Da steht er, der Rapper Stress, kühn und tapfer, vor den rostigen Ruinen eines Tankers mitten im ausgetrockneten Aralsee und singt: «Ich hätte besser meinen Abfall getrennt.» Das ist nicht komisch. Soll es zumindest nicht sein. Denn wenn böse Buben einen auf Apokalypse machen und sich darum sorgen, dass das Salatblatt in die Biotonne kommt und der Joghurtbecher in die PET-Sammlung, dann muss Höheres auf dem Spiel stehen. Und tatsächlich: «On n’a qu’une terre», «Wir haben nur eine Erde», heisst das schlicht gereimte Liedchen, das Rapper Stress, Helvetiens politisch korrektester Gangsta, im fernen Kasachstan vor ausgedörrter Kulisse zum Besten gibt.

Er tuts im Auftrag von Coop. Was wirkt wie ein Imagefilm für eine Umweltschutzorganisation, war das Finale einer breit angelegten Werbekampagne, die der Grossverteiler zum Thema Nachhaltigkeit geführt hat. «Für diese Kampagne wollte Coop gezielt die Gefühlsebene ansprechen. Da bot sich Musik, insbesondere die eher gesellschaftskritische Hip-Hop-Bewegung, hervorragend an», so ein Coop-Sprecher.

Plötzlich ist alles im grünen Bereich und total nachhaltig. In der neuen Werbewelt fahren Autos durch blühende Landschaften, aus Fabrikschloten entweichen bunte Blüten, Turnschuhe hinterlassen grüne Abdrücke und Gesichtscremen scheinen den gesamten mittelalterlichen Kräutergarten der Altheiligen Hildegard von Bingen zu enthalten. Grün sticht!

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Rasante Verbreitung in aller Welt
Im Visier haben die Werber die «Lohas»: Konsumenten, die der Umwelt nicht schaden, aber auf Konsum nicht verzichten wollen. Der Begriff leitet sich ab aus den Anfangsbuchstaben von «Lifestyle of health (Gesundheit) and sustainability (Nachhaltigkeit)». Geprägt haben ihn die beiden US-Sozialforscher Paul Ray und Ruth Anderson. Sie stellten in der Bevölkerung einen Wandel fest, eine Hinwendung zu Werten wie Familie, Lebensfreude und Gesundheit, verbunden mit Engagement für eine nachhaltige Lebensqualität auf der Erde. «Wir beobachten tatsächlich eine solche Werteveränderung. Es handelt sich um eine globale Bewegung, die sich in rasantem Tempo quer durch alle Kontinente ausbreitet», sagt Brian Rüeger, Dozent für Marketing an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Lohas, so behaupten Trendforscher, sind der ganz grosse neue Megatrend. Die international tätige PR-Firma Touchpoint präsentierte vor zwei Monaten die Ergebnisse einer Studie. Ein Fazit: Lohas seien optimistisch und deutlich konsumfreudiger als die Gruppe der sogenannten Ökos - einerseits seien sie umwelt-, gesundheits- und sozialbewusst, anderseits modebewusst und eher ästhetisch als politisch motiviert.

Zu ihnen gehört Ruth Grüninger, zuständig für das Zürcher Modelabel Fidelio. Grüninger schneidert schicke Kleider aus sozialverträglich und ökologisch hergestellten Stoffen hoher Qualität. Damit sie sich davon überzeugen kann, dass die Arbeitsbedingungen stimmen, produziert sie ausschliesslich in Europa. «Meine Kleider kann man viele Jahre tragen. Das gehört für mich auch zu einer ökologischen Produktionsweise.» Wenn die Ökologie allerdings auf Kosten der Ästhetik zu gehen droht - gehört der Ästhetik der Vorzug. «Die Stoffe müssen gut aussehen, die Kleider attraktiv sein.» Privat kauft Grüninger im Reformhaus ein, wo die Produkte aus der Nachbarschaft kommen. Fleisch isst sie kaum, und falls doch, weiss sie, wo es produziert wurde. Sie fliegt wenig, fährt aber Auto. «Lustvoll leben, bewusst sündigen», lautet ihr Lebensmotto. Und: «Am schlimmsten ist es, wenn man gar nichts für die Umwelt tut.»

