Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) kommt der Schwyzer Inkassofirma Obligo juristisch nicht bei. Gegen einen ersten Freispruch im Jahr 2022 wehrte sich das Seco noch und zog das Urteil weiter, ebenso die Westschweizer Konsumentenorganisation FRC. Kürzlich aber hat das Kantonsgericht Schwyz entschieden, dass es auf die Berufung nicht eintritt. Daraufhin hat das Seco angekündigt, das Urteil nicht weiter anzufechten. Anders die FRC: Der Konsumentenschutz zieht den Entscheid des Kantonsgerichts vor Bundesgericht. Nun liegt das schriftlich begründete Urteil des Schwyzer Kantonsgerichts vor. 

Was ist passiert?

Der juristische Kampf des Staatssekretariats gegen die Inkassofirma begann vor zehn Jahren. Damals hatte das Seco Strafanzeige gegen Obligo eingereicht. Mindestens so lange beschäftigt das Inkassounternehmen auch schon die Journalisten und Beraterinnen beim Beobachter: Regelmässig erhalten unsere Mitglieder Rechnungen für angebliche Sexfilm-Abos, die sie nie bewusst abgeschlossen haben.

Im September 2022 erging dann das erste Urteil im Fall Obligo. Es lautete auf Freispruch. Das Bezirksgericht March war der Ansicht, es sei für Konsumenten genügend klar ersichtlich, dass nach der kostenlosen Probezeit eine Abogebühr anfalle, und man sei auf die Kündigungsmöglichkeit hingewiesen worden. Damit sei kein strafrechtlich relevantes Verhalten ersichtlich. 

Seco nicht legitimiert 

Das Schwyzer Kantonsgericht als nächste Instanz trat gar nicht erst auf die Berufung gegen den Freispruch ein. Das heisst, es setzte sich inhaltlich nicht damit auseinander, weil formelle Voraussetzungen fehlten. Es ist der Meinung, das Seco sei nicht dazu berechtigt, das Rechtsmittel zu ergreifen. Der Grund: Es muss dafür ein kollektives Interesse vertreten und nicht nur Einzelfälle.

Mit den 60 eingebrachten Beschwerden beim Seco sei nicht bewiesen, dass unlautere Geschäftspraktiken oder Internetbetrügereien grossen Stils vorlägen, die über Einzelfälle hinausgingen, heisst es im Entscheid des Kantonsgerichts. Die Behörde habe auch nicht begründet, warum das Geschäftsgebaren von Obligo gesellschaftlich so relevant sei, dass eine Klärung der Sache nötig sei.

Auch auf die Berufung der FRC tritt das Gericht nicht ein, weil diese ungenügend begründet sei. Die FRC bestreitet dies und erhofft sich, dass das Bundesgericht den Nichteintretensentscheid aufhebt. Der Konsumentenschutz ist der Ansicht, das Kantonsgericht habe ihnen zumindest die Gelegenheit geben müssen, ihre Begründung nachzubessern. «Dieser Fall ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten, denen Konsumenten ausgesetzt sind, wenn sie ihre Rechte geltend machen wollen», schreibt die FRC in einer Pressemitteilung.

Viele Meldungen beim Beobachter

Dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt, zeigt ein Blick in die Fallverwaltung des Beobachters. Allein im Beratungszentrum gingen bis dato rund 650 Meldungen ein. Da sich längst nicht alle Betroffenen beim Beobachter melden, dürfte die Gesamtzahl um einiges höher sein. 

Und es bleibt dabei: Obligo muss im Einzelfall beweisen können, dass Betroffene wissentlich und willentlich einen kostenpflichtigen Vertrag abgeschlossen haben. Der Beobachter empfiehlt darum allen, die das nicht getan haben, die Forderung von Obligo einmalig per Einschreiben zu bestreiten. Bisher ist kein Fall bekannt, in dem Obligo eine angedrohte Betreibung wirklich eingeleitet hat. Und selbst wenn, könnten Betroffene Rechtsvorschlag erheben. 

Mustervorlage «Internetabzocke» bei Guider

Wurde Ihnen für eine angebliche Bestellung im Internet eine Rechnung oder Mahnung zugestellt, obwohl die Dienstleistung als gratis beschrieben war? Beobachter-Abonnenten wehren sich mit der Mustervorlage «Internetabzocke» gegen diese ungerechtfertigte Forderung.

Obligo-Anwalt verweist auf Freispruch

Der Beobachter bat Obligo um eine Stellungnahme. Die Antwort kam von deren Anwalt. Laut ihm sei der erstinstanzliche Entscheid inhaltlich massgebend für die Vorwürfe gegen Obligo – darin sei der Geschäftsführer mit deutlichen Worten von allen Vorwürfen freigesprochen worden. Das Bundesgericht müsse sich nicht inhaltlich mit dem Fall befassen, sondern lediglich mit prozessualen Fragen.

Das ist korrekt, aber rechtskräftig ist der erstinstanzliche Entscheid trotzdem noch nicht. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesgericht die Vorinstanz dazu verknurrt, sich doch noch inhaltlich mit dem angefochtenen Freispruch zu beschäftigen.

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