Wie schlimm sind Drogen wirklich?
Legale Drogen sind zum Teil schädlicher als verbotene. Wo bleibt da die Vernunft? Experten und Konsumenten berichten.
Niemand will es hören. Aber die schädlichste aller Drogen ist Alkohol. «Wenn Alkohol heute neu erfunden würde, würde man ihn mit Sicherheit verbieten», sagt der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen. «Das Schädigungspotenzial ist viel grösser als bei anderen Substanzen.»
Toni Berthels Erkenntnis ist unangenehm. Für viele gar eine Provokation. Als vor zehn Jahren der oberste Drogenberater der britischen Regierung Ähnliches sagte, wurde er entlassen. Wer König Alkohol kritisiert, lebt gefährlich. Wer nie trinkt, gilt als sonderbar.
«Die heutigen Verbote sind auf Basis von Angst und Halbwissen vor mehr als einem halben Jahrhundert entstanden.»
Toni Berthel, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen
«Ich persönlich will nicht auf ein Glas Wein oder ein Bier verzichten müssen. Aber es ist schlicht unlogisch, dass Alkohol erlaubt ist, aber zum Beispiel MDMA verboten», sagt Experte Berthel. Der Ecstasy-Wirkstoff MDMA müsste legal sein, wenn allein wissenschaftliche Kriterien über eine Zulassung entscheiden würden. «Es macht kaum süchtig und hat ein geringes Schädigungspotenzial.»
Das Drogenbild in unseren Köpfen sei falsch. «Die Gesellschaft geht davon aus, dass die legalen Substanzen Alkohol und Nikotin weniger schädlich sind als die illegalen. Doch das stimmt nicht», sagt Toni Berthel, der Zigarren raucht. Der legale Status einer Substanz habe oft wenig mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun. Alkohol sei aus historischen Gründen erlaubt, habe aber zusammen mit Heroin das höchste gesundheitliche und soziale Schadenspotenzial. Zumindest wenn man das Leid zum Mass nehme, das der Alkohol einem selbst und anderen zufüge – durch körperliche Schäden, Gewalt oder zerrüttete Familienverhältnisse.
Adrian Huber*, Vater zweier Töchter, sitzt in der Zürcher Innenstadt hinter einem Panaché und lächelt gut gelaunt. An anderen Tischen reden Studenten über Semesterprüfungen – Adrian Huber erzählt von seinen Drogenexperimenten. Er ist Kadermitarbeiter eines Grosskonzerns und hat in seinem Leben schon fast jede Droge genommen. Alkohol, Cannabis, Nikotin, Kokain, LSD, Ecstasy, halluzinogene Pilze. «Mit 20 habe ich wirklich alles extensiv ausprobiert, sogar einmal Heroin. Ich habe mich entspannt gefühlt und ging weitertanzen, bis es hell wurde. Ich hatte danach allerdings nie mehr das Bedürfnis, es nochmals zu nehmen.» Alkohol habe er hingegen nie gut vertragen, das Panaché sei eher die Ausnahme.
Heute nimmt der gepflegte Mittvierziger nur noch Ecstasy. Etwa alle zwei bis vier Monate gönnt sich Huber einen MDMA-Flash. «Mehr hat neben Familie und Beruf keinen Platz. Ausserdem dauert die Erholungsphase
mit zunehmendem Alter immer länger, das schreckt mich etwas ab.» Nach einem Flash fehlt dem Körper Serotonin, der Botenstoff für Glücksempfinden. Denn das MDMA hat die natürlichen Serotoninspeicher geleert, was zu einer Minidepression führen kann.
«Es geht um viel mehr als den temporären Rausch.»
Adrian Huber*, Mitte 40, Ecstasy-Konsument
Auf MDMA fühle er sich hervorragend, sagt Huber. «Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, beschert es Spass – stundenlang. MDMA erleichtert mir den Zugang zu mir selbst und zu meinem Gegenüber. Es fördert die Empathie und die Sozialkompetenz.»
