Wissen Sie, was ein Pandemie-Paar ist? Denken Sie nicht zu weit. Vermutlich finden Sie in Ihrem Bekanntenkreis sogar eines, wenn Sie im Geist die Partnerschaften durchgehen, die sich in den letzten Jahren gebildet haben. Pandemie-Paare sind nämlich nichts anderes als Menschen, die in der betreffenden Zeit zueinandergefunden haben.

Massenhaft Zeit miteinander, Nähe à gogo, eine tiefe Auseinandersetzung mit sich selbst, ein Gefühl von «Wir gegen den Rest der Welt» – die Shutdowns wurden für Beziehungen, bei denen der Lack schon ein wenig ab war, nicht selten zu einer Bewährungsprobe. Doch für Frischverliebte waren sie oft der Entwicklungshimmel auf Erden. Im geschützten Umfeld der Isolation blühte die Liebe auf wie ein wachstumswilliges Bakterium in einer mit köstlicher Nährlösung gefüllten Petrischale. Still, fröhlich und unaufhaltsam.

Jetzt ist alles anders

Mittlerweile kommen die betreffenden Paare sanft in die Jahre Beziehungskrise Wie man merkt, dass man in eine Krise gerät , und einige von ihnen landen in meiner paartherapeutischen Praxis. Viele verstehen die Welt nicht mehr, weil sie plötzlich mit schmerzlichen Herausforderungen und Unterschiedlichkeiten kämpfen, obwohl sie doch vor noch nicht allzu langer Zeit felsenfest davon überzeugt gewesen waren, für einander geschaffen zu sein.

Nun, waren sie vielleicht auch. Unter den damaligen Umständen. Die betreffenden Paare bekommen nämlich jetzt knallhart zu spüren, dass eine gute Beziehung nicht nur von ihren Beteiligten abhängt, sondern auch von den Umständen. Und die sind heute, gut drei Jahre nach dem romantischen Zusammenkommen, nun mal krass anders.

«Den Realitäts­check nach der Kennenlern­phase spüren Pandemie-Paare besonders heftig.»

Caroline Fux, Psychologin

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Nicht alle Pandemie-Paare kämpfen heute mit Problemen. Und wenn sie es tun, dann liegt das nicht zwingend daran, dass beim Start der Beziehung lokal und global besondere Umstände geherrscht haben.

Denn die Jahre zwei und drei sind in Beziehungen ganz generell nicht immer einfach. Die intensiven romantischen Gefühle der Anfangsphase sind bei den meisten deutlich abgeflacht, nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen Streit in der Beziehung «Reife Liebe braucht Arbeit» des Gegenübers liegen mittlerweile auf dem Tisch.

Vom Bauch- zum Kopfgefühl

Das führt in der Regel dazu, dass sich die Beteiligten in einer ganz neuen Intensität und Bewusstheit fragen, ob sie diese Beziehung wirklich langfristig wollen, ob es wirklich fundamental passt. Die kopflose Liebesbeziehung wächst zur bewusst gelebten Partnerschaft, einem sozialen Gebilde, das anderen Spielregeln folgt.

Dennoch behaupte ich, dass Pandemie-Paare diesen Realitätscheck im dritten Jahr besonders heftig spüren. In ihrer Kennenlernphase dominierte eine drohende Gefahr von aussen, gegen die man sich herrlich verbünden konnte. Doch jetzt keimt bei vielen angesichts steigender Differenzen Guter Rat Was tun, wenn der Partner nervt? plötzlich die Furcht auf, dass die Gefahr ja auch im Innern lauern könnte, nämlich in Gestalt des Gegenübers. Und das fühlt sich ungewohnt und bedrohlich an. Dass das Zurechtfinden zwischen Nähe und Distanz zu jeder Beziehung gehört, geht in so einem Moment schnell vergessen.

«Nicht nur unsere Umwelt verändert sich permanent, sondern auch wir selbst.»

Caroline Fux, Psychologin

Haben Pandemie-Paare schlechtere Karten als solche, die sich unter alltäglichen Umständen kennengelernt haben? Schwer zu sagen. Und vielleicht auch nicht wirklich entscheidend. Denn wie viel Spass ein Spiel macht, hängt eben nicht nur davon ab, was für ein Blatt man in der Hand hat, sondern was man damit macht. Spielt man kreativ und stellt sich der Herausforderung? Legt man Ideen von Perfektion ab und lernt stattdessen, auch Unerwünschtes zu integrieren? Und vor allem: Findet man zu einer inneren Stärke, die nicht auf dem Ausschluss von etwas Äusserem basiert?

Beziehungen sind dann stark, wenn sie lebendig bleiben Beziehung Kleine Aufmerksamkeiten erhalten die Liebe dürfen. Das gilt für Pandemie-Paare genauso wie für alle anderen. Die Welt, in der wir leben, ist bunt, schnell und vielschichtig. Und nicht nur unsere Umwelt verändert sich permanent, sondern auch wir selbst. Wenn uns also Veränderungen zu Wachstum anregen, dann ist das manchmal vielleicht etwas ungemütlich, aber eben auch die Basis für Glück, das lange anhält.

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Zur Person

Caroline Fux

Caroline Fux schreibt für den Beobachter über ihre Arbeit als Psychologin und die tägliche Konfrontation mit sich selbst. Ausserdem ist sie Co-Autorin der Beobachter-Bücher «Was Paare stark macht», «Guter Sex» und «Das Paar-Date».

Quelle: Paul Seewer

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