Es ist Nacht. Auf einer Quartierstrasse zieht eine Gruppe von jungen Männern von Auto zu Auto. Sie prüfen kurz, ob sich das Fahrzeug öffnen lässt. Falls es unverschlossen ist, wird es blitzschnell nach Wertgegenständen wie Handys oder Laptops durchsucht. Wenn die Quartierstrasse abgeklappert ist, geht es mit dem ÖV des Nachtnetzes ins nächste Dorf. 

So beschreibt die Aargauer Polizei ein Tatmuster, das sich in den vergangenen Jahren immer stärker verbreitet hat. Polizeikommandant Michael Leupold spricht von einer «Kriminalitätswelle». Die Zahl dieser Vermögensdelikte habe sich seit 2019 verachtfacht, sagte er an der Jahresmedienkonferenz von Ende Januar. Bei der Täterschaft handle es sich oft um junge Männer aus Maghrebstaaten, die in Asylunterkünften inner- und ausserhalb des Kantons Aargau wohnen. 

Asylsuchende aus Maghrebstaaten auffällig oft beteiligt

Solche Diebstähle nehmen in den meisten Deutschschweizer Kantonen zu, wie eine Umfrage des Beobachters zeigt. «Ich kann Ihnen eine entsprechende Tendenz auch für den Kanton Basel-Landschaft bestätigen», so Mediensprecher Patrick Blatter. Die Kantonspolizei Bern stellt auf dem ganzen Kantonsgebiet «eine Zunahme der Einschleichdiebstähle» fest. Die Kantonspolizei St. Gallen hatte bereits voriges Jahr von einer Zunahme berichtet. 

Auswertungen von aufgeklärten Fällen würden zeigen, dass sowohl bei Diebstählen bei Fahrzeugen als auch anderen Diebstahlsdelikten Asylsuchende aus den Maghrebstaaten auffällig oft beteiligt gewesen seien. Diese hochaktive Tätergruppe sorge für grossen Aufwand bei den Strafverfolgungsbehörden des Kantons St. Gallen sowie beim Migrationsamt.

Prozentual haben Einschleichdiebstähle – so der polizeiliche Fachbegriff – in den vergangenen Jahren in Graubünden am stärksten zugenommen, nämlich von 60 Straftaten im Jahr 2018 auf 281 im Jahr 2022. Zahlenmässig am stärksten belastet ist der Kanton Zürich mit 1414 Delikten im Jahr 2022. Gesamtschweizerisch ist die Anzahl von 6673 (2018) auf 10’611 (2022) gestiegen. 

Ein Sprecher der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS) sagt, die Situation werde laufend analysiert. Die Konferenz stehe in stetigem Austausch mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM). «Beim Eintritt in ein Bundesasylzentrum findet immer eine Kontrolle statt. Wenn dort Hinweise auf Diebesgut festgestellt werden und sich konkrete Hinweise auf ein Strafdelikt ergeben, wird die Polizei informiert», sagt SEM-Sprecher Reto Kormann. In den Bundesasylzentren würden die Asylsuchenden für ihren Aufenthalt in der Schweiz mit der Asyl-Info-App sensibilisiert. 

Erfolg bei der Eindämmung von Diebstählen bei Autos verspricht sich das SEM auch von einem Pilotversuch, der in der Asylregion Zürich eingeführt wurde. «Asylgesuche maghrebinischer Personen werden hier innert 24 Stunden abgewickelt. Dies vor allem wegen der tiefen Schutzquote und der geringen Aussicht auf einen Bleibestatus in der Schweiz für Personen aus diesen Herkunftsländern», so Kormann. 

Aargauer Polizeikommandant fordert zentrale Datenbank

Der Aargauer Polizeikommandant Michael Leupold fordert eine zentrale und leicht abrufbare Datenbank, in der Personen verzeichnet werden, die irgendwo in ein polizeiliches Ermittlungsverfahren involviert sind. Heute müsse jeder Kanton einzeln angefragt werden. Personen, die eine Straftat begehen, seien meist schon nach wenigen Stunden wieder auf freiem Fuss. Wenn sich bei einer Abfrage der zentralen Datenbank herausstellen würde, dass die Person auch in anderen Kantonen gestohlen hat, könne sie viel eher in Haft genommen werden. Bei der KKPKS heisst es, die Arbeit an einem Konkordat zum Datenaustausch habe «hohe Priorität». 

Bürgerliche und linke Parteien beurteilen das Problem erwartungsgemäss unterschiedlich. Für die SVP zeigen die Zahlen «wohl nur die Spitze des Eisbergs», da viele Autoeinbrüche gar nicht angezeigt würden. «Die Situation ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Der Bundesrat muss endlich eine Maghreboffensive beschliessen und diese Länder als sichere Staaten einstufen», sagt die Aargauer SVP-Nationalrätin Martina Bircher. 

Für die SP liegt das Hauptproblem beim strikten Arbeitsverbot für junge Abgewiesene. Dieses müsse schweizweit aufgehoben werden. «Das Arbeitsverbot sowie die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Abgewiesenen und erhöhen das Risiko, kriminell zu werden, erheblich», sagt SP-Sprecher Nicolas Haesler. Zudem hätten noch längst nicht alle Kantone Beschäftigungsprogramme für Abgewiesene. Auch hier bestehe Handlungsbedarf. 

Das empfiehlt die Polizei: So schützen Sie sich 
  • Lassen Sie keine Ausweise, Fahrzeugpapiere, Bank- oder Kreditkarten und Hausschlüssel im Fahrzeug zurück.
  • Schliessen Sie beim Verlassen Ihres Fahrzeugs die Türen und den Kofferraum immer ab – auch in geschlossenen Garagen. 
  • Verschliessen Sie die Autotüren und kontrollieren Sie, ob die Autofenster vollständig geschlossen sind – auch bei kurzen Abwesenheiten.
  • Wählen Sie abschliessbare Kofferräume und Dachgepäckträger. Auch der Kofferraum ist kein sicherer Ort zur Aufbewahrung von Wertgegenständen.
  • Sprechen Sie unbekannte Personen an, die auf privaten Parkplätzen umhergehen und in Autos hineinschauen. 
  • Melden Sie verdächtige Beobachtungen sofort der Polizei über die Notrufnummer 112/117 – lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.