Heute konsumiert der Familienvater Ecstasy meist im Freundeskreis, zu dem auch seine Tante zählt. Oft draussen in der Natur, an einem schönen Platz im Wald, oder bei jemandem zu Hause. An Partys gingen sie nur noch selten. «Es geht um viel mehr als den temporären Rausch.» MDMA wirke wie ein Herzöffner innerhalb der Gruppe, sie seien zu einer Art Familie zusammengewachsen. «Heute bin ich dankbar, dass mir in den wilden Zeiten als junger Mann nichts passiert ist», sagt Huber. Wenn seine Töchter älter sind, will er sie aufklären. «Ich werde die schönen Seiten der Drogen nicht verheimlichen, aber auch die Risiken klar aufzeigen.»
Drogenkonsumenten wie Adrian Huber gibt es viele. Sie konsumieren illegale Substanzen, ohne auffällig zu werden. Sie gefährden ihre Gesundheit, aber werden in neun von zehn Fällen nicht abhängig, schreibt die Uno im Weltdrogenreport. Vielleicht verursachen sie einen Unfall oder rasten mal aus, aber sie behalten ihren Job und stürzen nicht ab. Fachleute nennen diese grosse Mehrheit Freizeitkonsumenten. Sie sind einem randständigen Junkie so ähnlich wie ein Genusstrinker einem Alkoholiker.
Trotzdem gleicht Drogenkonsum russischem Roulette. Die Gefahr, süchtig zu werden oder eine psychische Störung zu erleiden, ist individuell verschieden hoch. Niemand kann wissen, ob es ihn trifft. Es hängt von der genetischen Veranlagung ab, von Umfeld und Lebenssituation, von einem allfälligen Trauma oder einer Krankheit wie Depression oder Angststörung.
Die Schweiz ist für Freizeitkonsumenten ein Schlaraffenland. Ein Drittel der Bevölkerung hat schon einmal gekifft. Mehr als 350'000 Personen konsumierten schon mal Kokain, eine Viertelmillion hat LSD probiert. Das belegen Zahlen des Suchtmonitorings des Bundes. Die Schweiz biete «ideale Voraussetzungen, um Suchtmittel zu konsumieren», schrieb die Präventionsorganisation Sucht Schweiz vor wenigen Wochen. Hohe Kaufkraft und breites Angebot machten es leicht. Illegale Drogen «sind in Städten schnell und relativ problemlos zu beschaffen».
Bern und Zürich haben das längst erkannt. Drogenkonsumenten können dort ihre verbotenen Substanzen anonym und gratis im Labor testen lassen – um die Gefahren hochdosierter oder verunreinigter Drogen zu verringern. «Wer die Qualität des Stoffs und die Risiken kennt, kann seinen Konsum besser steuern», erklärt Christian Kobel vom Zürcher Drogeninformationszentrum.
Der pragmatische Umgang der Städte mit illegalen Drogen ist ungewohnt. «In anderen Ländern wie etwa Deutschland ist ein solches Angebot derzeit undenkbar», sagt Kobel.
Auch der Bundesrat will etwas ändern. Zumindest bei der grossen Masse der Schweizer Kiffer. Ende Februar hat er dem Parlament vorgeschlagen, wissenschaftliche Pilotversuche mit Cannabis-Freizeitkonsumenten zu erlauben. So sollen Erkenntnisse gesammelt werden, damit man fundierter über eine Legalisierung von Cannabis diskutieren könne.
Für Toni Berthel, Präsident der Suchtkommission, ist das nur der Anfang. Alle Drogen sollten «nicht mehr grundsätzlich verboten» sein, sondern «entsprechend ihrem Gefährlichkeitspotenzial reguliert und kontrolliert» werden, fordert der frisch pensionierte Suchtabteilungs-Leiter der Psychiatrieklinik Winterthur.
Berthel stützt seine Forderung auf drei Studien. Die jüngste ist vor vier Jahren erschienen. 40 europäische Suchtexperten erstellten darin eine Rangliste der gefährlichsten Drogen (siehe nachfolgende Grafik). Dazu bewerteten sie die Schädlichkeit für den einzelnen Konsumenten und für die gesamte Gesellschaft – aufgrund von 16 Kriterien wie Abhängigkeitspotenzial, medizinische Beeinträchtigungen oder Kriminalität.
