Die private Genfer Detektei und Geheimdienstfirma Alp Services soll in ganz Europa wie auch in der Schweiz rund 1000 Personen sowie 400 Firmen und Organisationen bespitzelt haben. Das Ziel: allfällige Angehörige und Sympathisanten der als radikal-islamistisch geltenden Muslimbruderschaft zu enttarnen.

Der Auftraggeber: die Vereinigten Arabischen Emirate. Das zeigen Dokumente, die von einem Server der Detektei entwendet und dem französischen Rechercheportal Mediapart zugespielt wurden.

«Mediapart», «Der Spiegel», «The New Yorker» und das Westschweizer Newsportal «Heidi News» berichteten über die Affäre, die mittlerweile unter dem Namen «Abu Dhabi Secrets» läuft und weltweit aufgegriffen wurde. In der Deutschschweiz berichteten nur der «Infosperber» und der Beobachter Geheimdienst-Skandal Spionierten Schweizer für die Arabischen Emirate? .

Auch der Name Kurt Pelda taucht in den geleakten Unterlagen auf. Pelda ist ein renommierter Schweizer Investigativjournalist und Kriegsreporter. Er hat unter anderem für die NZZ, den «Tages-Anzeiger» und die «Weltwoche» geschrieben und ist heute beim Verlagshaus CH Media angestellt.

Aus den Dokumenten geht hervor, dass Pelda Auftragsarbeiten für diese Firma erledigte. Und dass er dafür Geld erhielt. Das Onlineportal «Infosperber» unterstellte dem Journalisten deshalb, von Alp Services instrumentalisiert worden zu sein. Erstmals erklärt sich nun Pelda ausführlich in einem Interview mit dem Beobachter.


Kurt Pelda, Ihr Name taucht in geleakten Dokumenten der privaten Genfer Geheimdienstfirma Alp Services auf. Haben Sie für die Firma gearbeitet?
Ich habe für Alp Services im Auftragsverhältnis acht interne Berichte über Islamisten recherchiert.


Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Ungefähr 2010 lernte ich Mario Brero, den Chef von Alp Services, kennen. Ich war damals bei der NZZ angestellt und wollte aus dem Journalismus raus. Also bewarb ich mich bei ihm, allerdings erfolglos. Deshalb blieb ich teilweise im Journalismus und machte mir einen Namen als Kenner der Islamistenszene. Später kam Brero auf mich zu, weil ihm mein Wissen nützlich war.


Wussten Sie, dass Alp Services ein privater Geheimdienst ist?
Ich habe Mühe mit diesem Begriff. Geheimdienste dürfen Telefone abhören und Wohnungen verwanzen. Wenn private Firmen das tun, kommen sie in Konflikt mit dem Gesetz. Ich wusste aber, dass Brero schon Probleme mit der Justiz hatte.


Ihnen war also bewusst, dass die Firma einen fragwürdigen Ruf hat?
In diesem Metier haben viele Leute einen fragwürdigen Ruf. Fragwürdig ist aber auch, dass Medien sich in meinem Fall auf illegal beschaffte Dokumente stützen, von denen wir nicht wissen, was echt und was gefälscht ist. Damit wird eine Schmutzkampagne geführt, also genau das, was man Alp Services vorwirft. Ich finde das heuchlerisch.


Trotz allfälliger Bedenken haben Sie Aufträge von Alp Services angenommen?
Zu dieser Zeit war ich zu 80 Prozent als freier Mitarbeiter angestellt, inzwischen beim «Tages-Anzeiger». Ich durfte also weitere Arbeiten annehmen, solange sie nicht meine journalistische Unabhängigkeit tangierten. Ich hatte von Brero den Eindruck, dass er faktenbasiert arbeitet. Und wenn die Fakten stimmen und belegt sind, habe ich kein Problem, diese Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen. In diesem Zusammenhang war ich aber die Quelle von Alp Services und nicht umgekehrt. Das steht auch in diesen Dokumenten.


Sie haben also keine rote Linie überschritten?
Nein, denn ich habe nie Medienartikel im Auftrag von Alp Services geschrieben.


Aber Sie haben von der Firma 3500 Franken Honorar erhalten …
Ich wurde für meine Recherchen bezahlt, das stimmt. Aber ich habe keine journalistischen Texte für Alp Services geschrieben. Schon bei meinem ersten Gespräch mit Brero habe ich ihm klargemacht, dass ich für so etwas nicht zu haben bin. Auch das steht in den gehackten Dokumenten.


