheit. «Die verrückte Ansicht von Descartes, dass Tiere kein Bewusstsein haben, ist vermessen», sagte er gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Vor allem Tiere, die sich im Spiegel erkennen, gelten für Forscher als Beweis dafür: Affen, aber auch Hunde, Delfine oder Elefanten.

Damit deutet alles darauf hin, dass viele Tiere nicht nur ihren Instinkten folgen, sondern auch bewusste Entscheide fällen können. Dies zweifelsfrei zu beweisen ist jedoch alles andere als einfach. Die Frage, ob Tiere intuitiver handeln als Menschen, wird die Forschung also noch lange beschäftig