«Alkohol sollte als schädlichste aller Drogen betrachtet werden», so das Fazit der Studienautoren. Heroin sei zwar für den Einzelnen deutlich schädlicher, doch der weitverbreitete Alkoholkonsum verursache der Gesellschaft den höheren Schaden. Entscheidend dafür seien die negativen sozialen Effekte, die etwa Kinder aus alkoholbelasteten Familien besonders hart treffen.
Die Fachleute empfahlen der EU deshalb, die Politik auf die schädlichsten Substanzen auszurichten: auf Heroin, Kokain und Amphetamine wie Speed sowie auf Alkohol und Tabak. «Anderen Drogen wie Cannabis, Ecstasy und psychedelische Pilze sollte eine geringere Priorität eingeräumt werden», bilanzierten die Autoren. Sie forderten für diese Stoffe das Ende der Illegalität.
«Mit dem Strafrecht können wir gesellschaftliche Probleme nicht lösen. Deshalb muss das Betäubungsmittelgesetz geändert werden», bestätigt Toni Berthel. Die heutigen Verbote seien auf der Basis von Angst und Halbwissen vor mehr als einem halben Jahrhundert entstanden. «Je illegaler eine Substanz, desto problematischer die Bedingungen des Konsums. Eine legale Substanz, die gut reguliert wird, ist weniger gefährlich.»
Simone Krähenbühl* würde weinen vor Freude, wenn Cannabis legalisiert würde. «Ich bin keine Kriminelle, nur weil ich täglich kiffe. Ich lebe mit meinem Mann ein konservatives Familienleben auf dem Land. Wir haben zwei Kinder und zahlen Steuern.» Die berufstätige Mutter raucht seit ihrem 21. Geburtstag täglich etwa einen halben Joint. Wie ihr Mann. «Wir sind eine sehr aktive Familie. Das Cannabis holt uns etwas runter.» Den Hanf rollen die Krähenbühls ohne Tabak in ihre Joints. «Er ist absolut bio. Ohne Pestizide», sagt die Freiberuflerin.
«Wenn ich nicht kiffen würde, müsste ich vielleicht ein anderes Medikament nehmen. Hanf ist ein Wunder von einer Pflanze, das wir nie hätten verbieten sollen.» Dass Cannabis je legalisiert wird, glaubt Simone Krähenbühl aber nicht. «Ich weiss, wie die meisten Leute im Dorf denken. Wenn ich auf dem Spielplatz kiffen würde, gäbe es einen Skandal. Wenn ich aber mit meinen Freundinnen Prosecco tränke, fänden es alle normal.»
«Ich werde bis ans Lebensende kiffen. Ich brauche das als Korrektiv. Es fördert meine Selbstreflexion.»
Simone Krähenbühl*, Cannabis-Freizeitkonsumentin und Mutter
Simone Krähenbühl hat viel gelesen über die Wirkung des Cannabis-Wirkstoffs THC
und die Gefahren des Kiffens. Als sie schwanger war, diskutierte sie lange mit ihrer Ärztin. Mit dem Kiffen hat sie erst wieder angefangen, als sie nicht mehr stillte. Das Kiffen habe sie wohl vergesslicher gemacht, ans Aufhören denkt Krähenbühl aber nicht.
«Ich werde bis ans Lebensende kiffen. Ich brauche das als Korrektiv. Es fördert meine Selbstreflexion. Kiffen aktiviert mich, kann aber auch ängstlich machen. Deshalb kiffe ich nie vor dem Schlafen.» Sobald ihre Kinder in die Pubertät kommen, will sie sie warnen. «Ich will nicht, dass meine Tochter mit 14 schon kifft. Es kann depressiv machen. Wenn sie es mit 20 macht, habe ich keine Mühe – sofern sie nicht passiv wird, sondern zum Beispiel nach dem Sport kifft.»
