Wenn ein Wald lichterloh brennt, sehe ich das in meinem Flugzeug von weitem: Graue Wattebausche ziehen erst dicht über den Boden und steigen dann kilometerweit in die Höhe. Den Brand von oben zu beobachten, ist eindrücklich. Wenn Wind aufkommt, schlagen die Flammen doppelt so hoch wie die Bäume in den Himmel.

Die Hitze spüre ich nicht, denn so nah fliege ich nie ran. Aber die Sicht wird trüb. Manchmal sehe ich nur noch fünf bis acht Kilometer weit, das ist grenzwertig. An klaren Tagen beträgt die Sicht bis zu 200 Kilometer. Unter fünf Kilometern fliegen wir nicht. Und der Rauch ist durchdringend. Wenn ich abends heimkomme, rieche ich, als hätte ich an einem Lagerfeuer gesessen.

Meist beginnt mein Arbeitstag um acht. Dann fliege ich Touristen zu Jagd- und Fischerhütten in der Wildnis, die oft hundert Kilometer von der nächsten Strasse entfernt und nur mit dem Wasserflugzeug erreichbar sind. Von denen gibt es hier einige.

Unsere Basis liegt am Tyhee Lake, rund 650 Kilometer nördlich von Vancouver. Weil wir sowieso in diese entlegenen Gebiete fliegen, arbeiten wir auch für die Feuerwehr. Wenn die Messgeräte des British Columbia Wildfire Service über Nacht neue Blitzeinschläge zeigen, schieben wir kurzfristig einen Beobachtungsflug zwischen die Charterflüge. Blitze lösen hier zwei Drittel aller Waldbrände aus.

Mückeneier machen das Fliegen gefährlich

Die Feuerwehr erstellt anhand der Blitzeinschläge eine Route und schickt uns Koordinaten per E-Mail. Meist bin ich auf diesen Kontrollflügen allein unterwegs, ab und zu kommt jemand vom Wildfire Service mit.

Bevor ich losfliege, kontrolliere ich den Ölstand der Cessna, überprüfe die Schwimmer auf Lecks, fülle die Tanks und entferne die Schutzhüllen am Flügel. Sogar Mückeneier in den Luftschlitzen wären gefährlich, weil dann die Geschwindigkeitsanzeige nicht mehr stimmt. 

Wenn erst ein einzelner Baum brennt, ist der Waldbrand aus der Luft schwer zu erkennen – gerade bei gleissendem Licht. Manchmal fliegt man daran vorbei und sieht es nicht. Darum ist es wichtig, immer auch einen Blick zurückzuwerfen. Dann ist das Licht anders – und plötzlich erkennt man das Feuer. Man entwickelt ein Auge dafür.

«In unserer Provinz ist die Fläche der halben Schweiz abgebrannt.»

Auch auf Touristenflügen entdecke ich manchmal einen Waldbrand, der noch nicht gemeldet wurde. Das funke ich der Feuerwehr auch durch. Ich melde die exakten Koordinaten, wie gross das Feuer ist, wie schnell es sich entwickelt und ob es eine Siedlung bedroht. 

In anderen Weltregionen fürchtet man sich vor Erdbeben oder Hurricanes, bei uns sind Waldbrände Naturgefahr Nummer eins und gehören zum Alltag. Mein Mann, meine beiden Kinder und ich hatten bisher Glück und waren noch nie persönlich betroffen. 

Oft werden Brände nicht mehr bekämpft

In unserer Provinz British Columbia steuern wir dieses Jahr mit fast 2000 Waldbränden leider auf einen neuen Rekord zu. Wir hatten sehr wenig Schnee, und seit Anfang Jahr hat es nie ausgiebig geregnet. Bisher ist hier eine Fläche so gross wie die halbe Schweiz abgebrannt. 

Klar, ich finde es schade, wenn Wald abbrennt. Aber wenn man vergleicht, wie viel es hier noch gibt, mache ich mir keine Sorgen – sofern keine Menschen gefährdet werden. Unsere Feuerzone deckt nur eine Ecke der Provinz British Columbia ab. Sie allein ist sechs Mal grösser als die Schweiz.

Abholzen ist schlimmer

In den Nachrichten sieht man immer nur den Teil, der abgebrannt ist. Viel schlimmer finde ich, wie die Wälder für Bergwerke abgeholzt und zerstört werden. Dagegen könnten wir Menschen etwas tun.

Wenn ein Waldbrand keine unmittelbare Bedrohung für eine Siedlung ist, wird das Feuer hier nicht mehr bekämpft. Man hat erkannt, dass Wildfires zur Natur gehören und für die Regeneration des Waldes gut sind – auch für die Tierpopulation.

Wenn ich ein neues Feuer draussen in der Natur entdecke und der Brand nicht stark wütet, versuche ich, das Gute zu sehen: Dieser Wald ist für meine Lebenszeit verloren, aber das ist nur ein kurzer Ausschnitt im Big Picture. Ich habe das Gefühl, dass wir Menschen uns da manchmal etwas zu wichtig nehmen.