Die Weltsicht der Lohas-Bewegung speist sich aus zwei Quellen, sagt Marketingexperte Rüeger: «Den Hedonisten der neunziger Jahre und den Alt-Ökos der siebziger und achtziger Jahre.» Die Yuppies («young urban professionals») der Neunziger brauchten Statussymbole wie Porsche und Rolex für ein gediegenes Daseinsgefühl, das letzte Quentchen Lebensglück verschaffte eine Nase Kokain. Ganz anders die Ökobewegten. Sie versuchten, Atomtransporte zu verhindern, indem sie sich bei Wind und Wetter an Schienen ketteten, trugen Jute statt Plastik und schrieben larmoyante Sinnsprüche auf ihre klapprigen Deux-Chevaux, etwa die angeblich indianische Weisheit: «Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.»

Damit kann man Lohas nicht beeindrucken. Zwar ist der Klimawandel, nicht zuletzt durch Al Gores Film «Eine unbequeme Wahrheit», im Bewusstsein der Leute angekommen. Die Welt aber ist nicht dem Untergang geweiht. Viele kleine Schritte von vielen nachhaltig und bewusst konsumierenden Lohas, so das Credo der neuen Ökos, lassen Klima und Welt gesunden. Im Internet finden die neuen Ökos auf Sites wie lohas.de, karmakonsum.de (Motto: «Do good with your money») oder utopia.de ihre virtuelle Heimat. Utopia.de ging vor rund einem halben Jahr online und hat nach eigenen Angaben bereits über 17'000 angemeldete Nutzer, 125'000 Besucher klicken die Site monatlich an, tauschen sich in den Foren aus oder lassen sich vom «Produkt-Guide» inspirieren.

Das nächste Mal ein kleinerer Offroader
In der Schweiz öffnete vergangenen Mai die «Lifefair» zum ersten Mal ihre Tore, die «Messe für nachhaltiges Leben». In der mitten im trendigen Zürcher Stadtkreis 5 gelegenen Maag-Eventhall zeigten Automobilhersteller wie BMW, Honda und Saab ihre energieeffizienten Fahrzeuge, Coop und Claro präsentierten Lebensmittel, die dazu passen. Reiseveranstalter Kuoni und die globalisierungskritische Erklärung von Bern widmeten sich Fragen des sozialverträglichen Tourismus. Die amtierende Miss Schweiz Amanda Ammann sorgte für den nötigen Schuss Glamour. «Ich finde es gut, dass die Ökologie ein Thema wird. Ich fahre jetzt weniger Auto. Aber man kann nicht immer ökologisch handeln.» Alles in allem buhlten rund 70 Aussteller um Aufmerksamkeit auf dem «Basar der Nachhaltigkeit» (NZZ).

Keine Messe ohne Rahmenveranstaltungen. Es diskutierten Umweltschützer mit Spitzenbeamten und Wirtschaftsführern. Etwa Rudolf Hug, Verwaltungsratspräsident der HT Holding AG und Präsident der Economiesuisse-Kommission für Energie und Umwelt. «Die Klimadiskussion ist wichtig. Aber gleichzeitig können wir auch nicht zurück zum kalten Duschen.» Hug selber enthüllte auf dem Podium sein nächstes, persönliches Klimaschutzprojekt: den Kauf eines kleineren Autos. Hug hat sich entschieden für - einen «kompakten» Offroader von Audi.

