Zehn Uhr morgens im Städtchen Canggu auf der indonesischen Insel Bali. Ich schnappe meinen Laptop, schwinge mich auf meinen Mietroller und fahre Richtung Co-Working-Space. Vier Wochen digitale Nomadin sein, vier Wochen von dort aus arbeiten, wo andere Ferien machen, vier Wochen wie Julia Roberts in «Eat Pray Love» durch malerische Reisfeldlandschaften pirschen, eine fremde Kultur kennenlernen und die Schönheit dieses Landes geniessen.

Und tatsächlich: Der Co-Working-Space Home Office und Coworking-Space Die Vorteile des lokalen Arbeitens ist ein wahrer Millennial-Traum. Strandhüttenromantik gepaart mit Affirmationssprüchen an den Wänden, getoppt mit bunten Açaí-Bowls an der Bar. Fast täglich werden am Mittag Yogaklassen organisiert und am Abend gemeinsame Strandausflüge. Nach dem morgendlichen Avocado-Toast mit einem Ingwer-Powershot heisst es erst einmal arbeiten. Eine Horde von Westeuropäerinnen, Nordamerikanern und Australierinnen öffnet ihre Macbooks und beginnt eifrig an Social-Media-Content-Plänen, Digital-Marketing-Strategien und neuen Apps für ihre Start-ups zu arbeiten. Am Mittag gibts eine vegane Detox-Bowl (wann hat die Generation Y eigentlich entschieden, dass flache Teller des Teufels sind?); am Abend dann Karaoke in der Bar nebenan, in der nicht nur die Gäste, sondern auch die Angestellten selbst aus dem globalen Norden stammen.

Remote Work lässt die Preise steigen

Canggu ist ein Beispiel für ein Phänomen, das sich in etlichen Orten weltweit zeigt. Egal, ob Chiang Mai (Thailand), Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnam) oder Medellín (Kolumbien) – spätestens seit Unternehmen während der Pandemie ihre Angestellten ins Homeoffice ziehen lassen mussten, boomt Remote Work weltweit. Verschiedene Quellen schätzen die Anzahl digitaler Nomaden heute auf 35 Millionen – dreimal mehr als vor der Pandemie. Diesen Trend haben etliche Länder erkannt und locken nun mit Digital-Nomad-Visa. Diese erlauben es Remote Workern, sich für eine bestimmte Zeit im Land aufzuhalten und von dort aus für ausländische Firmen zu arbeiten. Einzige Hürde bei vielen Angeboten – man muss ein bestimmtes Minimaleinkommen nachweisen können.

Das Problem: Die Einkommensdifferenz zwischen den Remote Workern und der durchschnittlichen Bevölkerung ist enorm. Die Folge davon ist eine unaufhaltsame Preissteigerung vor Ort. Die Wohnungsmieten schnellen in die Höhe, die Restaurants werden für die lokale Bevölkerung unerschwinglich, und selbst die Preise in den Lebensmittelgeschäften sind in Quartieren mit vielen ausländischen Gästen höher. Die Aufenthalte der digitalen Nomaden sind temporär, ihre Besuche verändern Nachbarschaften und ganze Städte jedoch permanent.

«Fragen Sie sich vor jedem Schritt Ihrer Reise, welche Auswirkungen Ihr Handeln auf Mensch und Umwelt hat».

Sabrina Haase, Expertin für nachhaltiges Tourismusmanagement

Wer plant, als Remote Workerin zu arbeiten, sollte sich deshalb im Voraus ein paar wichtige Gedanken zum Aufenthalt machen. «Jede Form des Reisens kann nachhaltiger gestaltet werden», sagt Touristikerin Sabrina Haase. Sie hat sich während ihrer Ausbildung zur nachhaltigen Tourismusmanagerin intensiv mit Remote Work auseinandergesetzt und festgestellt, dass viele digitale Nomaden noch immer mit dem Flugzeug von einem Ort zum anderen jetten. Stattdessen empfiehlt sie, sich an die sogenannte G.L.Ü.C.K.-Formel von Fairunterwegs zu halten. Die Buchstaben stehen für:

