Machten vor wenigen Jahren noch erzwungene Frühpensionierungen Schlagzeilen, versuchen heute viele Firmen, ihre Angestellten übers Pensionsalter hinaus zu halten.

Grund ist der Fachkräftemangel. Er verschärft sich von Jahr zu Jahr. Gaben 2022 noch 14 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an, dass sie «fast immer» Mühe hätten, Stellen zu besetzen, sind es in diesem Jahr bereits 18 Prozent. Das geht aus einer Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo hervor, über die der «Tages-Anzeiger» berichtete. Zumindest «teilweise» tun sich sogar 86 Prozent aller Firmen schwer, genügend Personal zu finden.

Drei Viertel aller KMU ermöglichen deshalb ihren Mitarbeitenden, auch mit 65 Jahren weiterzuarbeiten, heisst es in der Umfrage weiter. Bei kleineren Betrieben mit fünf bis neun Angestellten sind es sogar noch mehr.

Das gibt Arbeitnehmenden viele Möglichkeiten. Oft können sie zum Beispiel ein Teilzeitpensum aushandeln. Sie erhalten ihre Rente, arbeiten aber noch ein, zwei Tage pro Woche und verdienen sich einen Zustupf. Bestehende Angestellte weiterarbeiten zu lassen, ist für Firmen mit deutlich weniger Aufwand verbunden, als Personal aus dem Ausland zu rekrutieren und einzuarbeiten. Entsprechend gross ist für Bisherige der Verhandlungsspielraum. Etwa wenn es um längere Ferien geht.

Wer auch im Pensionsalter arbeiten will, soll sich aber darüber im Klaren sein, was das für die AHV, die eigene Pensionskasse, die Unfallversicherung und die dritte Säule bedeutet. Je nachdem hat das Einfluss darauf, ob und wie viel man weiterarbeiten will. So gilt:

  • Renten werden zum gleichen Tarif besteuert wie Löhne. Wer also AHV- und Pensionskassen-Rente bezieht und gleichzeitig weiterarbeitet, rutscht unter Umständen in eine höhere Steuerklasse und muss mehr Steuern zahlen.
  • Personen, die nach der ordentlichen Pensionierung Teilzeit weiterarbeiten, müssen weiter AHV-Beiträge zahlen, wenn sie monatlich mehr als 1400 Franken verdienen. Die Rente, die man als Teilzeitpensionär bezieht, erhöht sich dadurch aber nicht.
  • Wenn das finanziell möglich ist, lohnt es sich, die AHV aufzuschieben. Das kann die spätere Rente stark erhöhen. Bei einem Aufschub um ein Jahr um 5,2 Prozent, bei einem Aufschub um fünf Jahre sogar um 31,5 Prozent.
  • Grundsätzlich müssen Angestellte nicht mehr in die Pensionskasse einzahlen, wenn sie das AHV-Alter erreicht haben. Manche Pensionskassen-Reglemente können das aber vorsehen.
  • Der Arbeitgeber muss Angestellte weiter gegen Berufsunfälle versichern. Nicht aber gegen Nichtberufsunfälle, wenn sie weniger als acht Stunden pro Woche arbeiten.
  • Frauen dürfen bis 69, Männer bis 70 weiter in die dritte Säule einzahlen und das von den Steuern absetzen, wenn sie berufstätig sind.

Soll man über die Pensionierung hinaus weiterarbeiten? Und wenn ja, wie? Es lohnt sich, darüber nachzudenken, auch wenn das AHV-Alter noch ein Stück entfernt ist. Wirtschaftsvertreter rechneten diese Woche vor, dass sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter verstärken wird. Bis 2040 fehlen demnach zusammengerechnet rund 430’000 Fachkräfte, rund acht Prozent der heutigen Berufstätigen. Gute Angestellte bleiben gefragt.