Ein Lohas der ersten Stunde ist ein weiterer prominenter Schweizer: Dieter Meier. Das Mastermind der weltweit bekannten Elektroband «Yello» legt seit Jahren Wert auf einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil. «Ich vertraue nur Lebensmitteln aus biologischer Produktion und versuche, saisonal einzukaufen. Natürlich sündigt man manchmal und kauft Himbeeren im Winter», sagte der Musiker in der Sendung «Konsum-TV». Im Zweifel geht der Genuss vor.

Weltmeister bei den Bioprodukten
Ähnlich wie Meier entscheiden auch die Besucher des jährlich stattfindenden, drei Tage dauernden Bio-Marché in Zofingen, der wichtigsten Bio-Messe für Lebensmittel der Schweiz. Im Laufe der Jahre, so zeigen Befragungen, hat das Kaufkriterium «Geschmack» gegenüber ökologischen oder ethischen Merkmalen zugelegt und kommt nun an erster Stelle. Besonders gefragt sind Gourmet-Delikatessen oder Produkte mit einer gewissen Einzigartigkeit, wie etwa die «Nusswurst vom Uelihof». Geschäftsführerin Dorothee Stich: «Die Wurst ist speziell, Konsumenten kriegen sie nicht überall und können ein wenig mit ihr angeben.»

Mit ihrem Konsumverhalten schaffen Lohas Milliardenmärkte für Produkte, die ein gutes Gewissen mitliefern. Und die Aussichten sind rosig: «Wir sind überzeugt, dass das Bedürfnis nach nachhaltigen Produkten weiter zunehmen wird», sagt ein Coop-Sprecher. Knapp 1,3 Milliarden Franken gaben die Schweizer vergangenes Jahr für Bioprodukte aus. So steht es im «Konsum Report Schweiz» des Center for Corporate Responsibility and Sustainability (CCRS) der Uni Zürich. Weltmeister! «Beim Essen tun viele bereits, was sie auch in anderen Bereichen tun könnten - nämlich intelligenter einkaufen. Konsum und Nachhaltigkeit schliessen einander nicht aus», fasst Hans-Peter Fricker, CEO des WWF Schweiz, die Erkenntnisse im Vorwort des Reports zusammen.

Ob das reicht, die Welt zu retten, darf bezweifelt werden. Erstmals liegt mit dem im März veröffentlichten CCRS-Report eine Übersicht zum nachhaltigen Konsum in der Schweiz vor. Der Report ist geeignet, die Goldgräberstimmung im Nachhaltigkeitsmarkt etwas zu relativieren. Der Anteil an nachhaltigen Produkten (von Bioprodukten über Ökostrom zu Hybridautos) ist gemessen am Gesamtabsatz mit weniger als einem Prozent noch immer verschwindend klein. Zugleich aber gilt: Der Absatz nachhaltiger Produkte boomt. Die Industrie reibt sich die Hände. Und der Konsument die Augen.

Modejournale, Supermärkte, Reisemagazine und Autosendungen machen Ökologie zum zentralen Thema. Ein Konzern und eine Marke nach der anderen springen auf den fahrenden Zug auf. Levi’s bietet ökologisch korrekte Hosen mit grünem Etikett, Adidas verkauft seit März ihre «Grün Kollektion». «Highlight» dabei laut Medientext: ein Hemd für Frauen, das aus einer Mischung von Sojabohnen- und organischen Baumwollgeweben besteht und bei dem auf der Kragenrückseite Sonnenblumenkerne eingearbeitet sind.

Die Welle der Nachhaltigkeit hat aber einen Haken. Die Industrie wirft neue Produkte auf den Markt, immer mehr, und hebt dadurch den positiven Effekt auf. Insgesamt, so hält der CCRS-Report fest, verbrauchen wir mehr Energie, kaufen mehr Produkte ein, wohnen in grösseren Wohnungen und Häusern, fahren schwerere Autos und reisen weiter und öfter. Damit wird der positive Umwelteffekt der nachhaltigen Produkte durch Mehrkonsum wieder zunichtegemacht.

