Vier Zürcher Parlamentarierinnen wollten vom Stadtrat wissen: Dürfen Frauen in Hallenbädern oben ohne schwimmen? Der Stadtrat hat nun geantwortet: Alle Badegäste dürfen nicht nur im Sommer in der Badi, sondern auch in Hallenbädern mit nacktem Oberkörper baden. Beobachter-Rechtsexpertin Nicole Müller erklärt, wie nackte Brüste juristisch geregelt sind.

Überrascht die Antwort des Stadtrats?
Nein, sie entspricht meiner juristischen Einschätzung. Denn aus meiner Sicht kann man es den Frauen grundsätzlich nicht verbieten, das Gleiche zu tun wie Männer. Das heisst eben auch: ohne Oberteil baden.


Wer legt das fest?
Die Bundesverfassung. Artikel 8 Absatz 3 erster Satz verbietet es, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt und dadurch benachteiligt werden. Zu dieser Bestimmung hat das Bundesgericht eine strikte Rechtsprechung: Männer und Frauen müssen in allen Bereichen gleich behandelt werden, und zwar «ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhältnisse und Vorstellungen».


Es spielt also keine Rolle, wenn jemand halbnackte Frauen unanständig findet?
Ganz genau. Für ein Oben-ohne-Verbot genügt es nicht, dass nackte Brüste jemanden stören. Laut dem obersten Gericht dürfen Männer und Frauen nur dann unterschiedlich behandelt werden, «wenn auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschliessen». Es braucht einen zwingenden biologischen oder funktionalen Grund, der verlangt, dass Brüste bedeckt werden müssen. Ich kann mir keinen vorstellen. Aber endgültig klar ist das nicht.


Warum nicht?
Weil es dazu noch keine Gerichtsentscheide gibt. Eine Rechtsfrage gilt erst als geklärt, wenn das Bundesgericht entschieden hat. Und auch sonst habe ich keine Texte von Juristinnen und Juristen gefunden, die sich mit dem Thema befassen. Wenn dazu jemals eine juristische Abhandlung oder ein Gerichtsentscheid rauskommt, wird es spannend.


Was bedeutet die Antwort für die übrige Schweiz?
Vielleicht folgen andere Kantone dem Beispiel, wenn entsprechende Anfragen aus der Bevölkerung kommen. Immerhin ist es die erste Aussage von offizieller Seite.