Wie schädlich Drogen für Jugendliche sein können, weiss Boris Quednow. Der Zürcher Professor erforscht seit knapp 20 Jahren die Wirkung berauschender Substanzen und präsentiert seine Erkenntnisse auch Teenagern. Als er an der Kantonsschule Zürich Nord einen Vortrag hielt mit dem Titel «Drogen und das neugierige Gehirn von Jugendlichen», war der Saal rappelvoll. Rund 500 Schüler zwischen 12 und 20 drängten sich in die Klappsitze der Aula. «Jugendliche interessieren sich sehr für die Wirkung illegaler Substanzen», sagt Pharmakopsychologe Quednow. «Je früher man sie informiert, desto besser.»
Der 46-jährige Forscher legte Schülern Erkenntnisse vor, die wachrütteln. Kokain nehmen sei wie Sex . Nur schütte das Gehirn 250-mal mehr des Belohnungs-Botenstoffs Dopamin aus, steht auf Folie vier seiner Präsentation. Wer mit 14 beginne, Alkohol zu trinken, werde mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent im Lauf seines Lebens alkoholkrank, zeigt Folie elf. Oder: Wer als Minderjähriger kifft, versucht sich dreimal so häufig umzubringen wie ein Nichtkiffer.
Man merkt Boris Quednow an, wie sehr ihn beschäftigt, was er über die Wirkung von Drogen herausgefunden hat. Dennoch hält er solche Vorträge nur zwei-, dreimal jährlich. Mehr lasse seine Forschertätigkeit nicht zu.
Quednows wichtigste Botschaft ist dreigeteilt:
- Erstens: «Das jugendliche Gehirn ist neugieriger als das erwachsene. Aber auch suchtanfälliger.»
- Zweitens: «Das Hirn ist erst nach über 20 Jahren fertig ausgereift. Solange das Hirn reift, ist häufiger Drogenkonsum besonders heikel.»
- Drittens: «Die meisten beginnen den Konsum zwischen 12 und 20.»
Zusammengefasst könnte man sagen: Die Verlockung des Rauschs ist am grössten, wenn sie am gefährlichsten ist. Das ist das Grundproblem jeglicher Drogenpolitik. Die Frage, die in jeder Diskussion über legale und illegale Substanzen auftaucht: Wie schützt man junge Menschen am besten?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, sagt Boris Quednow. Es brauche mehr Studien zu den Langzeitwirkungen. «Wir wissen noch erstaunlich wenig, weil es den regelmässigen Konsum vieler dieser Substanzen noch gar nicht so lange gibt.» Er setzt deshalb auch ein Fragezeichen hinter die Forscher-Rangliste, die Alkohol zur schädlichsten Substanz kürte. Man müsse berücksichtigen, dass das lediglich eine Umfrage unter 40 Experten sei und keine Studie mit Konsumenten.
«Das Hirn ist erst mit über 20 ausgereift. Davor ist häufiger Drogenkonsum besonders heikel.»
Boris Quednow, Pharmakopsychologe, Universität Zürich
Quednow würde Alkohol als etwas weniger schädlich einstufen. «Natürlich gibts genug Probleme mit Alkohol. Aber wir wachsen damit auf.» Jeder wisse, dass zu viel Alkohol nicht gut sei, viele unterschätzten aber die Risiken. «Mit einem regelmässigen Alkoholkonsum steigt das Krebsrisiko, und Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Schlaganfälle oder Bluthochdruck werden begünstigt. Die wenigsten sind sich dessen bewusst.»
Welche Substanz am gefährlichsten sei, könne man nicht exakt festlegen, erklärt Quednow. Es sei zum Beispiel schwierig, Cannabis und Alkohol zu vergleichen. «Wer ungeübt anderthalb Flaschen Wodka runterhaut, kann eine Atemdepression kriegen oder an Erbrochenem ersticken. Mit Cannabis kann man sich dagegen nur schwer umbringen.» Aber Cannabis könne auf Dauer ernsthafte psychische Probleme auslösen. «Wenn man Cannabis legalisieren wollte, dann erst ab 21 Jahren. Falls man schon ab 18 regelmässig kiffen dürfte, wäre das Risiko für Beeinträchtigungen des Gehirns viel zu gross, weil es noch nicht ausgereift ist.»