So reich und gebildet wie noch nie
«We buy too much» - «wir kaufen zu viel», sagt auch Switcher-Gründer Robin Cornelius. Trotzdem begrüsst er die wachsende Konkurrenz als Zeichen, dass ökologisch und sozial gefertigte Artikel gefragt sind - auch wenn einige Hersteller nur zum Teil Fair Trade bieten würden. «Der gelbe Wal, unser Firmensymbol, schwimmt auf der grünen Welle obenaus.» Die Waadtländer Firma gilt seit Jahren als Vorbild für ethisch einwandfrei produzierte Textilien. Gegründet 1981, erwirtschaftete sie letztes Jahr einen Umsatz von 82 Millionen Franken.

Das weltweit wachsende ethische Bewusstsein hat die Märkte verändert. Der Kulturwissenschaftler Nico Stehr, Buchautor und Professor an der Zeppelin-Universität im deutschen Friedrichshafen, spricht in diesem Zusammenhang von einer «Moralisierung der Märkte». «Die Ware erhält eine moralische Qualität nach dem Schema: Ökostrom ist gut, Atomstrom ist schlecht.»

Der Kulturwissenschaftler führt diese gesellschaftlichen Veränderungen auf den historisch hohen Wohlstand und den ebenfalls noch nie dagewesenen Bildungsgrad in der Bevölkerung zurück. Die Konsumenten informieren sich gründlicher, im Internet sind Informationen ohne Aufwand und schnell verfügbar. Die «Moralisierung» beschränkt sich laut Stehr derzeit noch auf die reichen Länder. Durch die Globalisierung aber sind auch die Produzenten in den Herstellerländern gezwungen, sich die Werte anzueignen. Allerdings: Eine Weltwirtschaftskrise könnte den Trend wieder umkehren. Stehr: «Wenn die Einkommen sinken und die Preise steigen, gilt wieder mit Brecht: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.»

In einer Umfrage der Zürcher Hochschule Winterthur aus dem Jahr 2005 antworteten 43 Prozent der 800 Befragten, sie würden keine Produkte kaufen von Unternehmen, die als sozial unverantwortlich handelnd wahrgenommen werden. Mehr als die Hälfte, nämlich 54 Prozent, würden auch nicht für eine solche Firma arbeiten.

Moral ist Geld wert. Wie hoch genau dieser Wert ist, berechnete die Richard Ivey School of Business der University of Western Ontario - auf den Cent genau. Zwei Gruppen von Testern war eine Packung Kaffee gezeigt worden. Der ersten Gruppe sagten die Wissenschaftler, der Kaffee sei unter hohen ethischen Standards produziert worden. Der anderen Gruppe wurde gesagt, bei der Produktion seien nur sehr niedrige Standards eingehalten worden. Beim Test waren alle Konsumenten bereit, einen kleinen Aufpreis für die fair produzierte Ware zu zahlen: 9,71 Dollar statt 8,31. Umgekehrt wollten die Konsumenten den unfair produzierten Kaffee nur bei einem massiven Preisrabatt (5,89 Dollar) kaufen.

Die Lehren aus dem Experiment sind eindeutig, so die Forscher: Für Unternehmen lohnt es sich, in faire Produktionsbedingungen zu investieren - und von unfair produzierten Waren die Finger
zu lassen.

Sonst droht Unheil. Das zeigt exemplarisch der Fall der Gratis-Fussball-Aktion der Credit Suisse. Dabei hatten es sich die Marketingstrategen der Grossbank so schön ausgedacht: 200'000 kostenlos verteilte Fussbälle zur Euro. Das musste einschlagen wie eine Bombe. Tat es auch. Die Nachrichtensendung «10 vor 10» deckte auf, dass die Bälle - entgegen den Versprechen der Produzenten - von Kindern genäht wurden. Die Credit Suisse dementierte erst, musste dann aber dem enormen Druck nachgeben. Eine satte Million Franken zugunsten des Kinderhilfswerks Unicef liessen die Banker zwecks Imagereparatur springen. Die Credit Suisse engagiere sich seit Jahren weltweit für die Verbesserung der Lebenssituation von Benachteiligten, und es sei ihr ein Anliegen, «die weltweiten Bemühungen gegen Kinderarbeit zu unterstützen», sagt ein Credit-Suisse-Sprecher.

