«Vielleicht bist du auch einfach gut so, genau wie du bist.» Die Aussage meines Berufskollegen kam leicht, klar und mit Herz. Und sie überrumpelte mich. Nicht weil er etwas gesagt hatte, was mir komplett fremd war. Zum Glück! Ich mag mich und ich kenne meine Kompetenzen. Doch ich war gerade in einer sozial nicht ganz einfachen Situation.Und da berührte mich seine Bestärkung derart zielsicher und tief im Innern, dass ich genauer hinschauen musste. Mir wurde klar, dass es in mir einen vernachlässigten Ort gab. Und um diesen musste ich mich kümmern.

Zu wissen, dass man gut genug ist, ist eine wichtige Fähigkeit. Ein guter Selbstwert ist wie ein kluger, starker Freund, der einem in schwierigen Momenten zur Seite steht. Er schenkt Energie, schützt uns bei Angriffen und hält uns auf Kurs, wenn wir grosse und kleine Herausforderungen meistern müssen.

Mit dem Wissen um den eigenen Wert und die eigene Richtigkeit allein ist es aber nicht getan. Gerade in Bezug auf den Selbstwert ist es nämlich ein himmelweiter Unterschied, ob dieses Wissen nur im Kopf als Theorie verankert ist oder ob es einen viszeralen Charakter hat – also ob es im wahrsten Sinne des Fremdworts bis in die Gedärme geht und auch das Herz erreicht. 

Selbstwertwissen muss lebendig sein und verinnerlicht werden, damit es seine Kraft entfalten kann. Man muss es im eigenen System verwurzeln, es dort regelmässig besuchen und hegen und pflegen. Denn nur durch diese aktive und liebevolle Zuwendung kann das Wissen um den eigenen Wert mit einem Spüren ergänzt werden. Durch dieses Spüren wird schliesslich etwas Statisches lebendig und etwas Theoretisches praktisch und greifbar. 

«Zu wissen, dass man gut genug ist, ist eine wichtige Fähigkeit.»

Caroline Fux, Psychologin

Dieser Prozess der Verinnerlichung ist zu grossen Teilen eine persönliche Aufgabe. Also eine Leistung, die man für sich selbst erbringen muss. Selbstliebe, Selbstfürsorge und Selbstverantwortung Stressbewältigung So bleiben Sie mit Coping-Strategien in Krisen stark sind wichtige Pfeiler in einem erfüllenden, autarken Leben. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Projekt «Guter Selbstwert» ein komplettes Soloprojekt ist. Wir müssen nämlich nicht jede Kraft und jeden Glanz komplett allein aus uns herausholen. Schliesslich leuchten auch Sterne erst durch das Licht der Sonne. (So viel Kitsch muss gerade in der Adventszeit erlaubt sein.)

Die Bestärkung durch meinen Freund hatte meinem grundsätzlich vorhandenen Wissen neues Leben eingehaucht. Sein Impuls hatte mich einmal mehr daran erinnert, dass wir bei aller Liebe zur Selbstverantwortung auch emotionale Nahrung von aussen benötigen. Dass wir nicht nur durch uns selbst aufblühen, sondern auch durch das Lob und die Positivität von anderen Wertschätzung Eine tolle Leistung verdient eine Würdigung

Ein Lob gibt neue Kraft

Sollten Sie also noch auf der Suche nach einem Geschenk für Weihnachten oder einem Vorsatz fürs neue Jahr sein: Loben Sie! Bestärken Sie die Menschen um sich herum. Teilen Sie grosszügig mit, was Sie schätzen und was Ihnen im Austausch mit ihnen guttut. Bringen Sie Rückenwind ins Leben jener Leute, die Ihnen etwas bedeuten. 

Achten Sie dabei darauf, dass Ihr Lob nicht an eine Erwartung geknüpft Erwartung an andere «Dich interessiert überhaupt nicht, wie es mir geht!» ist. Erwartungen kleben nämlich wie Gummibänder an Komplimenten: Sie entfalten nach dem Geben eine Kraft, die das gerade Gegebene zurückzieht. So schaffen Sie eine Verbindung, wo streng genommen keine hingehört. Und dieses Tauziehen sollten Sie vermeiden, wenn Sie es mit Ihrem Geschenk ernst meinen.

Beglücken Sie auf Ihrer Mission übrigens explizit auch jene Menschen, von denen Sie vermuten, dass sie Rückhalt und Bestärkung vielleicht gar nicht wirklich nötig haben. Also die Kämpferinnen, Pioniere und Felsen in der Brandung in Ihrem Umfeld. Leute, die eine Aura von Kraft und Unverwüstlichkeit um sich herum tragen – und die wirken, als ob sie alles mit links meistern. Es sind nämlich nicht selten genau diese Menschen, die in Sachen Lob und Rückhalt im Alltag eher wenig abbekommen.

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Zur Person

Caroline Fux

Caroline Fux schreibt für den Beobachter über ihre Arbeit als Psychologin und die tägliche Konfrontation mit sich selbst. Ausserdem ist sie Co-Autorin der Beobachter-Bücher «Was Paare stark macht», «Guter Sex» und «Das Paar-Date».

Quelle: Paul Seewer

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