  • G = gemächlich unterwegs
  • L = lokal bevorzugen
  • Ü = Überraschungen zulassen
  • C = CO2 reduzieren
  • K = korrekten Preis bezahlen
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Es muss nicht so weit weg sein

«Fragen Sie sich vor jedem Schritt Ihrer Reise, welche Auswirkungen Ihr Handeln auf Mensch und Umwelt hat», ergänzt Haase. Helfen könnten dabei Überlegungen wie diese: Muss es der zweiwöchige Trip nach Bali sein oder reicht es auch, mit dem Zug an die Atlantikküste zu fahren? Kann ich tatsächlich nur im schicken Hotel schlafen oder fühle ich mich auch in einer lokal geführten Unterkunft wohl? Finde ich in einer Seitengasse ein gutes Restaurant, geführt von Einheimischen, statt dort essen zu gehen, wo die Touristen sind? Kann ich so lange vor Ort bleiben, um wirklich in die Kultur einzutauchen?

Besonders wichtig findet Haase es zudem, regelmässig aus der Digital-Nomad-Blase auszubrechen: «Der Kontakt mit den Menschen vor Ort ist für einen selbst wie auch die lokale Bevölkerung enorm wertvoll.»

So klappt Remote Work

Die Möglichkeit, von überall aus zu arbeiten, ist verlockend. Damit der Traum vom Strandbüro nicht zum administrativen Albtraum wird, lohnt es sich, vorher einige Dinge abzuklären.

  • Zielort: Wohin solls gehen? Steht Ihnen der Sinn eher nach gemütlichem Strandort oder pulsierender Metropole? Ist Ihnen Sicherheit besonders wichtig? Wie gross ist Ihr Budget? Wie schnell muss das Internet sein? Auf der Website Nomadlist.com können Sie anhand zahlreicher Kriterien Ihre ideale Remote-Work-Destination finden.
  • Firmenvorgaben: Grundsätzlich gilt der vertraglich vereinbarte Arbeitsort. Manche Firmen haben aber einen Leitfaden für Remote Work im Ausland erstellt. Wichtig ist, dass Sie eine Bewilligung Ihrer Vorgesetzten einholen und sich bei der Auswahl Ihres Zielorts an die internen Vorgaben bezüglich Infrastruktur und Internetgeschwindigkeit halten.
  • Sozialversicherungen: Wer mehr als 25 Prozent (in einigen Ländern auch 50 Prozent) seiner Arbeitszeit im Homeoffice im EU-/Efta-Raum verbringt, wird dadurch im jeweiligen Gastland sozialversicherungspflichtig. Ausserhalb des EU-/Efta-Raums sind andere Regelungen möglich. Klären Sie diese vorgängig ab.
  • Krankenkasse: Solange Ihr Lebensmittelpunkt die Schweiz bleibt, ändert sich an der Krankenkassenpflicht nichts. Abhängig von der Zieldestination lohnt sich aber eine Zusatzversicherung, die weltweit für Arzt- und Spitalkosten aufkommt. Darin enthalten sind in der Regel auch die Kosten für die medizinisch notwendige Rückführung in die Schweiz.
  • Steuerpflicht: Grundsätzlich gilt die Steuerpflicht am Ort des Lebensmittelpunkts. Bei längeren Aufenthalten im Ausland kann es jedoch zu komplizierten Einzelfallentscheiden kommen.
  • Arbeitsschutz: Die Schutzbestimmungen des schweizerischen Arbeitsgesetzes gelten im ausländischen Homeoffice grundsätzlich nicht. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter jedoch auffordern, auch im Ausland das Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot einzuhalten.
  • Datenschutz: Die in der Schweiz geltenden Sicherheitsmassnahmen bezüglich Datenschutz müssen auch im Ausland eingehalten werden. Dies umfasst zum Beispiel den Schutz vor unbefugtem Zugriff auf Ihren Rechner und geschützte Kommunikationskanäle im Internet.

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