Die wundersame Wandlung von BP
In moralisierten Märkten kommt kein Unternehmen mehr ohne Bekenntnis zu ethisch und ökologisch korrektem Handeln aus. «Corporate Social Responsibility», kurz: CSR, lautet das Stichwort. Der Nahrungsmittelgigant Nestlé, dieser Tage etwas unschön in die Schlagzeilen geraten, weil das Unternehmen in der Waadt mit «Securitas-Spionen» eine globalisierungskritische Arbeitsgruppe der Organisation Attac ausspioniert hatte, «verfolgt in der Schweiz langfristige Engagements», wie es - angesichts der jüngsten Ereignisse unfreiwillig ironisch - auf der Website unter der Rubrik «Engagement» heisst. Dazu gehören die Unterstützung des Paléo-Festivals von Nyon, die Verköstigung von Pfadfindern mit Senf und Mayonnaise sowie die kostenlose Belieferung der elf Caritas-Läden in der Schweiz.

Pharmamulti Novartis hat 2007 nach eigener Darstellung in Zusammenarbeit mit dem Danish Institute for Human Rights ein Pilotprojekt bei Novartis Taiwan durchgeführt, um die Geschäftspraktiken im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte zu beurteilen. Was dies genau heissen soll, benötigt nach Anfrage längere Nachforschungen der Medienstelle. Dann kann Sprecherin Iris Wahlen mitteilen: «Novartis hat zwei Assessments durchgeführt. In Taiwan hat man als Schwächen zum Beispiel die Gleichbehandlung von Partnern der Mitarbeiter aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Überzeit und Anstellungsprozesse erkannt.» Aha.

Schliesslich die deutsche Bierfirma Krombacher. Sie hat sich - weil es da so heiss ist? - für ein Regenwaldprojekt entschieden. Pro Kiste Bier werde ein Quadratmeter gerettet. Saufen für den Regenwald.

Ethik in der kapitalistischen Marktwirtschaft zeitigt kuriose Folgen. «In der Moralkonkurrenz steigert man sich wechselseitig in die Masslosigkeit einer absolut gesetzten, lebensweltlich irrealen Hypermoral hinein. ‹Moralhypertrophie› hat der konservative Soziologe Arnold Gehlen dies einst genannt», sagt Friedrich Wilhelm Graf, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Systematische Theologie lehrt, und ärgert sich: «Warum muss man seine guten Werte marktschreierisch zur Schau stellen?»

«Das Problem ist, dass es die Industrie kaum recht machen kann. Wenn sie nichts tut, ist das schlecht. Wenn sie etwas tut, heisst es, sie tue es nur zu PR-Zwecken», sagt Piero Schäfer, Mediensprecher der Schweizerischen Lauterkeitskommission.

Mag sein. Bei manchen Firmen aber ist der PR-Zweck offensichtlich. BP etwa hat einen Imagewechsel hingelegt, der selbst hartgesottene PR-Profis ins Staunen brachte. Nachdem der Ölgigant im Jahr 2000 eine Reihe kleinerer Konkurrenten geschluckt hatte, wurde BP einem sogenannten «Rebranding» unterzogen. Aus British Petroleum wurde «beyond petroleum» («jenseits vom Öl»). Dazu kam als Logo ein stilisiertes Sonnenrad, das Symbol des griechischen Gottes Helios. In englischsprachigen Inseraten hiess es: «Solarenergie, Erdgas, Windkraft, Wasserstoff und, ach ja, Öl». Die Realität sieht ganz anders aus, wie die Erklärung von Bern in einer Broschüre darlegt: «Im Jahr 2007 machte BP gerade mal 0,13 Prozent seines Umsatzes mit erneuerbaren Energien.»

