Rund 1000 Personen sowie 400 Firmen und Organisationen in ganz Europa soll die Genfer Geheimdienstfirma Alp Services zwischen 2017 und 2021 bespitzelt haben. Der Auftraggeber: die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Fichierten sollen wegen mutmasslicher Verbindungen nach Katar – ein Rivalenstaat der Emirate – und zu der als radikalislamisch eingestuften Muslimbruderschaft unter die Lupe genommen worden sein.

Damit hat die Genfer Firma, die für den Auftrag gemäss Medienberichten mindestens 5,7 Millionen Euro erhalten haben soll, möglicherweise gegen Artikel 272 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs verstossen, der den «verbotenen Nachrichtendienst für einen fremden Staat» regelt.

Aufgeflogen sind die Machenschaften durch eine anonyme Hackergruppe. Sie stahl 2021 drei Terabyte an Daten von den Servern von Alp Services und liess sie dem französischen Investigativportal «Mediapart» zukommen. Darauf gestützt, berichteten das Westschweizer Newsportal «Heidi News», das Westschweizer Fernsehen RTS und der «Spiegel» über die mittlerweile unter dem Namen «Abu Dhabi Secrets» laufende Affäre.

In der Schweiz trafen die Schnüffeleien etwa den Waadtländer Pascal Gemperli . Er ist unter anderem Politiker der Grünen Partei und Generalsekretär der Waadtländer Union muslimischer Vereine (UVAM). «Er scheint viele von der Muslimbruderschaft zu kennen […], aber wir können nicht davon ausgehen, dass er einer ist», steht in einem Eintrag von 2019 in seiner Fiche. «Ich bin absolut schockiert, dass ich in einem solchen Dokument auftauche, das mich potenziell mit Terrorismus in Verbindung bringt», sagt Gemperli. «Natürlich habe ich nichts mit der Muslimbruderschaft zu tun.» 

Schlimmer traf es den heute 40-jährigen Hazim Nada, berichtet «The New Yorker». Der US-Amerikaner mit ägyptischen und syrischen Wurzeln betrieb in Lugano eine florierende Firma, die mit Rohöl und Trockengütern wie Zement handelte. Das Verdachtsmoment gegen Nada, der theoretische Physik studiert und laut «New Yorker» eine Schwäche für Hip-Hop der Neunzigerjahre hat: sein Vater.

Youssef Nada war als Teenager 1947 der Muslimischen Bruderschaft beigetreten, stieg später zu ihrem Bankier auf. Nachdem er auf der umstrittenen Terrorliste der Vereinten Nationen gelandet war, weil er angeblich das Al-Kaida-Netzwerk finanziert haben soll, sass er sieben Jahre lang in seiner Villa in Campione d’Italia wegen Uno-Sanktionen in Hausarrest. Seine Konten wurden gesperrt, sein Finanzinstitut ging bankrott. Die Vorwürfe, ein Geldwäscher und Financier von Al-Kaida zu sein, liessen sich nie erhärten. 2009 wurde er von der Terrorliste gestrichen. Auch der Beobachter hatte darüber berichtet.

Heute ist die Firma seines Sohnes Hazim bankrott. Sie ist einer Schmutzkampagne zum Opfer gefallen, die ihm Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellte und ebenfalls von Alp Services inszeniert worden sein soll. Dabei seien gemäss «New Yorker» auch verschiedene Medien involviert gewesen, darunter die britische Tageszeitung «Times» und die Westschweizer Tageszeitung «Le Temps».

Auch der Name des Schweizer Investigativjournalisten und Kriegsreporters Kurt Pelda, der derzeit bei CH Media angestellt ist, taucht in den gestohlenen Dokumenten auf. Er bestätigt gegenüber dem Beobachter, für Alp Services Rechercheberichte verfasst zu haben. Pelda bestreitet aber, je einen Medienbericht im Auftrag von Alp Services geschrieben zu haben. Dass seine Recherchen für die Vereinigten Arabischen Emirate gewesen sein sollen, habe er nicht gewusst: «Ich dachte eher an einen Thinktank, der sich mit Islamisten beschäftigt», so der Journalist im Interview mit dem Beobachter. 

Kurt Pelda, der sich nach eigenen Angaben 2011 bei Alp Services als Rechercheur beworben, aber eine Absage erhalten hatte, bekam für insgesamt acht Rechercheberichte zur Islamistenszene 3500 Franken. Zwei dieser Berichte waren speziell auf die Muslimbruderschaft ausgerichtet. Er will das Geld dazu verwendet haben, um «V-Leute in die Islamisten- und Rechtsradikalenszene einzuschleusen».

Alp Services hat auf Anfrage keine Stellungnahme abgegeben. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Hinweis: In einer ersten Version dieses Artikels hat der Beobachter die Rolle des Journalisten Kurt Pelda, gestützt auf den Artikel von Infosperber, kritisch beleuchtet, ohne Pelda selbst vorgängig angehört zu haben. Das wurde mit einem Interview nachgeholt.