«Ecstasy, LSD und psychoaktive Pilze sind keineswegs harmlos – trotz dem geringen Abhängigkeitspotenzial», sagt Quednow. Ecstasy könne Leberschäden verursachen oder zu Hirnschwellungen und Überhitzung führen. In mehreren Studien hat der Forscher zudem gezeigt, dass jahrelanger Ecstasy-Konsum die Gehirnleistung verschlechtert: «25-jährige regelmässige Ecstasy-Konsumenten haben eine Gedächtnisleistung wie 60-jährige Nichtkonsumenten.»
Auch Kokain und Alkohol seien nur auf den ersten Blick vergleichbar, sagt Quednow. Der Alkohol entfalte sein Abhängigkeitspotenzial erst nach Jahren oder manchmal Jahrzehnten. «Bei Kokain kann das im Vergleich rasend schnell gehen. Zudem ist unter Kokain das Risiko eines Schlaganfalls 20-fach erhöht.» Kokain sei die einzige Substanz, die kein Sättigungsgefühl auslöst. «Bei Alkohol, Cannabis oder Heroin wollen Sie nach einer bestimmten Menge nicht mehr.»
Substanzen wie Kokain oder Heroin könne man nicht legalisieren. «Die Nebenwirkungen und das Abhängigkeitspotenzial sind einfach zu gross.» Bei Cannabis ist Quednow unschlüssig. Die Forschung sei sich uneinig über die Folgen. «Menschen unterscheiden sich extrem darin, wie gut sie sich kontrollieren können, wie hoch ihr Abhängigkeitspotenzial ist und wie gut die Qualität ihrer Entscheidungen. Der Staat hat letztlich die Aufgabe, auch diese Leute zu schützen.»
Luca Urgese, blaues Hemd unter blauem Businesspullover, bestellt ein stilles Wasser in einem Basler Bistro und wischt alle Einwände beiseite. «Die Menschen sollten die Freiheit haben, Drogen zu nehmen und sich damit zu schädigen», sagt der Präsident der FDP Basel-Stadt. Seit letzten August steht das sogar im Parteiprogramm der Basler Freisinnigen.
Nur eine Dreiviertelstunde hatten die FDP-Mitglieder im Schützenhaus-Säli gestritten. Dann stimmten sie dem Traktandum «Drogen legalisieren» mit 37 zu 13 Stimmen zu, bei 6 Enthaltungen. «Jahrzehnte der Prohibition haben Drogen nicht beseitigen können», heisst es nun im Parteiprogramm. Deshalb dürften Drogen nicht mehr grundsätzlich verboten sein, selbst Heroin nicht. Alle Substanzen müssten «legalisiert, kontrolliert und besteuert werden, um dem leidbringenden Schwarzmarkt die Grundlage zu entziehen». Die Jugend solle entsprechend geschützt werden.
«Dass Drogen gefährlich sind, bestreitet niemand. Auch Cannabis ist nicht harmlos», sagt Urgese. «Wir wollen auch nicht, dass man Drogen in der Migros kaufen kann. Sondern in der Apotheke oder einem lizenzierten Shop», erklärt der 32-jährige Jurist. Freiheit sei für die Gesellschaft genauso wichtig wie für die Wirtschaft, findet Urgese, der hauptberuflich bei der Basler Handelskammer für die Wirtschaft lobbyiert.
«Die Politik muss sich an der Realität orientieren. Der Rausch ist ein Bedürfnis der Menschheit.»
Luca Urgese, Basler FDP-Präsident
Das Problem sei, dass es keinen Handlungsdruck gebe. «Weil man keine kaputten Drogenkonsumenten mehr auf der Strasse sieht, haben viele das Gefühl, Drogen seien kein Thema mehr. Die Realität ist aber, dass man kaum eine Party erlebt, ohne dass jemand kifft oder Kokain nimmt. Die Politik muss sich an der Realität orientieren. Nicht umgekehrt. Der Rausch ist ein Bedürfnis der Menschheit.» Die Schweiz solle sich andere Länder zum Vorbild nehmen. «Heute hat Portugal die fortschrittlichere Drogenpolitik als wir. Der Besitz von Kleinmengen sollte auch bei uns bei allen Drogen straffrei sein
, der Konsum entkriminalisiert.»