BPs Kommunikationsstrategie hat einen Namen: greenwash. Man wäscht sich weiss - aber mit dem grünen Pinsel. So stark ist die Strategie bereits verbreitet, dass der Begriff Eingang gefunden hat in den «Oxford English Dictionary». In der Werkzeugkiste der Grünwäscher: wolkige Worte («Bio-Power») und suggestive Bilder in Werbekampagnen (etwa eine grasumwachsene Tankstelle), zudem Nachhaltigkeitsberichte und CSR-Reports.

Grüngewaschen wird in jeder Branche. «Investieren Sie in die CO2-Verminderung», heisst es etwa über dem Bild von Eisbergen in einem Inserat der krisengeschüttelten UBS. Beworben wird ein Klimawandel-Zertifikat. «Irreführend», sagt Andreas Missbach von der Erklärung von Bern. Bei Zertifikaten handle es sich um ein derivatives Produkt. Damit finanziere man keine neuen Firmen. «Der korrekte Werbespruch müsste lauten: ‹Profitieren Sie davon, wenn Firmen, die CO2-effizient sind, an der Börse prosperieren›», so Missbach. Die UBS will dazu keine Stellung nehmen.

«Tue Gutes und rede darüber» - immer häufiger wird nur der zweite Teil der goldenen Kommunikationsregel befolgt. Hollywoodstars gehen dabei mit schlechtem Beispiel voran. Jüngst liess sich Schauspieler Harrison Ford vor laufenden Kameras die Brusthaare entfernen. Er wolle ein Zeichen setzen gegen die Abholzung der Regenwälder und die Klimaerwärmung. Löblich. Doch zugleich besitzt Hobbypilot Ford mehrere Flugzeuge.

Plötzlich ist Öl verbrennen ökologisch
In Grossbritannien haben sich gemäss einem Bericht des «Guardian» die Klagen wegen unlauterer, «grüner» Werbeversprechen im vergangenen Jahr mehr als vervierfacht. In Frankreich forderte das Bureau de Vérification de la Publicité kürzlich strengere Richtlinien für Öko-Werbung. Der Vorsitzende des deutschen Werberates, Hans-Henning Wiegmann, mahnte jüngst, Umweltargumente in der kommerziellen Werbung müssten nachvollziehbar sein, damit sie nicht als manipulative Trickserei «missverstanden» würden.

Denn nicht alles geht in der Kommunikation. «Ein Automobilhersteller etwa darf in der Werbung nicht einen niedrigeren CO2-Ausstoss angeben, als das Modell effektiv produziert. Die Fakten müssen stimmen», sagt Lauterkeitskommissions-Sprecher Piero Schäfer. Die Grenzen der Lauterkeit musste die Kommission letztes Jahr der Erdöl-Vereinigung (EV) klarmachen. Der grüne Waschgang war dem Lobby-Club mit Sitz an der noblen Zürcher Löwenstrasse ein paar Grad zu heiss geraten. «Die Beschwerdegegnerin (die EV) hat unlauter im Sinne der Richtlinien der internationalen Handelskammer gehandelt», heisst es im Kommissionsentscheid.

Die EV hatte mit dem Spruch «Heizen mit Öl: Für mehr Klimaschutz» geworben. Die moderne Ölheizung sei die langfristig überzeugende Lösung, da sie mit ihrer hohen Effizienz einen Beitrag zum Klimaschutz leiste. Da platzte der Umweltorganisation Greenpeace der Kragen, und sie legte Beschwerde ein: «Mit dem Verbrennen von Öl kann kein Klimaschutz betrieben werden. Genauso wenig, wie Autofahren für gesunde Luft sorgt», sagt Cyrill Studer, Campaigner bei Greenpeace.

