Es ist ein dunkles Kapitel in der Schweizer Geschichte: Von den 1970er- bis in die 1990er-Jahre sind rund 900 Kinder aus Sri Lanka mehrheitlich illegal adoptiert worden. Das hat ein Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Februar 2020 bestätigt. Darin steht auch: Der Bundesrat war über die Missstände informiert, unternahm aber nichts, um die illegalen Adoptionen zu stoppen. Und auch die kantonalen Adoptionsbehörden schauten weg, genauso wie die Schweizer Botschaft in Sri Lanka.

Auf Babyfarmen in Sri Lanka wurden Säuglinge an ausländische Paare mit Kinderwunsch verkauft.

Die adoptierten Kinder waren erst wenige Wochen alt. Sie kamen aus sogenannten Babyfarmen in Sri Lanka. Dort wurden Säuglinge an ausländische Paare mit Kinderwunsch verkauft. Ein Baby kostete laut der ZHAW rund 15’000 Dollar. Je heller die Hautfarbe, desto höher der Preis. Es kam auch vor, dass eine Frau bestochen wurde, um gegenüber den Behörden die Mutter zu spielen und ihr Einverständnis zur Adoption zu geben. Man nannte sie «acting mothers» – Schauspieler-Mütter –, heisst es in der Studie weiter.

Eine heisse Kartoffel für Bund und Kantone

Der Skandal wurde 2018 von Schweizer Medien aufgedeckt. Politisch sorgt dieses Thema für viele Diskussionen. Bund und Kantone weisen sich in der Sache seither gegenseitig die Verantwortung zu.

Am 21. September kommt das Thema in den Ständerat. Er stimmt über eine parlamentarische Initiative zu Adoptionen und Herkunftssuche ab. Dem Bund fehlt heute eine gesetzliche Grundlage, um private Organisationen bei der Herkunftssuche finanziell zu unterstützen. Das soll sich ändern. Der Bund soll zwar nicht Geld für Einzelfälle sprechen – dafür sind die Kantone zuständig –, aber koordinieren und allgemeine Unterstützung leisten.

«Private Organisationen gelangen in den ehemaligen Adoptionsländern eher an Informationen als staatliche Akteure aus der Schweiz», sagt Beat Flach (GLP), Mitglied der zuständigen Nationalratskommission. «Wir gehen davon aus, dass, wenn der Bund private Organisationen finanziell unterstützt, auch die Kantone bei der Herkunftssuche helfen werden. Denn die Archive über Adoptionen haben sie.» 

«Bund und Kantone können sich jetzt nicht mehr der Verantwortung entziehen.»

Sarah Ineichen, Gründerin von Back to the Roots

Ein Verein, der sich für die Herkunftssuche von adoptierten Kindern aus Sri Lanka einsetzt, ist Back to the Roots. Seit Anfang 2022 wird die Organisation im Rahmen eines Pilotprojekts von Bund und Kantonen finanziell unterstützt. Das ermöglicht es ihr, adoptierte Personen aus Sri Lanka auf ihrer Herkunftssuche professionell zu begleiten. Diese finanzielle Unterstützung läuft jedoch Ende Dezember 2024 aus – und deshalb braucht es eine längerfristige Lösung. 

«Wir können im Rahmen des Pilotprojekts rund 60 adoptierte Personen aus Sri Lanka unterstützen. Adoptierte Personen aus anderen Herkunftsländern müssen derzeit selbst für die Kosten aufkommen», sagt Sarah Ineichen, Gründerin von Back to the Roots. «Es wurden auch bei anderen Herkunftsländern fatale Fehler gemacht. Bund und Kantone können sich jetzt nicht mehr der Verantwortung entziehen. Sonst müssen sie mit Hunderten von Betroffenen rechnen, die ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung einfordern.»

Update: Am 22. September 2023 hat der Ständerat die Initiative abgelehnt.