Die FDP Schweiz hat die Legalisierungsforderung der Basler schroff zurückgewiesen. Dabei hat sich selbst Bundesrat Ignazio Cassis einst für eine kontrollierte Legalisierung ausgesprochen.
Nationalratskandidat Urgese beeindruckt das nicht. Es brauche eine erwachsene Diskussion über den Umgang mit Drogen, findet er. «Alkohol ist für unzählige Familientragödien verantwortlich, Nikotin bringt die Konsumenten um.» Trotzdem käme es niemandem in den Sinn, ein Verbot zu fordern. Weil es nichts brächte. «Dass allein Alkohol und Nikotin legal sind, ist völlig unlogisch. Diese Grenze ist willkürlich gesetzt.»
* Name geändert
Alkohol ist die beliebteste Droge – und zugleich die schädlichste. Alkohol entspannt, macht kontaktfreudig, kann aber auch Aggressionen wecken.
- 93 % der Schweizer Bevölkerung ab 15 haben schon Alkohol konsumiert. Jeder Zehnte trinkt täglich.
- 15 % der Leute, die Alkohol probieren, werden abhängig – von den regelmässigen Trinkern sind 27% süchtig.
- 250'000 Alkoholabhängige leben in der Schweiz. Jede fünfte Person trinkt einmal im Monat zu viel.
- 4 bis 20 Franken kostet eine «Alkoholeinheit» in einer Bar. Im Laden weniger als 40 Rappen.
Benzodiazepine sind verschreibungspflichtige Medikamente, die beruhigend, angstmindernd und einschläfernd wirken. Bekannte Marken sind Valium, Temesta oder Dormicum.
- Es ist unbekannt, wie viele Personen in der Schweiz bereits «Benzos» genommen haben.
- 9% aller Benutzer werden abhängig. Die missbräuchliche Einnahme ist nicht scharf von der ärztlich verordneten zu trennen.
- 26 % der Bewohner von Pflegeheimen erhielten 2016 mindestens ein Benzodiazepin mittlerer Stärke.
- 7 bis 15 Franken kostet eine Tablette auf dem Schwarzmarkt; in Apotheken weniger als 1 Franken.
Cannabis ist die in der Schweiz am meisten konsumierte illegale Substanz. Gras (Blüten) und Haschisch (Harz) werden meist als Joint geraucht und wirken beruhigend.
- 34 % der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren haben schon einmal gekifft.
- 9 % aller Personen, die Cannabis probieren, werden abhängig.
- 16 Jahre alt sind Jugendliche im Schnitt, wenn sie das erste Mal Cannabis konsumieren.
- 10 bis 15 Franken kostet ein Gramm Gras oder Hasch. Der Gehalt der Hauptwirkstoffe THC und CBD differiert je nach Produkt stark.
Pilze mit halluzinogener Wirkung enthalten Psilocybin und Psilocin. Sie werden meist gegessen oder in Tee getrunken.
- 4 % der Bevölkerung ab 15 haben schon «Pilzli» probiert.
- 5 % dieser Personen werden psychisch abhängig.
- 3 bis 6 Stunden dauert die Wirkung – je nach Sorte und Zubereitung.
Kokain steigert das Selbstvertrauen und den Bewegungsdrang. Es wird geschnupft, seltener auch gespritzt oder geraucht.
- 4 % der Bevölkerung haben schon Kokain probiert.
- 17 % der Leute, die Kokain probieren, werden süchtig.
- 8 bis 15 Franken kostet eine Linie à 75 bis 100 Milligramm. Der Reinheitsgrad schwankt enorm.
LSD ist eine halluzinogene Substanz. Das flüssige Lysergsäurediethylamid wird meist auf Papier («Filzli») geschluckt.
- 3 % der Bevölkerung haben bereits LSD probiert.