Autofahren sorgt nicht für gesunde Luft - Autohersteller hingegen bemühen sich manchmal durchaus um «frische» Luft. Wenn es denn dem Verkauf dient. Auf der letzten internationalen Automobilausstellung in Frankfurt hat die Kölner Firma Scentcommunication die BMW-Halle komplett beduftet, «mit einem wunderbaren Duft, der nach sauberer Luft riecht», wie Geschäftsführer Müller-Grünow in der «Süddeutschen Zeitung» schwärmt.

«Die Autoindustrie ist besonders anfällig für Greenwashing», so Greenpeace-Mann Studer. Grund: Zu den gesamten globalen Treibhausgas-Emissionen trägt der Verkehr etwa 13 Prozent bei. Dieser Prozentsatz wächst, weil der CO2-Ausstoss durch Strassenverkehr und Luftfahrt doppelt so schnell ansteigt wie die CO2-Emissionen insgesamt. Greenpeace schätzt, dass bis 2050 der weltweite verkehrsbedingte Beitrag zu den Treibhausgas-Emissionen auf bis zu 50 Prozent ansteigen wird.

«Das sind wahre Klimakiller»
Nicht weiter erstaunlich also, dass sich immer häufiger in einem Gartencenter wähnt, wer eine Autoausstellung besucht. Der letzte Autosalon in Genf wurde gefeiert als der bislang grünste. Greenpeace rechnete nach. Der durchschnittliche CO2-Ausstoss der ausgestellten Wagen betrug 201 Gramm pro Kilometer. Zum Vergleich: Der Durchschnitt bei Schweizer Fahrzeugen beträgt 187 Gramm, der EU-weite 160. «Die ausgestellten Modelle sind wahre Klimakiller», sagt Cyrill Studer von Greenpeace.

«Diese Kritik ist nicht mehr zeitgemäss», sagt Kuno Spirig. Umweltorganisationen, so der «Lifefair»-Veranstalter weiter, müssten möglichst schwarzmalen, um mehr Spenden reinzuholen. Natürlich dürfe die Werbung nicht mehr versprechen, als sie halten könne. «Aber sehen Sie, es ist wie bei einem bisher wenig aktiven Schüler. Wenn er anfängt, sich am Unterricht zu beteiligen, muss ich ihn loben und anspornen, weitere Fortschritte zu machen. Lob motiviert, unfaire Kritik demotiviert.»

Den Höhepunkt der Lohas-Messe bildete übrigens die «Lifefair-Night» mit der Ernennung eines Botschafters für Nachhaltigkeit. Ernannt wurde - der Rapper Stress. Der frisch verheiratete Hybridfahrer (Seat Leon Ecomotive) nahm die Ehrung mit der gebotenen Coolness entgegen, feierte wenig später mit mehr als hundert Gästen in einem nicht eben für seine Minergie-Qualitäten bekannten Gewächshaus eine rauschende Hochzeitsparty und entschwand in die Flitterwochen. Die Zeitung «Blick» kannte die Reisepläne: zwei Wochen Mongolei, dann nach Peru und Panama.
Ist das nachhaltig? Das Management liess die Anfrage, leider, unbeantwortet. «Lifefair»-Veranstalter Spirig ists egal: «Wir wollen keine Zeigefingermoral.» Na dann.

Es grünt so grün

Die Werbung hat das Etikett «umweltfreundlich» als Verkaufsargument entdeckt. Inzwischen ist alles Mögliche und Unmögliche «grün».

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Grüne Autos: Wer ein solches fährt, hilft der Umwelt, suggerieren die Hersteller - trotz CO2-Ausstoss.
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Grünes Heizöl: Mit dieser Kampagne ging die Erdölvereinigung zu weit - unlautere Werbung, so das Urteil.
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Grüne Haut: Die Kosmetikbranche setzt schon länger auf Natürlichkeit - denn schliesslich gehen ihre Produkte direkt unter die Haut.