Was stand denn in Ihren Berichten?
Häufig ging es um Islamisten, Dschihadisten und ihre Verbindungen zu Terroristen und bewaffneten Milizen. Zwei der Texte befassten sich mit der Muslimbruderschaft. Viele dieser Zielpersonen lebten nicht in der Schweiz. Meine Recherchen stützten sich auf öffentlich zugängliche Quellen wie Facebook und waren oft mit Fotos oder Ausschnitten aus Videos belegt.


Sie haben auch nie Informationen von Brero erhalten?
Für Recherchen, mit denen er mich beauftragt hatte, gab er mir schon Hinweise. Und ich ging denen dann nach, um herauszufinden, was Sache ist. Wenn wir zusammen zu Mittag assen, gab es einen Gedankenaustausch über Themen wie Islamismus und die Versuche arabischer Erdölstaaten, den Westen mit dem politischen Islam zu unterwandern. Wir haben Meinungen ausgetauscht, Erfahrungen.


Alp Services hat selbst natürlich auch Auftraggeber. Wussten Sie, wer das in Ihrem Fall war?
Ich habe solche Recherche-Aufträge auch schon für Anwälte oder Banken ausgeführt. Wer der Kunde der Bank oder des Anwalts oder wie in diesem Fall von Alp Services ist, weiss man als Rechercheur nie. Wie jede Arbeitskraft habe ich mein Wissen und meine Fähigkeiten verkauft – absolut legal. Das tue ich ja auch, wenn ich für Zeitungen arbeite. Was Brero dann mit meinen Berichten angefangen hat, habe ich nicht zu verantworten. Genauso wenig wie das, was Leser mit meinen Zeitungsartikeln anfangen. Auch Geheimdienste lesen meine Zeitungsartikel und ziehen ihre Schlüsse daraus.


Aber hier stellte sich heraus, dass die Vereinigten Arabischen Emirate Auftraggeber waren …
Das wusste ich nicht, ich dachte eher an einen Thinktank, der sich mit Islamisten beschäftigt. Auf die Idee, dass es sich um den Geheimdienst eines arabischen Landes handelt, kam ich nicht, weil ich selbst nicht Arabisch spreche. Viele der Facebook-Profile, die ich während meiner Recherchen analysierte, waren auf Arabisch, und ich musste dafür einen Übersetzer engagieren. Warum ein arabischer Geheimdienst einer Detektivfirma Millionen bezahlt, die wiederum Berichte eines Rechercheurs weiterleitet, der kein Arabisch spricht, entzieht sich meinem Verständnis.


Umso mehr die Frage: Wieso hat Brero ausgerechnet Sie angestellt?
Wie gesagt, ich habe mir einen Namen gemacht als Kenner der Szene. Ich war immerhin jeweils mehr als ein Dutzend Mal in Syrien und Libyen. Dort hatte ich Kontakt zu einschlägigen Dschihadisten und Anhängern des Islamischen Staats und anderer Terrorgruppen.


Laut den geleakten Dokumenten soll Alp Services ihrem Kontaktmann bei den Vereinigten Arabischen Emiraten geschrieben haben: «Der erwartete Artikel über den Direktor von Islamic Relief Schweiz wurde heute endlich veröffentlicht. Er enthält vernichtende Details.» Es handelt sich um einen Artikel von Ihnen …
In einem der gehackten Dokumente steht gemäss «Heidi News», dass sich Alp Services mit keinem meiner Artikel bei den Emiraten brüstete.


Das französische Rechercheportal «Mediapart» und die Schweizer Onlinezeitung «Infosperber» haben Ihnen vorgeworfen, Sie hätten sich instrumentalisieren lassen. Was sagen Sie dazu?
Diesen Vorwurf weise ich vollumfänglich zurück.


Wofür haben Sie die 3500 Franken verwendet, die Sie von Alp Services erhalten haben?
Ich habe damit Vertrauensleute in die radikale Islamistenszene in der Schweiz und bei Neonazis eingeschleust.


Haben Sie damit nicht eine rote Linie überschritten und gegen den Journalistenkodex verstossen?
Nein, ich habe nicht für Informationen bezahlt, sondern meine V-Leute für ihre Arbeit und den Aufwand entschädigt, unabhängig vom Ergebnis. Sogar der Presserat erlaubt solche verdeckten Recherchen, wenn traditionelle journalistische Methoden nicht zum Ziel führen.