- 5 % entwickeln nach Einmalkonsum eine psychische Abhängigkeit.
- 5 bis 20 Franken kostet ein Trip. Die Dosis schwankt stark.
Heroin wirkt angstlösend, schmerzstillend und beruhigend. Es wird meist gespritzt, seltener geraucht.
- 1 % der Bevölkerung hat schon einmal Heroin genommen.
- 23 % aller Einmalkonsumenten werden süchtig.
- 40 bis 70 Franken kostet ein Gramm Heroin. Der Reinheitsgrad liegt bei 10 bis 20 Prozent.
Ecstasy wird als Pille geschluckt. Die Partydroge mit dem Wirkstoff MDMA verstärkt das Kontaktbedürfnis und das Musikempfinden.
- 4 % der Bevölkerung ab 15 haben schon mindestens einmal Ecstasy genommen.
- Sehr klein ist die Chance, von MDMA abhängig zu werden. Darin sind sich Experten einig.
- 150 bis 160 mg MDMA enthielten in der Schweiz getestete Pillen im Schnitt. Das ist doppelt so viel wie empfohlen.
- 2 bis 20 Franken kostet eine Pille je nach Bezugsquelle, Dosis und Reinheitsgrad.
Speed ist eine Mischung aus Koffein und Amphetamin. Es wirkt aufputschend, appetitzügelnd und euphorisierend.
- 4 % der Bevölkerung haben bereits Amphetamine konsumiert.
- 11 % dieser Personen entwickeln eine Abhängigkeit.
- 2.50 Franken kostet eine Linie à 100 Milligramm Speed.
Tabak enthält über 3500 Stoffe; der wichtigste ist das Nervengift Nikotin. Tabak wird geraucht, geschnupft oder gekaut.
- 50 % der Bevölkerung ab 15 haben schon einmal geraucht.
- 32 % aller Leute, die einmal rauchen, entwickeln eine Abhängigkeit.
- 43 Rappen kostet eine Zigarette im Durchschnitt.
3 Kommentare
Der Mensch = Körper-Geist und Seele. Eine konstante, absolute "Harmonie" dieser "drei", gibt es bei keinem Menschen lebenslang. Jeder Mensch - ein Individuum. Es gibt Menschen, die verfügen (Lernprozesse) über lösungsorientierte Möglichkeiten, sich bei "Disharmonie" (Körper-Seele-Geist), mittels entsprechender Mechanismen, "aufzurappeln", anderen fehlen diese Möglichkeiten. Deshalb gibt es auch verschiedenste Arten von "Lösungs-Ersatz-Drogen", welche Menschen für sich und andere fanden/finden/erfanden zur Kompensation. Solange es Menschen gibt, wird es "Drogen und Abhängigkeit" geben. Es gibt kein "Geheim-Rezept", welches irgendeine dieser "Drogen" einfach eliminiert, weshalb ein Freigabe von "käuflichen Drogen", Drogenabgabestellen - gerade auch für junge Menschen - keine Sinn machende Lösung, da es die "Ursachen/Verursachung" nicht beheben hilft.
Irgendwann sollte man auch die versteckte Kriminalisierung via Strassenverkehr anschauen. Bei Alkohol gibt es Grenzwerte. Bei anderen Substanzen reicht es, wenn nach Tagen noch Spurenelemente vorhanden sind, um jemandem das Leben zu ruinieren.
Natürlich müssen Fahrer die fahruntauglich sind, vom Strassenverkehr ferngehalten werden. Aber wenn jemand nach Tagen völlig nüchtern nur auf Grund von Spurenelementen verurteilt wird, dann widerspricht das meinem Empfinden von einem Rechtsstaat. Alle Substanzen sollten einen fairen und praxisnahen Grenzwert erhalten, ähnlich wie bei Alkohol.
Die Polizei ist da, um eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten und nicht um sinnlos die Menschen zu kriminalisieren.
Rechtsstaat??? Das in der Schweiz ist kein Rechtsstaat. Das ganze ist lediglich Abzocker und Machtgeilheit. Unsere Demokratie ist lediglich eine Diktatur der manipulierten Mehrheit.